Wenn du dich auf einen Österreicher verlässt...


Interview mit Gallows Pole
Hard Rock aus Österreich - Wien
Fast 35 Jahre sind GALLOWS POLE respektive ihr Anführer Alois Martin Binder im Geschäft, mit einem aus diversen Gründen ziemlich unsymmetrischen Veröffentlichungsrhythmus – 1982, 1989, 1999, 2008, 2010, 2011 erschienen die bisherigen sechs Alben. Im offenen und unterhaltsamen Telefonat geht es folglich auch darum, weshalb das so ist. Dazu gibt es unter anderem ein wenig Aufklärung über das aktuellen Werk “Waiting For The Mothership“, die letzte taugliche große Rockband, die Vorteile von kleinen Labels und die Werteverkehrung in der Musikwelt in den letzten 30 Jahren. Feuer frei für „Imperator Al“!

Bis 2008 habt ihr drei Alben veröffentlicht und seitdem wieder drei, liegt das vor allem an der mittlerweile vorhandenen, stabilen Besetzung?

Nein, überhaupt nicht. Das ist schwierig zu erklären. Die Sache ist folgendermaßen: „In Rock We Trust“ war 1982 und damals gab es keine Computer. Wir mussten in ein Studio gehen und haben das damals aufgenommen in England. Das war extrem teuer. Gut, es hört sich auch gut an, aber das kannst du nicht alle zwei Jahre machen, damals nicht. Ein Studio zu mieten war damals eine Katastrophe.
Die zweite Sache war die, wir haben bei CBS Records (ehemaliger Teil von EMI, später dann von Sony BMG, Wiki weiß mehr) damals unterschrieben und die haben sich damals nicht so bewährt.
Ich hab in einem Review die Frage gelesen, warum diese Band noch nicht berühmter ist. Das fragen mich mittlerweile über 100 Leute und ich mich auch: Ich weiß nicht, was da passiert ist! Kein Mensch weiß das. Ich frag mich seit fast 40 Jahren, warum das so ist und bin auf keinen grünen Zweig gekommen. Jedenfalls sind wir damals nach Amerika gegangen mit „In Rock We Trust“, haben live gespielt und das ist dann als Picture Disc veröffentlicht worden. Wir haben natürlich nicht nur gespielt, auch Sachen aufgenommen demomäßig und so weiter. Aber irgendwie hab ich nie den Eindruck gehabt, es ist so gut wie „In Rock We Trust“, was wahrscheinlich damals ein Fehler war, weil ja, wahrscheinlich machst du so ein Album nur alle 10 Jahre. Aber ich hab es halt damals so gesehen und dann hat es sieben Jahre gedauert bis „We Wanna Come Home“ rausgekommen ist.
Da waren auch persönliche Dinge dazwischen, unser Schlagzeuger ist damals gestorben während der Aufnahmen zu „We Wanna Come Home“ und wir waren dann ziemlich unter Schock, weil wir eine Band waren, wie sie es heute eigentlich nicht mehr gibt. Wir waren wirkliche Freunde, wir haben uns nicht nur zur Probe oder zu Livegigs getroffen, sondern wir waren permanent zusammen. Das war ein schwerer Verlust damals.
Und dann haben zwei geheiratet, das kennt man ja und so weiter blablabla. Es ist natürlich immer was passiert, aber immer so Re-Releases. Ich glaube, von „In Rock We Trust“ gibt’s mittlerweile die 18. Auflage oder so, alle 1-2 Jahre passiert‘s. Da haben wir zwei Bonustracks dazu gespielt in den 90ern und dann hab ich quasi im Alleingang das „Smile of the Dolphins“ Album aufgenommen und da bin ich schon langsam in Kontakt gekommen mit Karthago Records und dem Stefan Riermaier. Begonnen hat das eigentlich damit, dass ich ihm unsere CDs geschickt habe und er hat sie in Deutschland vertrieben. Und irgendwann haben wir gesagt, was soll das eigentlich, du machst das da drüben und so ist das halt passiert. („Revolution“ erschien über Karthago, „Waiting For The Mothership“ jetzt über das befreundete Pure Rock Records, ein Pure Steel Sublabel)
Die Inspiration, die ich jetzt seit 2005 oder 2006 habe, die hab ich vorher nie gehabt. Ich kann es mir nicht erklären.

