In Russland hört man die Musik nicht nur


Interview mit Katalepsy
Death Metal aus Russland - Moskau
Mit ihrem zweiten Album "Autopsychosis" sorgen die Russen von KATALEPSY für reichlich Furore und frischen Wind in den Death Metal Gefilden. Für mich Grund genug, Bassist Anatoly via E-Mail ein paar Fragen zukommen zu lassen, die er schließlich bereitwillig und meiner Meinung nach wirklich lesenswert beantwortet hat. Doch am besten lest ihr selbst...

Hallo Anatoly! Erstmal Glückwunsch zu eurem tollen neuen Album! Zunächst würde ich dich bitten, KATALEPSY unseren Lesern kurz vorzustellen.


Danke, Matthias! Schön zu wissen, dass zwei Jahre unseres Lebens nicht im Reich des Vergessens untergehen! Wir haben ein Jahr lang komponiert und neue Songs vorbereitet und ein weiteres Jahr mit der Aufnahme zugebracht.
KATALEPSY ist eine Brutal Death Metal Band aus dem Herzen Russlands, aus Moskau. Wir haben uns 2003 gegründet, unser erstes Album aber erst Anfang 2007 veröffentlicht, wegen Besetzungswechseln und einigen Experimenten mit verschiedenen Spielweisen des Death Metal. Wir haben eben versucht, unseren Stil zu finden. Danach haben wir angefangen in Europa aufzutreten und zwei EPs rausgebracht. Insgesamt haben wir über 100 Shows und Festivals in 17 Ländern gezockt. Und schließlich kam unser zweiter Langspieler „Autopsychosis“ über Unique Leader Records raus, im Januar 2013.

Wie war das Feedback, in Deutschland vor allem, bis jetzt?

Wir sind sehr überrascht, denn alle Reviews sind wirklich positiv! Ich habe ungefähr fünfzig Reviews gesehen und alle gaben uns gute Bewertungen. Ich kann das gar nicht recht glauben und musste mich sogar zwicken, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte! Natürlich kamen auch viele Reviews und Interviews vom Headbanger-Land schlechthin in Europa: Deutschland. Wir schätzen euer Land wirklich sehr und mögen es, dort Konzerte zu geben – wir waren zweimal auf dem Death Feast und 2010 bei euch auf Tour. Wir werden dieses Jahr auch zurückkehren, als Teil des Extreme Fest Open Air und auf Tour mit unseren guten Freunden von PIGHEAD und CARNAL DECAY im September.

Interessant ist die Verbindung zwischen dem vermeintlichen Old School Style der USA und dem komplexeren Slam Death der heutigen Zeit. Wir würdest du euren Stil beschreiben? Welche Bands waren ein Einfluss für euch?

Wenn mich jemand nach unserem Stil fragt, habe ich immer schon nur eine Antwort: DEATH METAL. Ich weiß, dass Fans Schubladen mögen und gerne ein Label auf die Musik setzen, wie „Technical“, „Slamming“, „Brutal“, „Violent“, „Blackened“ und so weiter, aber ich will bei diesem Spielchen wirklich nicht mitmachen. Ich bin ein erwachsener Mann und seit 1993 im Metal musikalisch tätig. Damals brauchten wir nur wenige Wörter – Black, Death, Doom Metal etc. Damals haben wir verstanden, was diese Bezeichnungen bedeuten. Aus diesem Grund nenne ich unsere Vision von extremer Musik nur „Death Metal“. Wenn wir neue Songs komponieren, denken wir nicht über eine Richtlinie nach. Wir denken nicht: „Oh, lasst uns die extremsten oder technisch ausgefeiltesten Riffs der Welt schreiben!“, oder „Lasst uns klingen wie das letzte Album von CANNIBAL CARCASS oder DYING CORPSE!“ Aber ich denke, wenn du unsere Musik etwas filterst, siehst du schon, was wir über die Jahre geliebt haben: SUFFOCATION, MORBID ANGEL, DYING FETUS, DECREPIT BIRTH, DISGORGE und etliche andere Brutal Death Metal Bands auf beiden Seiten des Atlantiks.

Dein Bassspiel auf „Autopsychosis“ ist erfrischend und brutal. Was benutzt du für Equipment und wie kriegst du einen so schön warmen Sound hinein?

Oh, ich fühle mich geschmeichelt – ich werde ganz rot im Gesicht... Im Ernst, ich mag das Resultat der Aufnahme auch. Der Bass klingt sehr kraftvoll und „lebendig“. Ich habe ähnliches Equipment verwendet, wie ich es auch bei Gigs verwende – einen Warwick Corvette 5, Sansamp Bass Drive und... meine Finger. Und wir haben einige Zeit in der Post-Produktion verschleudert mit sehr unterschiedlichen Standpunkten, wie der Bass klingen soll, aber ich habe mich durchgesetzt. Ausgleichende Gerechtigkeit vielleicht, wir hatten eine ähnliche Situation bei jedem Instrument und führten sehr lange Diskussionen. Wir haben viel Zeit verloren, aber ich finde, dass es das Resultat wert ist.

