Du sprichst nicht mit dem Publikum, du brüllst es an.


Interview mit Dunderbeist
Hard Rock / Stoner Rock aus Norwegen - Oslo
Auf den ersten Blick sieht es nach Arbeitswut aus, dass DUNDERBEIST mit „Songs Of The Buried“ am 23.11. ihr zweites Album in diesem Jahr veröffentlichen - allerdings ist der Kern des Februaralbums „Black Arts & Crooked Tails“ nur international in diesem Jahr erstmals erschienen. Um das neue Album unmittelbar mit Taten zu untermauern, haben die sechs Norweger sich mit eigenem Nightliner auf den ersten Teil der FEAR FACTORY und DEVIN TOWNSEND PROJECT Tour eingeklinkt. Ein nicht ganz billiges Unterfangen, dass die Band aber laut Auskunft ihres Merchmanns gerne bereit war einzugehen, um besonders im gelobten Heavy Metal-Land Deutschland einen Fuß in die Tür zu setzen.
Im Interview mit den gut gelaunten Sängern Torgrim Torve und Åsmund Snortheim gibt vor allem Torgrim gerne Auskunft zum ganzheitlichen Ansatz der Band, der Faszination des Todes und warum die Griechen interessanter als die Wikinger sind.


Zum Anfang muss ich nach der Bedeutung des Namens fragen, weil ich sicher nicht der einzige bin, der sich wundert, ob DUNDERBEIST Donnerbiest bedeutet.

Torgrim: Nicht ganz. Es ist schwer zu erklären, aber im Norwegischen sagen wir Dundre bråk, um den gewaltigen Klang von etwas zu beschreiben. Das beschränkt sich nicht auf Donner. Am besten beschreibt man es vielleicht mit dem Geräusch, das entsteht, wenn Trolle sich gegenseitig mit Felsbrocken bewerfen. Zumindest drücken wir es gerne so aus. So klingt Dunder, aber beist bedeutet Biest, ja.

In den beiden Videos tragt ihr wie auf der Bühne Make-up. Was steckt dahinter?

Es ist eine Mischung aus Black Metal Corpsepaint und den Beagle Boys – Wie heißen die noch auf Deutsch? Wir haben es gestern gehört… Knacken? Die maskierten Kerle, die Onkel Dagobert sein ganzes Geld stehlen wollen.

Die Panzerknacker.

Genau, das ist das Wort. Das haben wir gestern gelernt.

Für mich hat es etwas von TURBONEGRO oder ALICE COOPER wegen der…

Tränen? Ja. So wie es mit allen Arten von Facepaint ist, hat es Bezüge zu allen Varianten, von KING DIAMOND über SLIPKNOT bis zu KISS zu allem und jedem. Es ist unsere Version des Theatralischen.

Dient es nur der Theatralik oder ist es auch ein Symbol dafür, dass ihr auf der Bühne andere Menschen als abseits der Bühne seid?

Definitiv! Auf der Bühne kennzeichnet es uns als eine Einheit. Es geht nicht um die Individuen, sondern um die Band. Um das, was wir gemeinsam kreieren, und nicht um Werbung für einen einzelnen oder Ähnliches. Gleich aussehen, diese Outfits tragen, der einheitliche Zugang zur DUNDERBEIST-Sphäre.

Keiner sticht hervor.

Genau, das ist die Idee. Und natürlich ist es eine gute Idee, sich besondere Kleidung anzuziehen und das Make-up aufzutragen, um die Bühnenpersönlichkeit anzunehmen. Wir sind auf der Bühne nicht dieselben Jungs wie jetzt hier.

Stürmischer Donner auf der Bühne und ansonsten ganz ruhig…

Åsmund: Nicht letzte Nacht, hahaha.
Torgrim: Du musst eine Show hinlegen. Alles, was du dem Publikum sagst, muss geschrien werden. Du sprichst nicht mit dem Publikum, du brüllst es an.

Gehört das auch zu der Ganzheitlichkeit? Im Making Of Video zum neuen Album hat einer von euch davon gesprochen, dass das neue Album ganzheitlicher ist. Ist das Auftreten auf der Bühne Teil davon?