Inspiration in dem Sinne, dass dir viel mehr Musik einfällt?

Ja ja ja ja ja. Ich bin total hungrig. Ich könnte jede Woche ein Album aufnehmen. Das bildet man sich natürlich nur ein, denn im Prinzip sind von 100 Songs nur 10 oder 20 wirklich gut, der Rest liegt in der momentanen Euphorie, die man in dem Moment hat, wo man es schreibt. Aber der dritte Song vom nächsten Album ist schon wieder fertig, dabei ist „Revolution“ noch nicht mal richtig angelaufen.

Du meinst “Waiting for the Mothership”?

Nee, „Revolution“ ist auch nur 1 Jahr alt, die Amis haben das noch nicht mal so richtig geschnallt bis jetzt, und „Waiting For The Mothership“ sowieso, das wird lang dauern. Aber wie gesagt, ich hab auch Reaktionen aus Amerika, die längste Zeit schon: „Wie gibt’s das, dass du mit dieser Band nicht berühmt bist?“ Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht…

Naja, es müssen wohl normalerweise alle Komponenten stimmen, damit man mit Musik berühmt wird. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und wahrscheinlich auch noch die richtigen Leute kennen.

Ganz genau das ist es. Und das war offensichtlich nie der Fall, entweder waren wir unserer Zeit immer voraus oder, ich weiß es nicht. Jetzt mal abgesehen vom Finanziellen, um das wirklich flächendeckend zu machen, müsste man da so viel Geld reinstecken, das hat ja niemand eigentlich.

Oder wo es reingesteckt wird, das sind Eintagsfliegen, die nach drei Jahren verbraucht sind.

Genau.

Da können wir jetzt gut beim Zeitenwandel anschließen. Zur Zeit von „In Rock We Trust“, was war das Beste und was war das Schlechteste im Vergleich zu dem, was heute das Beste und das Schlechteste ist?

Du meinst überhaupt?

Für dich als Musiker oder auch für GALLOWS POLE.

Für mich als Musiker. Naja, als GALLOWS POLE... Damals war ein anderes Gefühl in der Luft, wie soll man das erklären. Also die 70er und 80er, da war alles ganz anders, die Leute haben sich für Musik interessiert! Das war komplett anders, nicht so eine überbordende „Keinen interessiert mehr irgendwas, jeder schaut in seinen Computer rein“ Haltung, was weiß ich. Damals hat man Musik noch gehört, das war das Positive.
Das Negative waren diese Studiogeschichten. Wenn du wirklich ein Album machen wolltest, das international konkurrenzfähig ist, war das unbezahlbar. Das war ein Riesenakt.
Aber ansonsten war in der Zeit die Musik viel besser. Das hat nichts damit zu tun, dass ich da aufgewachsen bin, sondern meiner Meinung nach ist die Musik heute katastrophal schlecht. Ich finde, seit 1990 oder 1995 gibt’s keine guten Rockbands mehr. Meiner Meinung nach waren GUNS’N’ROSES die letzte gute große Rockband und dann fällt mir nicht wirklich mehr was großartiges ein. So sehe ich das, vielleicht hat das mit dem Alter zu tun, aber ich glaube nicht, denn wenn man da sieht, wer die Stadien füllt, die sind alle 60.

METALLICA sind vielleicht keine 60, aber auch schon so lange dabei.

Wer füllt die Hallen? U2, Springsteen, AC/DC, die sind ja an die 60. Viel fehlt nicht. Und das hätte es zu unserer Zeit… Als ich jung war, hätte ich mir keinen 30jährigen angeschaut. Die Typen wären für uns uralt gewesen. Wenn die die Stadien füllen und die ganzen jungen Bands nur Auftrittsmöglichkeiten haben im Rahmen eines Festivals, wo sowieso 20 Bands spielen, damit da Leute überhaupt kommen, dann tja, keine Ahnung, muss ich mich wundern.

Vielleicht hat es sich einfach mit der Mehrzahl der Möglichkeiten und Mehrzahl der Bands mehr auseinander dividiert. Heute gehen 1.500 auf das Konzert der einen Band, 1.000 zur nächsten und 500 zu einer dritten, während früher alle 3.000 zum gleichen Konzert gegangen sind.

