Die Lieder sind schon da


Interview mit In Solitude
Hard Rock aus Schweden - Uppsala
Ob sie Musik machen, um Freunden oberflächlichen Geplänkels die Leviten zu lesen, oder, andersrum interpretiert, Anhängern ernsthafter Tradition neuen Antrieb zu verleihen, ist letztlich nebensächlich. Denn so oder so strahlen IN SOLITUDE großen Ernst und archaische, sakral angehauchte Düsternis aus, wo immer sie sich manifestieren. Beim aktuellen Album „The World. The Flesh. The Devil“ ist das selbstverständlich keinen Deut anders und Sänger Hornper beweist auch in seinen Interviewantworten einen Hang zu großen Worten, die von einem besonderen Verhältnis zur Musik zeugen - und wohl auch einer gewissen Neigung zu kryptischen Äußerungen, zumindest aus der Sicht von Normalsterblichen.

Vier Wochen sind seit der Veröffentlichung von „The World. The Flesh. The Devil“ vergangen. Hat sich deine Sicht auf das Album in der Zeit verändert, nachdem ihr einige Lieder live gespielt habt, Interviews zum Album gegeben habt und eine Menge sehr gute bis euphorische Reviews bekommen habt?

Ich komme den Liedern immer näher. Mit jeder Sekunde wächst das Verständnis, entsteht tieferer Stolz und Ehrfurcht vor dem, was sie zu uns gebracht hat. Woher sie kommen. Wovon sie überhaupt handeln. In dem verborgenen dunklen Raum wartet er mit einem verschlagenen Lächeln. Ich frage mich, wie viele Kinder diese Nacht bereits verschlungen hat. Die Lieder bedeuten uns so viel. Wie sie zu Schlüsseln und Waffen wachsen… Wie ein sich entsinnen oder ausdehnen. Unser Verständnis wächst, nicht die Lieder. Die Lieder sind schon da.

Weil sie alle im Mai erschienen sind, habe ich das Album mit PORTRAIT und HELL verglichen und geschrieben: Während PORTRAIT mit einer Fackel durchs mondbeschienene Moor ziehen und HELL lachend mit einem ganzen Satz Fackeln jonglieren, sind IN SOLITUDE die peitschenbewehrten Antreiber und Hammerschwinger in den allein durch glühende Lava unstet erleuchteten Schmieden der Unterwelt. Das sollte den Ernst und die Intensität der Atmosphäre des Albums ausdrücken. Wie wichtig ist die Atmosphäre oder vielleicht sogar Aura für eure Musik?

Die Atmosphäre ist alles. Unsere Musik wird von Atmosphäre und Gefühlen angetrieben. Das sind für uns die wichtigsten Schlüssel in unserer Musik. Es ist der einzige Weg, wie wir so nah ran kommen können und unsere Vorstellungen umsetzen können. Das ist ein sehr interessantes Thema. Wie zum Beispiel eine Platte wie „Under A Funeral Moon“ von DARKTHRONE mich an den selben Ort führen kann wie „Mellanväsen“ von BO HANSSON (ein kürzlich verstorbener schwedischer Komponist), ohne in irgendeiner Form ähnlich zu klingen… Für mich kommen „sie“ aus dem gleichen „Ort“. Atmosphäre, Essenz und Emotion sind die Schlüssel.

Im Hinblick darauf, dass es bei IN SOLITUDE nicht um das Vorführen technischer Fähigkeiten geht, sondern darum bedeutungsschwangere Riffs zu ihrer vollen Größe und Erhabenheit wachsen zu lassen: Wie oft müsst ihr ein Lied, ein Riff oder eine Idee während dem Songwriting verwerfen, weil sie nicht episch oder majestätisch genug sind?

Wie schon gesagt, Atmosphäre, Essenz und Emotion sind federführend. Wenn ein bestimmter Teil eines Liedes richtig und an seinem Platz ist, wird das Lied selbst es anzeigen. Natürlich können wir fünf es in Frage stellen und bis ins Kleinste analysieren, aber schließlich werden wir verstehen, warum es zu uns kam und Form annahm. Und es muss nicht alles „episch“ oder „majestätisch“ sein, um in unseren Liedern zu funktionieren. Wie auch immer, es ist für mich sehr schwierig, etwas zu analysieren oder zu erklären, das innerhalb des kreativen Prozesses liegt, ohne zu kryptisch zu werden, also belasse ich es dabei. Es ist ein sehr seltsamer Prozess für uns.

Kommen wir zum Albumtitel. Was ist die Rolle oder Bedeutung „der Welt“?