Absolut. Es sorgt dafür, dass man ein paar engere Grenzen darum aufstellt, was das Gesamtpaket ist, und es ist definierter, wenn du etwas hast, durch das du durchsehen kannst. Mehr von unserem eigenen Sound, und das Auftreten natürlich.
(Im Original ist das ebenso rätselhaft und kaum entschlüsselbar. Ich denke, Torgrim wollte sagen, dass ein paar Grenzen, wie eben das festgelegte Outfit, der Band helfen, indem sie den Musikern etwas Halt und eine Richtung geben, es ihnen gleichzeitig aber gewisse Freiheiten lässt.)

Im Promoschreiben zum letzten Album wurdet ihr als ein massiver Dieselmotor beschrieben, dieses Mal als eine Lokomotive. Wenn ich die beiden Alben vergleiche, finde ich „Black Arts & Crooked Tails“ allerdings grimmiger und wilder. Kennst du die Promoschreiben und wie siehst du die Alben im Vergleich?

Ja, ich kenne sie, ich habe beide selbst geschrieben. Wir sind da ein bisschen Kontrollfreaks. Wir wollen alles selbst machen. Einige Monate vor dem Album gab es mal ein Promoschreiben des Labels mit einigen Bandvergleichen, zu denen wir gesagt haben: „Nein, das stimmt nicht! Ändert das!“ Wir haben es gerne selbst in der Hand, all diese Dinge zu entscheiden.
Grimmiger und wilder? Hmm… Das neue Album hat rauere Kanten und ist riffbasierter. Auf „Black Arts & Crooked Tails“ sind einige lockerere Lieder, aber es ist auch ein Album, dass sich aus Liedern zusammensetzt, die in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren entstanden sind. Das neue Album ist wesentlich kompakter, viel mehr im Einklang.

Das sehe ich genauso, gerade wenn man an “Shields Aligned“ denkt, das auf „Black Arts & Crooked Tails“ total hervorsticht. Ich hab es mit den deutschen RAGE verglichen, wegen den pompösen Elementen.

Es ist wirklich pompös, hehe. Viel pompöser geht es nicht, Schwerter, Fanfaren und… (Er macht diverse Geräusche, die das Liedgeschehen nachahmen.) Es ist cool und das letzte Lied in unserem Set, das i-Tüpfelchen unserer Liveshows und einer unserer Lieblingssongs.

Das freut mich, ich liebe das Lied!
Im Bezug zum neuen Album gab es die Formulierung von großen Ereignissen, die man erlebt und in Folge verändern sie den Blick auf andere Dinge im eigenen Leben. Das lässt sich natürlich gut mit „Songs Of The Buried“ und Liedern über den Tod respektive mit einem Bezug zum Tod in Verbindung bringen. Basiert das auf persönlicher Erfahrung?


Ja und nein. Jeder hat Erfahrung mit Verlust, ohne dass man notwendigerweise jemanden verloren hat. Es können auch Freundschaften oder Beziehungen sein, die enden. Es ist eine Metapher für das Ende von etwas, und davon handeln viele Texte auf „Songs Of The Buried“. Es ist also eine Art konzeptueller Zugang dazu. Wenn man über den Tod und den Beginn in einem so weitgefassten Feld wie wir spricht, ist das Spektrum sehr groß, über das man im gleichen Kontext reden kann. Nicht jeder Song hat mit dem Akt des Sterbens oder Trauer zu tun, sondern es geht um etwas, das endet, und die soziale Komponente: Wie man reagiert und reagieren sollte, was wird erwartet und akzeptiert. All das steckt da irgendwo drin.

Da „Black Arts & Crooked Tails“ euer erstes international veröffentlichtes Werk war, könnte man es auch als den Tod der Zeit, als man euch nur in Norwegen kannte, und den Anfang des in Europa bemerkt Werdens sehen.