Hmm, naja, wäre eine Erklärung. Nur weiß ich nicht, warum dann bei AC/DC 100.000 sind.

Und dann auch noch zu dem Wahnsinnspreis, den die aufrufen.

Jo, das ist ja auch überhaupt eine Frechheit. Das ist ja eine totale Frechheit. Das ist ja unglaublich!

Für das Geld konnte man früher, so vor 15 Jahren, noch auf zwei Festivals fahren…
Aber dann kann man es eigentlich fast umdrehen: Heute ist besser, dass man Aufnahmen bezahlen kann, dafür ist es schlecht, dass viele Leute Musik nur noch so oberflächlich wahrnehmen.


So ist es. Die Leute hören einem nicht wirklich mehr zu. Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Was ich so von meinen Begegnungen mitkriege… Da hört man einmal rein und sollte nicht unmittelbar in den nächsten fünf Minuten ein Hit kommen auf dem Album, dann kommt das raus.

Alle, die noch ernsthafter hören, schreiben für irgendwelche Magazine.

Haha, ja, wahrscheinlich. So wie die Reaktionen sind bei diesem letzten Album, da könnte was wirklich großes draus werden. Solche Reaktionen hat ich noch nie.

Ich bin sehr gespannt und hoffe auch, ihr kommt mal auf Tour damit.

Wir wollen auf jeden Fall auf Tour kommen. Das Problem ist halt mit den Veranstaltern. Das ist ja genau dasselbe. Und noch ein Problem haben wir, ich meine, diese Musik kannst du nicht wirklich um zwei Uhr nachmittags im Sonnenschein spielen.

Stimmt.

Also müssten wir entweder in Hallen spielen oder in Clubs oder was auch immer oder dann am Abend, aber für am Abend sind wir für die großen Festivals doch ein bisschen zu klein. Und Angebote hätte es genug gegeben. Nur ist das Problem, dass das immer so einzelne Sachen waren, das geht finanziell nicht. Wenn mir einer sagt, du spielst jetzt zwei Monate jeden 2. Tag, dann ist mir wurscht, dass man pro Auftritt ein bisschen weniger bekommt, dann läppert es sich zusammen, diese zwei Monate, aber für einen Auftritt? Das ist ja ein ungeheurer Aufwand. Ich hab zuletzt ein paar Angebote bekommen aus Griechenland, die haben Preisvorstellungen, das gibt’s nicht. Das kosten allein die Flüge für sieben Leute. Ist eines der Probleme im Moment.

Machst du das mit der Musik hauptberuflich?

Ja ja, das geht sich schon aus. Mit den Verkäufen von den anderen Alben und Gema und solche Sachen, da kommt ein bisschen was zusammen. Aber einen SL hab ich mir noch nie kaufen können.

Kommen wir mal zum Album. Ich habe an vielen Stellen gelesen, dass es ein Konzeptalbum ist und hab es auch oft gehört, aber Booklet hab ich keins vorliegen. Erklär also mal bitte, was das Konzept ist.

Es geht um einen Mann, also ich in dem Falle, der wurde vor einer Million Jahren auf diesem Planeten ausgesetzt, um das Leben zu verbreiten. Die wandern von Sonnensystem zu Sonnensystem und verbreiten überall Leben und diesen Mann haben sie hier vergessen. Da wird beschrieben über das ganze Album, was im Laufe der Zeit passiert ist, was er sich denkt, wen er getroffen hat, wie Spezies gekommen und gegangen sind. Das hat er alles miterlebt. Dann ist er drauf gekommen, dass das ein furchtbarer Fehler war, was sie gemacht haben. Da ist irgendwo ein Fehler passiert mit der Menschheit. Ein Fehler der Natur. Jetzt sehnt er sich langsam danach, dass er wieder abgeholt wird, weil er weiß, dass sie auf der Suche nach ihm sind, ihn aber noch nicht gefunden haben. Gegen Ende des Albums kommt endlich ein Signal, „Area 51“ handelt zum Beispiel von diesen Typen, die seine Freunde sind, die ihn schon gefunden hatten, aber dann ist das passiert, was man eben weiß. Die haben sie einfach umgebracht, angeblich haben sie ja noch gelebt usw. Ich weiß in dem Album, dass sie gelebt haben, und das war das letzte Mal, dass er Kontakt hatte, und jetzt, „Mothership Is Coming“, kommt das Signal, dass er endlich abgeholt wird. Das ist der Schlussteil und dazwischen halt die sozialkritischen Sachen, wie die Menschheit ist.
Vom Anfang bis zum Schluss geht’s nur um dieses Thema, bei jedem Song.

