Wave-Gotik-Treffen 2000

Wave-Gotik-Treffen 2000

AgathodaimonDew-ScentedDisbeliefEvereveFlowing TearsGravewormMystic CircleOld Man's ChildSuidakraThirdmoon
Leipzig
09.06.2000
Kurzes Vorwort: Da mich eigentlich nur die Metalbands interessieren, war ich auch nur auf den Konzerten des "Black Whitsun", und da auch nur zu den Bands, die mich interessieren.

Freitag:
Mann, hab ich erstmal tief durchgeatmet, als ich die Monsterschlange am Bändchenverkauf gesehen habe. Kurz zuvor hörte ich, dass sich so um die 30000 dunkle Gestalten hier rumtreiben sollten, und es schien mir so, als wären die alle nach nem Bändchen her. Hier hatte die Organisation ziemlich geschlampt. Schon die Strassenbahn war so voll, dass ich es gar nicht glauben konnte, dass sie sich überhaupt einen Zentimeter fortbewegen konnte, nein, jetzt drängelten sich auch noch Tausende von Leuten um zwei klitzekleine Buden, um eines der begehrten Bänder zu bekommen. Naja, ums kurz zu machen, nach ca. 10 Minuten und etwas Durchsetzungsvermögen hatte ich meins ;-)
Als ich dann das leicht unübersichtliche Gelände betrat und immer der lauten Musik folgte, stand ich auf einmal direkt vorm Backstagebereich-tolle Security...Da war aber nix weiter los, also ab ins Zelt. Dort kam ich grade zum Abschlusssong von SUIDAKRA, kann also nix weiter zu denen sagen. Zum Glück hatte sich die Startzeit der Bands etwas nach hinten verschoben, ich dachte schon, ich hätte MEPHISTOPHELES verpasst, aber ich kam grade rechtzeitig. Also erstmal ein Bier geschnappt und auf in die (noch sehr kleine) Menge. Die Band bot den erwarteten Blackmetal mit Keyboardunterstützung, der meist ziemlich schnell daherkam. Da ich die Songs (es waren auch zwei brandneue dabei) aber nicht kannte, hielt sich die Begeisterung noch in Grenzen, aber es war trotzdem ein guter Auftritt.
Kurze Zeit später wurde ich echt überrascht. PENUMBRA, eine mir total unbekannte Band zog erstmals die Aufmerksamkeit vieler Zeltbesucher auf sich (vielleicht lags auch daran, dass auch mal ne Frau auf der Bühne stand). Auf jeden Fall konnte ihre Mischung aus Gothic- und Blackmetal, unterstützt durch weibliche Vocals und so nem Blasinstrument - achja, Oboe nennt man das - mich vollends begeistern. Obwohl alle Songs für mich neu waren (auch sie spielten zwei unveröffentlichte Songs), gingen sie sofort ins Blut über, denn der Rhythmus der meist langsamer gestalteten Lieder war leicht zu erkennen und der Kopf begann automatisch mitzuwippen. Ein bissel Pyrotechnik noch dazu, und der Auftritt war perfekt. So perfekt, dass ich mir gleich darauf in der Pause deren CD "Emanate" holen musste...
Wie konnte das noch getoppt werden? Natürlich von GRAVEWORM, derentwegen ich eigentlich hauptsächlich hergekommen war. Mittlerweile war das Zelt auch gut gefüllt und es war schon schwer, einen guten Platz zu bekommen. Unter einem bombastischen Soundteppich betraten sie die Bühne, und genauso bombastisch ging es auch weiter: Als sie einige ihrer genialsten Black/Gothic-Songs (in voller Länge) zum Besten gaben, war ich total hin und weg. Was Sänger Stefan Fiori aus seiner Stimme rausholt, ist echt nicht zu fassen. Der brüllt und kreischt ohne Ende und es treten keinerlei Ermüdungserscheinungen auf. Dazu hat er noch ein unglaubliches Talent zum Aufheizen der Menge. Selten hab ich erlebt, dass ein Publikum so aus sich raus geht. Selten habe ich mich selbst so verausgabt, aber da kann man gar nicht anders, als mitzumachen. Da eigentlich alle Lieder absolute Ohrwürmer sind und mit den Studioaufnahmen vom Klang her relativ identisch waren, war einfach alles perfekt. Kurzzeitig wurde meine Stimmung zwar etwas getrübt, als er verkündete, man würde den letzten Song für heute Abend spielen. Es kam mir gerade mal vor, wie ein paar Minuten, aber als Stefan dann darauf noch 2-mal das letzte Lied ankündigte, war alles wieder gut. Zu guter letzt gab es noch 3(!) Zugaben, wobei die Songs nicht gerade kurz waren, und GRAVEWORM+Publikum gaben einfach alles. Ich hätte wohl noch ewig so weitermachen können und die Band sicherlich auch, aber andere wollten auch noch ran, und wir hatten schon ne halbe Stunde überzogen...
MYSTIC CIRCLE hätt ich zwar auch gern noch gesehn, aber erstens war ich nur noch ein halbtotes, sabberndes Etwas und zweitens musste ich meine (wie immer hemmungslos überfüllte) Strassenbahn noch erwischen.

