Zwischen Krabbensalat und Knochenkult


Interview mit Eisregen
Black Metal aus Deutschland - Tambach-Dietharz
Am 28. und 29. November spielten EISREGEN in Leipzig einen Doppelgig. Der erste Auftritt war mit rund 500 Leuten gut gefüllt, der schon lange angekündigte Auftritt am Samstag schon lange ausverkauft. Beide Auftritte wurden aufgezeichnet, um demnächst ein Live-Album herauszubringen. Warum macht das die Band? Wie steht sie zur Zensur in Deutschland, wie geht EISREGEN damit um und was unterscheidet "Knochenkult" von seinem Vorgänger "Blutbahnen"? Mit einem Knochenstrauß von Fragen radelte ich durch die Eiseskälte zum Hellraiser am Rande der Messestadt und löcherte Michael Roth mitten im saftigen Catering voller Obst und Leckereien.

Wer hätte gedacht, dass EISREGEN im dunklen Klub hocken, anstatt auf den frisch eröffneten Weihnachtsmarkt zu gehen. Leipzig ist immer eine Reise wert, aber wer die Zeit hat, sollte sie zumindest nicht einfach so totschlagen sondern die vielen Sehenswürdigkeiten bewundern.

Hallo Leute, wie geht es euch? Ihr wart ja schon gestern da. Wie kam es eigentlich zu dieser Doppelshow?

Gut gut, es könnte nicht besser laufen. Das lag eindeutig am guten Vorverkauf. Wir hatten schon relativ zügig sehr sehr viele Karten für den Samstag verkauft. Wir haben dann gesagt, bei 800 machen wir 'nen Schnitt, so dass die Leute bequem stehen können. Wenn wir hier in den Hellraiser 1.000 Leute reinpacken würden, wäre es für diejenigen schnell unbequemer. So hatten wir die Idee, dass wir eben noch den Freitag ranhängen. Ein Stück hat es sich gestern auch schon gelohnt. Knapp 500 Fans waren da und mit diesem Ergebnis können wir gut leben.

Stichwort "Krabbenkolonie": Was ist der Anlass, das Album noch einmal neu zu präsentieren?"

Ganz klar. Wegen der allbekannten Problematik haben wir uns dazu entschlossen, das Album noch einmal neu aufzunehmen. Wir haben die Arrangements und Texte umgestellt und verändert, so dass das mit dem Original nicht inhaltsgleich ist. Auch die Liedtitel haben wir verändert und jetzt ist es praktisch ein nicht inhaltsgleiches Remake. Und wir werden noch sehen, ob wir damit einen speziellen Erfolg haben bei gewissen Organisationen (lacht).

Sozusagen ist diese Aktion von euch eine stille Reaktion auf den Indizierungswahn, der nicht nur euch betrifft, sondern auch CANNIBAL CORPSE und früher auch mal die DIE ÄRZTE? Muss man als Künstler damit umgehen lernen, wenn man im (demokratischen) Deutschland lebt?

Ja, in der Tat, denn das Zensieren ist eine spezielle Form des Umgangs mit Kunst, die es so nur in Deutschland gibt. Im Ausland, wie eben Österreich / Schweiz ist das für uns eigentlich kein Thema. Das Zensieren ist wohl eine Eigenart von deutschen Behörden (die ja im Kern von den Menschen geprägt werden, Anm. d. Verfassers). Wir haben nunmal den Vor- / Nachteil, dass wir eine deutsche Band sind und wir müssen halt darauf reagieren und das kommende Live-Album ist unsere Reaktion auf diese ganzen Geschehnisse.

Eurem aktuellen Album "Knochenkult" ist ein Flyer beigefügt mit der Bemerkung, dass nur bestimmte Leute dieses Album hören dürften. Auch so eine Antwort, mit der ihr mit den Behörden ringt?

Na klar, natürlich. Wir waren ja im Mai zur Verhandlung über die "Blutbahnen"-CD. Wir hatten dort auch Erfolg und konnten den Leuten da deutlich machen, dass in unseren Texten auch ein künstlerischer Wert liegt und nicht nur eine plumpe Provokation. Mit dem Gremium habe ich mich dann auch unterhalten und auseinandergesetzt, was wir in Zukunft machen können. Zum Beispiel können wir in Zunkunft auf den Abdruck der Texte verzichten und ein Warnhinweis (wie eben bei "Knochenkult" geschehen, Anm. d. Verfassers) birgt ja auch eine Ironie in sich, ist aber durchaus auch ernst gemeint. Wenn jemand also sich noch nicht mit EISREGEN beschäftigt hat, wird mit dem Warnhinweis darauf hingewiesen, auf was er sich dann einlässt. Dass es eben ins Horrorgenre geht und dass es nicht für jeden geeignet ist. Ich meine, das ist halt eine Reaktion darauf und sowas wie der Warnhinweis lässt sich leicht dazu nutzen, auch gleich die Konzertdaten hinten drauf zu packen, ha ha. Das ist ganz klar, eine gewisse ironische Einstellung haben wir auch dazu.