Wenn ich das jetzt richtig verstanden hab: Vor 1 Million Jahre ist er hierhin gekommen und die ganze Zeit hier gewesen. Er hat die komplette Entwicklung des Lebens angestoßen und miterlebt und dann einen großen Fehler darin gesehen, wie die Menschheit momentan funktioniert, dass da irgendwas nicht stimmt und auch deshalb hofft er auf Rettung.

Ganz genau.

Dazu passt es ja, dass ich das Album in großen Teilen furchtbar traurig fand.

Das ist im Prinzip meine Natur. Ich bin nicht wirklich ein trauriger Mensch normalerweise, aber ich spiel halt so, ich weiß auch nicht warum. Das war vielleicht auch eines der Probleme von GALLOWS POLE. Dass der große Durchbruch nicht wirklich gekommen ist, weil jedes Album anders klingt. Ich kann einfach nicht anders, wenn ich im Studio sitz, heutzutage im eigenen, spiel ich und nehm ich auf, was ich gerade fühle. Mir ist das wurscht, ob das jetzt irgendwem gefällt oder was die Kritiker sagen oder wer auch immer. Das, was mir in dem Moment einfällt oder gefällt, nehm ich dann auf und das kommt dann aufs Album. Zum Beispiel das „Smile Of The Dolphins“ Album ist komplett anders, das hat mit Rock überhaupt nicht viel zu tun. Aber natürlich haben die mir alle selbst nicht so gut gefallen wie „In Rock We Trust“ und schon gar nicht wie „Waiting For The Mothership“. Ich hör es mir selber ununterbrochen, rund um die Uhr an.

Da wird man doch depressiv!

Ich werde auch langsam wahnsinnig, keine Ahnung. Mir gefällt es halt selbst so gut, kann ich gar nicht beschreiben. Offensichtlich bin ich nicht alleine.

Du hast dich selbst überrascht?

Das würd ich so sagen, ja. Ich bin, nachdem das Ganze beendet war, da gesessen, wir haben uns das durchgehört und ich hab gedacht, das hab wirklich ich gemacht, gespielt, gesungen? Sehr merkwürdig. Als ob jemand anders meine Finger beim Gitarre spielen oder beim Singen geleitet hätte. Ist vielleicht blöd ausgedrückt, aber so in etwa.

Ich verstehe, was du meinst, ich hab diese Erfahrung nur noch nicht gemacht, deshalb kann ich es nicht ganz selber nachfühlen.

Das ist für mich auch das erste Mal.

Ich muss gestehen, dass ich die anderen Alben nur vom Namen kenne, jedoch nie gehört habe. Sind die denn zumindest zum Teil fröhlich oder mitsingkompatibel?

Ja klar, auf der „IV“ oder der „Revolution“ da sind schon ein paar Songs drauf, die könnte man vergleichen… Sagen wir, wenn du einen AC/DC Song in der Disko spielst und als nächstes einen von der „Revolution“, da wundert sich keiner, das passt total. Solche Sachen sind schon passiert und da sind Sachen passiert, die relativ fröhlich sind, aber sowas kompaktes, wo mir jeder Ton gefällt und wo ich bis heute nicht weiß, wie ich drauf gekommen bin, sowas ist mir noch nie passiert vorher.

Wer hat dieses Cover im 60er Stil entworfen?

Das war Markus Vesper.

War das nach Vorgabe oder hat er das Album vorher gehört?

Soviel ich weiß hat es das Ding schon gegeben, der hat schon viele Covers gemacht. Die Plattenfirma hat mir gesagt, ich soll mir das mal anschauen und dann bin ich auf seine Seite gegangen, die Sachen haben mir ganz gut gefallen und das hat mir am besten gefallen. Also hab ich denen gesagt, „Schaut’s mal, ob wir das kriegen können“, und offensichtlich haben wir es gekriegt.