Wach schlafen. Wach unter den Schlafenden zu sein. An den Grenzfeuern herumzuschleichen. Schutz zu suchen im Feuer. Schutz zu suchen im Sterben. Die Waffen der Zeit wie entführte Kinder zu binden. Wir sind Feinde dieser Erde, dieses Bodens. Es sind die Knochen und Wurzeln, die von unseren verborgenen Waffen flüstern. Es ist ihr Platz um uns herum, den wir verbrennen werden, ihre Mauern, die wir niederreißen werden, ihre Ketten, die wir sprengen werden, und ihre Grenzen, die wir überschreiten werden.

“Des Fleisches“?

Der Lehm, der sich um die Beine des Wanderers versteift. Die Stricke, die das hungrige Tier binden. Die erstarrende Struktur und die nach innen wachsenden Mauern. Der Tempel des Schmutz, den wir tief und innig lieben, mit den zerbrochenen Scherben Gottes.

Und „des Teufels“?

Das, was die Schlafenden aufweckt. Unter den Schlafenden aufwacht. Den Wanderer aufweckt. Wandern, um aufzuwachen. Das hungrige Tier erweckt. Den steifen Ton verbrennt und zerbricht. Die Ketten sprengt, die Stricke löst und mich das hier und jedes Wort auf dem Album schreiben lässt. Den Hunger nach Wiederkehr in mir weckt. Warum ich gehen sollte. Für den, in dessen Fußstapfen Galaxien zu Asche werden.

In eurer Bandbiographie unter anderem auf Facebook steht am Ende „Follow The Owl!“ (Folgt der Eule!). In der Mythologie ist die Eule ein vieldeutiges Symbol, sie ist zum Beispiel der Vogel der Hexe, der Vogel der schlechten Vorzeichen aber auch der Vogel der Weisheit. Wofür steht die IN SOLITUDE Eule?

Für mich persönlich war die Eule ein sehr wichtiger Führer und Schlüssel in meinem spirituellen Leben und magischen Tun und sie hat eine große Bedeutung für die Texte dieses Albums. Jeder hat seine eigenen Gründen für die Verwendung dieses Symbols.

Wenn ihr live spielt, versucht ihr oft, die Atmosphäre der Musik mit visuellen Elementen wie zum Beispiel eurer Kleidung zu verstärken. Ist es dann nicht ziemlich nervig, wenn ihr auf einem Festival am Nachmittag und somit womöglich bei bestem Sonnenschein spielen müsst?

Was wir tragen, hat persönliche Gründe. Nichts davon ist vorher diskutiert oder geplant. Jeder trägt, was für seine Performance und seinen Weg, den richtigen Platz und (Un-)Geisteszustand notwendig ist. Darum sehen wir aus wie wir aussehen, das hat sich mit der Zeit ganz natürlich entwickelt. Selbstverständlich ist der visuelle Aspekt sehr wichtig und wird mit der Zeit immer wichtiger.
Ja, ich bevorzuge es, nicht so früh am Tag zu spielen. Aber ich habe damit auch keine Probleme. Die Lieder sind da und haben ihren Effekt auf uns, ob Nacht oder Tag, selbst wenn ich es bevorzuge, bei Nacht zu spielen.

Hast du eine Idee, warum schwedischer Metal in so vielen Genres auf dem Vormarsch ist? Ich meine, wenn irgendwelche Schweden irgendwann noch beschließen, Thrash Metal zu spielen, werden sie das Genre wahrscheinlich auch noch erobern…

Ich weiß es nicht. Diese Frage ist mir schon oft gestellt worden und ich denke nicht, dass ich mehr darüber weiß als jeder sonst. Aber offensichtlich gibt es einige Bands aus diesem Land, die zur Zeit sehr wichtig sind. Es ist ein gutes Umfeld, um sich auf sein Inneres zu besinnen, denke ich, und wenn nicht dorthin, dann in die tiefen Wälder.

Schließlich eine Frage zu dem Auftritt auf dem Rock Hard Festival: Warum habt ihr „Serpents Are Rising“ nicht gespielt?

Wir haben uns dazu entschieden, „Serpents Are Rising“ an diesem Tag nicht zu spielen. Der Grund dafür ist, dass speziell dieser Song viel mehr Aufmerksamkeit und Übung verlangt, bevor wir ihn in der Form spielen können, wie es live angemessen ist. Wir werden ihn aber sicherlich irgendwann zukünftig spielen.

Am Schluss überlasse ich dir in alter Bloodchamber-Tradition die letzten Worte:

Our roots reaching deeper. Like daggers into flesh. Our wounds sing of freedom. Bleeding with each breath.
These eyes are not blind. We drink the insane flow. My naked heart forgives me…
(Die zweite Strophe von “Demons” vom aktuellen Album.)

(Bild 2 von links nach rechts: Uno, Niklas, Hornper, Gottfrid, Niklas)
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