Die BRD ist ja aus einem demokratischen Selbstverständnis heraus entstanden. Was hältst du in diesem Zusammenhang von Zensur und Selbstzensur in unserem Land?

Von Zensur und Selbstzensur halte ich prinzipiell gar nichts. Weil, hmmm, schwierige Frage. Denn letztlich geht es doch um die Frage, was der Künstler ausdrücken möchte. Sei es im Film, bei einer CD oder einem Buch und wie kommt das bei denjenigem an, der sich mit sowas nicht beschäftigt hat. Kunst hat eine ganz andere Wirkung auf so jemanden als auf jemanden, der ganz speziell bei uns sich intensiv mit dem Horrorgenre beschäftigt hat. Der Wirkungsgrad ist völlig unterschiedlich auf die Menschen. Das mit der Indizierung von CDs ist kompletter Unsinn. Gerade durch das Medium 'Internet' ist besagtes Album immer verfügbar. Und in den Mags und Zeitungen wird besagtes Album auch nicht beworben, aber es wurde bekannt gegeben, dass es indiziert wurde und das macht es für bestimmte Leute und Jugendliche auch interessant. Denn illegal kannst du es natürlich überall runterladen, was natürlich auch nicht in unserem Interesse ist. Man muss auch betrachten, dass die Musik nicht indiziert ist, sondern die Texte und die findest du auf 200 bis 300 illegalen Seiten, die nicht einmal deutschen Ursprungs sind. Deswegen finde ich die Indizierungsgeschichte völlig hinfällig.

Kannst Du dir in diesem Zusammenhang den sogenannten 'Tipper-Sticker' vorstellen?

Das ist im Prinzip auch so ein Unfug, meines Erachtens. Irgendwie ist das ja auch eine Werbung für die Band. Viele haben sich ja Alben geholt, weil dieser Sticker drauf war. Das ist auch so ein zweischneidiges Schwert.

Es gibt ja auch den "Knochenkult". Überall kommt das Album gut an. Da heißt es 'back to the roots', mehr Gitarren und so weiter. Das gefällt offenbar vielen Leuten mehr als Keyboards.

Das war eine natürliche Entwicklung. Nach den 'Blutbahnen'-Aufnahmen hat uns unser Keyboarder D.F. verlassen. Er hatte wesentlich zum Songwriting von 'Blutbahnen' beigetragen. Als es ran ging neue Lieder zu machen, war es ganz klar, dass wir uns mehr auf die Gitarre ausrichten und die neuen Kompositionen gehen ja direkt auf das Gitarren orientierte Songwriting zurück. So hat es sich ganz von selbst ergeben, denn wenn du Songs komplett mit der Gitarre arrangierst, wird es automatisch wieder härter. Das ist eine ganz natürliche Entwicklung. Härtere Gitarren passen auch ganz gut zu unserem Textkonzept und deswegen ist das Album an sich in eine härtere Richtung gegangen. Mir kommt das auch entgegen. Ich persönlich bin sehr mit der CD zufrieden. Das war ich auch mit "Blutbahnen". Wenn man aber so ein melodisches Album gemacht hat, ist es ganz natürlich, wieder einen Zacken zuzulegen.

Der Umgang mit dem Tod erschreckt doch viele Leute. Ihr beschreibt in euren Texten viele Arten des Sterbens. Glaubst Du, dass Leute nur deswegen vor euch und euren Texten zurückschrecken, weil sie selbst Berührungsängste haben mit dem Sterben und den Tod?

In letzter Konsequenz ist der Tod ein Tabuthema in unserer Gesellschaft, das ist ganz klar. Es wird nicht gerne darüber gesprochen und bei uns ist der Tod ein künstlerischer Faktor, wie auch allgemein im Horror-Genre üblich. Ich meine, da sind Kräfte an der künstlerischen Darstellung von Gewalt, die immer schon da waren und in uns allen wohnen. Der Einfluss von Gewalt auf die künstlerische Darstellung ist enorm. EISREGEN ist da sowas wie eine Reflektion von Zeitgeschehen und Interesse an abseitigen Themen. Wir bekennen uns auch eindeutig, dass wir Horrorfans sind. Wenn aber jemand überhaupt kein Interesse am Horrorgenre hat, dann ist klar, dass EISREGEN auch die falsche Band für ihn ist. Wir sehen das ja an den Reaktionen zwischen Euphorie und kompletter Ablehnung. Das sind Richtwerte für uns.