Ich fand es sehr stimmig, weil das Album ja auch vom Sound nicht auf 21. Jahrhundert gebürstet ist, sondern so einen traditionellen Klang hat.

Jajaja, ganz genau. Das Cover passt, es passt auch die Musik, es passt jetzt auch die Vermarktung, ich bin mit der Company sehr zufrieden, wir haben ein gutes Verhältnis mit dem Laden da. Ist natürlich ne kleine Company, aber ich war bei CBS unter Vertrag und Sony und Ariola, da ist auch nix passiert, also bin ich jetzt glücklich mit denen. Ist das dritte Album bis jetzt und da werden wir auch weitermachen. Da redet mir keiner was drein und ich kann einfach telefonieren mit denen.

Und es sind Leute, die mit dem Herzen dabei sind.

Genau. Ich hab sie mal getroffen, sie waren in Wien damals, wie ich die ersten Aufnahmen gehabt hab von dem Album, und ich hab ihnen das mitgegeben und sie waren sofort begeistert. Das hat natürlich auch geholfen, wenn ich weiß, da steht wer dahinter.
CBS damals in den 80er Jahren, das war eine Katastrophe. Da sind so Sachen gelaufen wie dass die Amis angefragt haben, ob sie das Album haben können, und in Wien hat niemand reagiert. Das war derselbe Konzern! Dann ist noch dazu gekommen, es hat ne Platte gegeben von Y&T bei derselben Company, die hat auch „In Rock We Trust“ geheißen und die haben überhaupt nichts unternommen, sondern es war jedem wurscht.
Du bist eine Nummer bei den Großen. Wenn die ganzen Musiker oder Leute glauben, das hat einen Sinn, einen Major Deal zu haben, des sollns vergessen. Wenn du nicht wirklich Glück hast oder die Chefetage entscheidet, von den 1000, die sie zur Verfügung haben, diesen einen pushen wir, hast du keine Chance. Es ist vollkommen wurscht. Da ist es besser, du bist bei einer kleinen Company, die machen wenigstens was.

Dann ist es aus deiner Sicht ja vielleicht auch zu begrüßen, dass die Major alle am Straucheln sind, weil sie sich so verrannt haben in den letzten, mittlerweile mehr als 10 Jahren.

Das ist mir sowieso ein absolutes Rätsel! Ich mein, wie geht das, wie kann man als Plattenfirma bankrottgehen? Und mittlerweile sind ja fast alle komplett bankrott. Na klar, wenn du erwartest, dass heute eine Band daherkommt, und du willst sofort einen Hit haben. Sofort! Das war in den 70er Jahren ganz anders, der Sänger von DEF LEPPARD, hab ich in einem Interview gesehen, hat es genauso gesagt wie ich: Damals hat man gesagt, einer Rockband gibst du drei Platten Chance. Bei der dritten fängt sie meistens zu wirken oder zu laufen an, dann ziehen die anderen beiden Platten sowieso nach. Und genauso ist es gewesen! Und das haben sie Ende der 80er, Anfang der 90er total beendet. Da hats geheißen, er hat einen Hit, den sollns auflegen und möglichst innerhalb von 10 Sekunden soll er einen Refrain haben, der jedem gefällt. So läuft das nicht. Das haben die nicht geschnallt und wenn du dir anschaust, was für Idioten heute in den großen Companys, die es so gibt, drin sitzen, da wunderst di, gell?
Ich glaub zwei Jahre ist es her, da war ich bei Universal Wien, ich mein, da sitzt ein 18jähriger, der hat von nix ne Ahnung... Leid tun sie mir nicht, das hat ihnen schon geblüht, dass sie jetzt alle bankrott sind. Wie kann man das Internet verschlafen, das ist mir überhaupt ein Rätsel…

Auf jeden Fall, und das wird auch nicht mehr aufgelöst werden, dieses Rätsel.

Da könnte man ne Doktorarbeit drüber schreiben.

Das greift dann auch wieder auf den Anfang zurück und wirft die Frage auf, ob die Leute zuerst das ernsthafte Interesse an der Musik verloren haben oder ob die großen Labels sich die Leute so rangezüchtet haben, nur noch auf den Hit zu schauen und nicht mehr auf die Entwicklung und auf ganze Alben.