So kann man es auch sehen. Jedes Kapitel hat einen Anfang und ein Ende, alles hat einen Anfang und ein Ende. Das ist der Umfang des Begriffs.

Wie ist denn eure persönliche Sicht auf den Tod? Glaubt ihr an eine Art von Leben nach dem Tod oder ist alles vorbei, wenn es vorbei ist?

Torgrim: Von Tag zu Tag anders, kommt drauf an.
Åsmund: Wir werden es herausfinden, wenn es soweit ist.
Torgrim: Das ist so faszinierend am Konzept des Todes: Es ist etwas, zu dem jeder eine Beziehung hat, weil jeder sterben wird und alles irgendwann endet, aber gleichzeitig ist es etwas, über das man unmöglich etwas wissen kann, weil die einzigen, die es erfahren, nicht weiterleben und davon erzählen können, wie der eigentliche Akt des Sterbens ist. Etwas, zu dem jeder Mensch eine Beziehung hat, aber von dem gleichzeitig niemand eine Ahnung hat, ist so ein faszinierendes Konzept! Aber war das überhaupt die Frage? Dieses Abschweifen…

Es beantwortet einen Teil der Frage. Es ist letztlich eine Haltung zum Tod, wenn du sagst, dass jeder eine Beziehung dazu hat und Bescheid wissen will, aber niemand die offenen Fragen beantworten kann.

Torgrim: Das Problem steckt auch in der ganzen Frage nach dem Sinn des Lebens. Es gibt keine eindeutige Antwort und das ist gut so, denke ich. Wir brauchen diese verborgenen Sachen, zu denen wir uns unsere eigene Meinung bilden können, basierend darauf wie wir sie gerne hätten. Das sind gute philosophische Fragen.
Åsmund: Hoffentlich wird es wie eine lange Tour.
Torgrim: Wir haben zufällig vor ein paar Wochen darüber geredet, was die beste Art wäre abzutreten und für welche Variante wir uns entscheiden würden, wenn wir entscheiden könnten. Wenn ich mich recht entsinne, haben wir uns alle auf das Valhalla Konzept geeinigt. Ein großes Schlachtfeld, jede Menge Bier und viele Frauen. Das klingt nach der besten Variante. Aber ich glaube, es ist eine Energietransformation. Wenn jemand stirbt, zieht die Energie weiter, aber nicht im Sinne einer Reinkarnation.

Der biologische Kreislauf des Lebens.

Ja.

Wenn ihr euch alle auf das Valhalla Konzept einigen konntet, finde ich es interessant, dass ausgehend von den Titeln kein Lied respektive kein Text sich mit der nordischen Mythologie beschäftigt.

Nein, dieses Mal hat sie keine große Rolle gespielt. Wir haben uns dieses Mal mehr mit der griechischen als der nordischen Mythologie beschäftigt, weil ich finde, dass sie Themen auf interessantere metaphorische Weise behandeln als die Wikinger. Wir haben aber auch schon über die nordische Mythologie geschrieben.

Das einzige, bei dem ich mir vorstellen konnte, dass es eine Verbindung mit der nordischen Mythologie hat, ist „Father Serpent“, weil ich dachte, dass es vielleicht um die Midgardschlange geht.

Die Schlange ist auch ein Symbol der Heilung und des Heilens von Körper und Geist. Es ist nicht so okkult oder satanisch, wie man vielleicht denkt. Ich liebe diese Ambivalenz. Du hast „Father Serpent“ als das große Biest gelesen, aber es geht mehr um die Heilungsseite.

Soweit ich weiß hatten Schlangen vor der Christianisierung Europas ein sehr positives Image und erst die Christen haben es ins Negative verkehrt.

Und jedes Krankenhaus und jeder Arzt und jedermann, der etwas mit Heilen zu tun hat, trägt als Zeichen das Kreuz mit der Schlange. Es ist ein Symbol des Heilungsprozesses.

Der letzte Song auf dem Album heißt „Mongrel“ (Bastard, Mischling, Promenadenmischung). Ist das auch ein Wort, das ihr als Beschreibung für eure Musik akzeptieren würdet? Ein Mischling aus diesem und jenem.