Viele Fans kennen euch erst seit der "Blutbahnen"-CD und haben euch bei dem letzten Konzert quasi abgöttisch geliebt, wohingegen viele 'Oldschool'-Fans meinten, dass es ihnen nicht so gut gefallen hat. Wie geht ihr mit diesem Zwiespalt um? Bemerkt ihr die Reaktionen im Publikum bzw. dass sie unterschiedlich ausfallen?

Wir haben immer eine sehr bunte Mischung und diesmal gestaltet es sich optimal wegen des Remakes unseres zweiten Albums. In den letztjährigen Shows haben wir uns natürlich auf die "Blutbahnen"-CD konzentriert, bauen gelegentlich im regulären Set ein paar Klassiker ein. Und ich denke, das ist eine ganz gesunde Mischung (lacht).

Beide Shows an diesem Wochenende werden aufgezeichnet. Wann können wir denn mit dem Ergebnis rechnen?

Es wird eine CD geben. Wir beschäftigen uns erstmal mit den Abmischarbeiten und mal gucken wie der Markus Stock (Stamm-Produzent / Mixer von EISREGEN in der KLANGSCHMIEDE Studio E, der u.a. für MIDNATTSOL, ELUVEITIE und EMPYRIUM Mischarbeiten übernommen hat) Zeit hat . Er ist ja auch immer sehr beschäftigt. Dann müssen wir uns auch um die grafischen Sachen kümmern. Wenn das alles durch ist, denke ich, dass es schon realistisch ist, mit dem Live-Album im April / Mai 2009 zu rechnen.

Gibt es schon einen Titel für das Live-Album?

Ja, es wird "Bühnenblut - Live in Leipzig" heißen.

Okay, das passt. Wird es 2009 auch ein neues Studioalbum geben?

Joahh, schon. Der Titel ist auf jeden Fall "Schlangensonne". Ich bin gerade dabei die Texte zu schreiben, und es ist das, was zuerst steht. Aber das wird sich noch ein Weilchen hinziehen, denn wir haben erstmal live bis Juni 2009 (Stichwort With Full Force; Anm. d. Verf.) genug zu tun. Aber in der Zwischenzeit werden wir für das neue Album schon Zeit finden.

Ihr habt viele ehemalige Mitglieder. Habt ihr noch Kontakt zu einigen Leuten?

Ja sicherlich. D.F. ist immer noch ein Kumpel von uns und wir sehen ihn auch relativ häufig, weil er bei uns in der Umgebung lebt und das ist dann auch völlig normal. Die Therese, unsere ehemalige Geigerin, die arbeitet in Köln bei Roadrunner in der Promoabteilung. Selbst zu ganz frühen Mitgliedern besteht auch lockerer Kontakt. Wie man sich eben bei Konzerten und so übern Weg läuft.

Merchandising. Habt ihr was neues im Programm?

Ja, für die Leipzig-Shows haben wir ein exklusives T-Shirt gemacht. Mit dem Motiv der alten CD drauf, aber mit nem neueren Titel. Die sind wirklich für die Shows limitiert. Ein paar hundert Stück, die nur bei der Doppelshow verkauft werden. Wenn wir nicht alle los sind, mal sehen, dann bei den nächsten Konzerten. Wenn dann noch was übrig ist (lacht). Denn dafür gibt es absolut keinen Mailorder. Es ist auch was schönes, wenn die Leute etwas besonderes mit nach Hause nehmen können. Denn neu aufgelegt wird es sicher nicht.

Welches Programm umfasst eurer Merchandising?

Wir haben Jacken, Pullover und all den Krempel. Ganz schön ist unser schwarzer Einkaufsbeutel mit dem bekannten Kopfschussmotiv. Damit kann man prima Bier holen und Klopapier und sowas halt (lacht).

Da fehlen noch Kugelschreiber und Radiergummies.

Ja genau (lacht). Oder einen Eisregen-Schirm (lacht) ... Pirelli und Michelin haben sich wegen Winterreifen noch nicht gemeldet (lacht).

Ja super, dann sind wir schon ans Ende unseres Interviews angelangt. Ich bedanke mich schon mal an dieser Stelle bei dir und frage dich, ob du unserer Bloodchamber-Leserschaft etwas mit auf den Weg geben willst?

Ja, auf jeden Fall. Es ist vor allem wichtig, dass auch diejenigen unsere Live-CD kaufen, die uns überhaupt nicht mögen, weil das bringt uns wirklich einen Haufen Geld ein (lacht). Fans kaufen es sowieso, aber es ist wichtig, dass auch die, die uns nicht mögen die CD kaufen. Einfach nur um ein bisschen gegen den Strom zu schwimmen (lacht).
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