Ich glaub, es ist das zweite. Dieses kurzfristige Denken, diese Gier, was überall überhandgenommen hat, das war bei den Plattenfirmen nicht anders. Die wollten dann alles ganz schnell haben und das funktioniert dann nicht, wie man sieht. Du musst was Dauerhaftes bringen, so einfach ist das.

Ich war vor ein paar Jahren mal in Wien und fand es da eigentlich wunderschön, bis auf den Gestank der Fiaker (Alois lacht kurz auf). Wien hat ja so einen alten Charme und so ein morbides Flair.

Ja genau.

Denkst du, das hat Einfluss auf die Musik, die du schreibst?

Nein, das glaub ich nicht. Weil niemand so eine Musik in Österreich macht wie ich. Deshalb kann ich mir das nicht vorstellen. Hat mich auch nie wirklich beeinflusst, diese Stadt. Ja, vielleicht, in der Beziehung, dass da überhaupt nichts weitergeht. Wenn du dich auf einen Österreicher verlässt, bist du verlassen. Da tut keiner irgendwas. Sie haben keine Ahnung, wie das Business läuft, also bei CBS damals, da hat so ein Typ gesessen, der zu der Zeit die Macht hatte. Da sind drei Goldene im Hintergrund gestanden, Bruce Springsteen und Michael Jackson, da hat er mir gesagt, „Schau, was ich alles auf Nummer 1 gebracht habe.“ Da hab ich mir gedacht, ist der nicht ganz dicht? Michael Jackson und Bruce Springsteen bringt jeder auf 1, völlig scheißegal, wer da sitzt. Und mit solchen Leuten hast du da zu tun gehabt…

Aus Österreich ist seit Falco wenig Dauerhaftes gekommen, was ganz groß war.

Selbst Falco war ja produziert von Bolland & Bolland, die haben auch diesen Song geschrieben, soweit ich weiß, das ist dann international vermarktet worden.
(Aus der Feder des holländischen Produzenten-/Komponistenduos stammen u.a. „Rock Me Amadeus“ und „Jeanny“)
Aus Österreich, da werden wir nix finden. Gott sei Dank haben wir (GALLOWS POLE) dieses Problem nicht, weil wir weltweit ein Insidertipp sind. Von Österreich könntest du auch eh nicht leben, wenn du dir vorstellst, dass 10.000 Stück Gold ist in Österreich. Jetzt musst du dir vorstellen, wenn du einen guten Vertrag hast, kriegst du einen Euro pro CD, sind 10.000 Euro, wenn du vier Mitglieder hast in der Band, zahlst noch Steuern usw. Dann kannst du davon am Ende ein paar Mal gut essen gehen.

Ist es in Wien mittlerweile so teuer geworden? Dann muss ich mir das mal überlegen, wann ich nochmal wiederkomme.

Wenn man die Plätze kennt, ist es nicht zu arg. Aber natürlich, wenn du zum ersten Mal da bist, gehst du rein, wo es geht gerade am Weg.
Naja, Wien ist eine schöne Stadt, nur wie das immer so ist. Die Griechen, die am Strand wohnen, denen ist das auch wurscht. Und mir ist halt die Hofburg und das alles wurscht, weil sie sind halt immer da und ich seh die Sachen jeden Tag.

Jetzt sind wir soweit durch mit den Sachen, die ich mir notiert hatte. Gibt es noch was, was du gerne sagen würdest?

Da gibt’s ne Menge, aber das ist immer so bei Interviews. Ich würd es am liebsten persönlich machen. Was neue Musik betrifft, würde ich noch gerne sagen, ich weiß nicht, was die ganzen Bands wollen. Wenn ich mir das anhör, das klingt, als ob die Gitarristen und die Drummer wetteifern, wer ist der Schnellste im ganzen Land. Es ist einfach mehr Gefühl gefordert in der Musik, die sollen mit mehr Gefühl spielen!
Und was GALLOWS POLE betrifft, muss ich meinen Fans oder denen, die es noch werden wollen, sagen, dieses Ding läuft nicht beim ersten Mal. Das muss man sich mindestens zwei- oder dreimal anhören, dann aber wird man süchtig. Glaube ich.
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