Ja, schon. Ein „Mongrel“ ist ein Bastard und DUNDERBEIST sind ein Bastard. (Die beiden schmunzeln) Wir vermischen eine Menge Sachen, wir hören auch sehr viele verschiedene Dinge. Wir spielen gerne Musik, die uns herausfordert, und probieren gerne Neues aus, auch indem wir in unsere Art zu arbeiten etwas Neues einbringen. Wir mögen es, Dinge zusammenzuführen, die normalerweise nicht zueinander passen.

Du hast eben von Bandvergleichen des Labels gesprochen, die ihr abgelehnt habt. Welche Bands würdet ihr denn nennen, die den Sound von DUNDERBEIST beeinflusst haben?

Das Aufzählen der Bands, die uns beeinflusst haben, ist ganz einfach, kein Problem. Uns zu vergleichen ist deutlich schwieriger. Einflussreich waren FAITH NO MORE, MASTODON besonders für dieses Album, AT THE GATES, ENTOMBED, RAMMSTEIN.

Das sind mehr aktuelle Bands, als ich erwartet hätte. Ich habe damit gerechnet, dass du auch ein paar Bands aus den 70ern nennst.

LED ZEPPELIN mehr als alle anderen 70er Bands. Aber eigentlich eher die Jungs, die auf dem Erbe von LED ZEPPELIN aufgebaut haben, wie CLUTCH, vielleicht THE SWORD oder bis zu einem gewissen Grad BARONESS. Von den älteren Bands selbst eigentlich nicht so viele. Natürlich hören wir einige, sie sind für uns aber nicht so präsent.

Also gibt es im Bus keine „Viva Las Vegas“ Karaoke.

Haha, nein, nicht wirklich. Eher schwedische Hits. (Beide lachen los.)

„Super Trouper“?

Nein, in Schweden gibt es etwas namens Danseband, wie Tanzband, das sind ältere Herren, die Musik etwa so spielen, mit einer Trompete und einem Saxofon.
(Es folgt eine sehr erheiternde „Vorführung“ der beiden mit viel Düdüdü und Tüdelü, aus der man ableiten kann, dass die Musik in der volkstümlichen bis Schlagerecke beheimatet ist.)

Dann kommen wir zum Ende: Wo hofft ihr, mit der Band in fünf Jahren zu sein?

Fünf Alben weiter und hoffentlich auf einer Tour wie dieser, nur dass wir Gäste dabei haben statt welche zu sein. Aber eigentlich… Wenn wir als Band dann noch zusammen sind, dabei immer noch so gute Freunde sind wie heute und weiterhin das tun können, was wir lieben, wäre das das Wichtigste. Dazu in der Lage sein und Spaß haben während dem ganzen Kreieren und Aufführen.

Und immer noch Ideen haben.

Ich glaube nicht, dass das ein Problem wird. Wir machen schon seit so vielen Jahren zusammen Musik, da denke ich nicht, dass das etwas ist, das einfach verloren geht. In der Lage zu sein, mehr davon zu machen und besser zu werden.

Da du eben FAITH NO MORE genannt hast: Mike Patton hat kürzlich gesagt, dass sie aktuell keine Pläne irgendwelcher Art haben, weder für Auftritte noch für neue Aufnahmen, weil die Band glaubt, es macht keinen Sinn, 15 Jahre nach dem letzten Album ein neues Album aufzunehmen, dass den alten Faden eventuell aufnehmen würde, weil das damalige längst überholt ist.

Das kann ich verstehen. Sie sollten sich dann vielleicht einfach umbenennen. In 15 Jahren passiert so viel und sie würden sich vermutlich jetzt ganz anders anhören als wenn sie damals ein neues Album gemacht hätten. Wir werden in fünf Jahren sehr wahrscheinlich einfach immer noch das weitermachen, was wir jetzt machen. „Only bigger, better and badder.“

Und mit längeren Haaren und längeren Bärten.

Definitiv mit längeren Bärten! Ich lasse wachsen.
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