Das Songwriting ist sehr ausgeglichen. Wie würdest du den Prozess beschreiben, wenn ihr an neuen Songs arbeitet?

Wir haben keine Formel, wie wir unseren fiesen Zaubertrank brauen, jedes Mal ist es eine andere Geschichte! Manchmal entstand der Song in ein paar Stunden, ein andermal wurde er zum schlimmsten Albtraum, den du einfach nicht fertig kriegst und vergessen kannst. Normalerweise schreibt einer von uns alle Teile jedes Instruments für einen Song und schickt es den anderen. Wir korrigieren und fangen dann an mit den Proben. Am Ende ein paar finale Veränderungen und der Song ist fertig. Manchmal machen wir aber auch noch Änderungen im Studio, aber nichts Fatales, nur Züge.

Ich finde Sound und Produktion hervorragend. Habt ihr mit den Produzenten/Mixern zum ersten Mal zusammengearbeitet?

All unsere Scheiben wurden von unserem ehemaligem Gitarristen und Haupt-Songwriter Sergey produziert. Er probt oder spielt nicht mehr mit KATALEPSY, aber er ist immer noch ein wichtiger Teil der Band. Aber als wir „Autopsychosis“ abgemischt haben, hat jeder von uns Hand angelegt. Ich finde das Ergebnis besser als unsere vorigen Werke. Wir machten unser eigenes Mixing und das war richtig brutal und extrem, aber wir haben viele Nuancen verloren und uns entschieden, viel Zeit in ein neues Mixing zu investieren. Wir haben zwei Monate verloren, weil unser Tontechniker sehr geschäftig war, und letztendlich ein Ergebnis erzielt, das uns allen passt. Vom Ton sind wir nicht 100% überzeugt, aber wir kennen die Richtung, in die wir gehen, und ich hoffe, das nächste Album kann euch mehr beeindrucken.

Ich frage mich immer, wieso Englisch die am meisten gebrauchte Sprache für die meisten Death Metal Lyrics ist. Habt ihr euch schon mal überlegt, auf Russisch zu schreiben und zu singen? Meistens versteht man die Texte sowieso kaum und Russisch klingt für mich wie eine stolze, aggressive und gleichzeitig poetische Sprache.

Das hat mich bis jetzt noch niemand gefragt, aber das ist eine gute Frage! Englisch ist international, man wird in jedem Land der Welt verstanden, wenn man es spricht. Alle Bands wollen nicht nur in ihrer Region, sondern in der ganzen Welt bekannt sein, also entscheiden sie sich für Englisch. Es gibt einen Haufen lokale russische Gruppen, die russisch singen und sehr bekannt hier sind, aber außerhalb Russlands kennt sie kein Schwein. Ich bin mir sicher, dass die Situation in allen nicht-englischsprachigen Ländern ähnlich ist. Und KATALEPSY ist keine Ausnahme, wir wollen im Rest der Welt gekannt werden, also entscheiden wir uns für Englisch. Wir haben einen Song auf Russisch, aber das war ein ungewöhnliches Experiment für uns - „Number Of Death“ auf „Triumph of Evilution '08“. Und du liegst nicht ganz richtig: Einige Sänger singen so, dass du jedes Wort verstehst – Frank Mullen von SUFFOCATION etwa. Und, ich hoffe, unser Sänger Igor leistet die gleiche phänomenale Arbeit auf „Autopsychosis“, haha! Igor ist die Erhörung unserer Gebete und seine tiefen Growls sind verständlich und mancherlei perfekt. Aber du liegst richtig damit, dass Russisch sicherlich eine sehr poetische Sprache ist. Doch die Menschen vergessen das heute und verwenden die Sprache in ihrer ganzen Kraft nicht. Ich mag klassische russische Literatur und Poesie nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern auch wegen ihrer Symbolkraft und Bildhaftigkeit. Vielleicht werden wir in der Zukunft mal russische Dichtung für einen Song verwenden, wenn wir entsprechende Lyrics schaffen können.

Ich höre oft von westeuropäischen oder amerikanischen Musikern, dass Konzerte in Russland intensiver als sonst wo seien, zum Beispiel, dass die Leute die Bühne ohne Hemmungen entern und es generell mehr Interaktion zwischen Band und Fans gibt beim Auftritt. Würdest du dem zustimmen?

Ja, das stimmt. Die Besucher von Metalkonzerten in Russland hören deine Musik nicht nur, sondern bieten eine großartige Unterstützung für deine Performance. Sie lieben es, Circle Pits, Stage Diving etc. zu machen – nicht nur einfaches Headbangen und die Pommesgabeln. Ich weiß nicht wieso, aber wenn ich ein Konzert besuche, „unterstütze“ ich die Bands auch, hehe! Beim letzten SUFFOCATION Gig in Moskau habe ich meinen Stiefel nach dem Stagediving verloren, aber es war eine geile Show! Bier, Freunde und guter Metal, das ist wie Ferien und die Leute feiern einfach eine Party...

Ich habe auch gehört, dass die Behörden manchmal Metalbands nicht viel Raum lassen. (Eine Band namens AUTOPSY NIGHT aus Sakhalin beschwert sich, dass sie Probleme hatten beim Spielen und Organisieren von Konzerten...) Was ist da dran?

Das mag stimmen in Regionen, die weit weg sind von Moskau, aber hier habe ich seit langer Zeit nichts Entsprechendes mehr gehört. Sakhalin ist eine unglaublich weit entfernte Region, wir waren selbst leider noch nicht da... Also sei versichert, alle Arten von Metalbands können Konzerte in Russland geben – Satanischer Black Metal und perverser Death Metal, Punk Rock und Grindcore und kranker Gore Grind. Der Eiserne Vorhang fiel vor langer Zeit, wenn du also nicht gerade eine Nazi-Band bist, stehen dir die Türen aller Clubs offen.

Seit dem Vorfall um PUSSY RIOT fragen sich einige Leute, wie weit Künstler oder Musiker mit ihrer Kritik an Religion oder Politik in Russland gehen dürfen. Hast du den Fall verfolgt und beschäftigt das einen Musiker oder schüchtert es einen sogar ein?

Das ist blanke Propaganda, traue den Massenmedien nicht. Ich sehe nicht fern und lese auch keine Nachrichten in Zeitungen oder im Internet, weil sie voller Lügen sind. Ich habe mit meinen amerikanischen Freunden gesprochen und sie haben mir Wort für Wort fast das Gleiche gesagt: Traue niemandem außer deinen eigenen Augen. Meine Augen verraten mir über die Situation von PUSSY RIOT, dass es eine PR-Aktion ist und nicht alle russischen Bürger sind darin involviert, eigentlich kümmert sich niemand darum. Der eine will ein Star werden, der andere Präsident, der nächste möchte Oberhaupt der Kirche sein. Ich verfluche sie alle, ohne Hass, aber kaltblütig. Beide Parteien.

Wie geht es der Death Metal Szene in Moskau? Ich kenne nicht viel, aber es scheint, etliche großartige Bands zu geben...

Naja, die Szene ist nicht sehr groß. Aber wir haben ein paar exzellente Bands, wie CEPHALIC IMPURITY, FETAL DECAY, OSSUARY ANEX, PERVERSE DEPENDENCE, 7HTARGET, BIG END BOLT, CREMATED LIVES – diese Kerle treten mächtig in den Arsch! Einige haben Verträge mit bekannten Underground Labels wie Comatose Music, Brutal Bands oder Sevared unterzeichnet und ziehen aus, die europäischen Bühnen einzunehmen. Man kann oft die Namen von russischen Bands auf Plakaten in Europa sehen. Wir haben auch ein paar nicht so starke Bands, aber die „Szene“ ist sehr klein. Wenn du die Moskauer Szene mit der einer europäischen oder amerikanischen Großstadt vergleichst, siehst du, was ich meine.

Habt ihr eigentlich schon ein paar Gigs im Ausland gespielt? Pläne für eine kommende Tour in Deutschland?

Ja, wir haben in Deutschland, Österreich, Belgien, Holland, Tschechien, der Schweiz und ein paar anderen Ländern gespielt. In der Band zu spielen, ist eine tolle Gelegenheit, die Welt zu sehen, oder nicht? Wir wurden für das Extreme Fest in Deutschland Ende Mai bestätigt und werden dann im September zurückkehren, um Bühnen, Bus und Bier mit unseren Freunden PIGHEAD und CARNAL DECAY zu teilen. Verpasst die Tour nicht – das wird richtig brutal!

Zum Abschluss, spielen wir noch ein kleines Entweder-Oder Spielchen:
DEATH oder ATHEIST?


DEATH, ohne zu zögern! Meine Frau Julia und ich sind große Fans von Chuck Schuldiner und seine Musik erklingt oft in unserem Haus. „Symbolic“ wurde über die Jahre zu unserem Lieblingsalbum.

Vodka oder Whiskey?

Ich bevorzuge Bier, aber wenn du mir keine andere Wahl lässt, dann lieber Whiskey.

Batman oder Iron Man?

Keiner von beiden, sorry! Ich bin überhaupt nicht im Comic-Universum zu Hause. Ich bin ein Fan von klassischer Science Fiction und Horror.

Star Wars oder Star Trek?

Star Wars x666!!! Als ich den Film 1988 zum ersten Mal sah, hat mich das von Grund auf verändert. Ich konnte tagelang nicht schlafen und habe nur über diese endlose Welt nachgedacht und diese „weit, weit entfernte Galaxis“, ich war besessen von den Helden... Du verstehst mich schon. Ich denke, jeder, der diesen Film mit sieben Jahren gesehen hat, war davon sehr beeindruckt.

Danke für das Interview! Die letzten Worte gebühren dir.

Danke auch dir – die Fragen waren sehr interessant und es war mir eine Freude, sie zu beantworten! Verkauft eure Seelen und nehmt eure sieben Sachen mit zum Extreme Fest Open Air – unterstützt den Underground, kauft CDs und Merchandise! Wir werden unser schwarzes Blut dort für euch vergießen! Und wenn euch das nicht reicht, dann sehen wir uns bei den Shows der Europsychosis Tour im September!
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