Sonnabend:
Scheiss Gelände, schon wieder verlaufen...
Mal wieder zu spät, konnte ich erneut feststellen, dass sich hier niemand an die Playlist gehalten hat. Da kam ich also doch noch rechtzeitig zu Beginn des "Black Saturday".
Angefangen hat eine Band, die ich leider nicht identifizieren konnte. War auch nix weiter besonderes, sie versuchten irgendwie eine Mischung aus Hardrock und Blackmetal hinzukriegen, wobei sie sich aber nie für eins richtig entscheiden konnten, so das alles irgendwie unausgegoren klang. Lustig war nur der Bassist, der mangels langer Haare eine schlauchartige Mütze aufhatte, mit der er dann hemmungslos herumbangte.
Danach kam erstmal ein kleiner Schock: SCHEITAN betraten die Bühne und der Sänger wirkte absolut nicht wie ein Shouter einer rockigen Metalband. Kurzhaarig, verkümmert und bebrillt wirkte er eher wie ein Medizinstudent, der den ganzen Tag über seinen Büchern hockt, ne "Birne" also. Allerdings war es echt unglaublich, was der Typ aus seinem Körperchen rausbrüllte. Nach seinen Aussagen war dies zwar das erste Mal, dass sie live spielten, aber dafür kamen sie ziemlich gut beim grosszügigen Publikum an. Es schlichen sich zwar der eine oder andere Fehler ein und auch die Stimme blieb ein paarmal weg, aber dafür erzählten sie noch einige lustige Sachen zwischen den Songs, so dass sie einfach sympathisch rüberkamen. Ich schätze mal, nicht viele Besucher kannten SCHEITAN, dafür ging die Menge aber ganzschön ab, und das alles um halb 6! Lag wahrscheinlich an den geilen Songs.
Weiter gings mit AGATHODAIMON, die eigentlich so richtig zum Zurücklehnen und Geniessen waren. Zwar bemühte sich die Band, besonders böse zu gucken, aber durch ihre eher langsameren Songs brachte das nicht gerade die vielleicht erwünschte Wirkung. Aber doch ein Auftritt, den man mal gesehen haben sollte. Erstaunlich war noch die "normale" Sprechstimme des Sängers, die im absoluten Gegensatz zur "Sing"Stimme stand.
Danach sollten eigentlich OLD MAN'S CHILD spielen, aber nach über einer Stunde Wartezeit erfuhr ich, dass sie wahrscheinlich abgesagt hatten. Schade.
Dann tingelte ich noch ins Zelt rüber, wo gerade THIRD MOON ihre letzten Songs trällerten. Dabei machten sie dem "Melodic Death"-Zelt alle Ehre. Melodische, aber harte Stücke konnten mich begeistern. Auf jeden Fall werde ich mir die Österreicher mal vormerken.
Das wars dann eigentlich schon für heute, es spielte eigentlich keine für mich interessante Band mehr, so dass ich erstmal wieder abgehauen bin.

Sonntag:
Tja, hier kam dann der Schock: Veranstalter pleite oder mit Geld geflüchtet, was auch immer, auf jeden Fall schien es, als wenn das Treffen vorzeitig vorbei war. Alle Leute, die bezahlt werden mussten, hatten sich schon verabschiedet. Security, Ambulanz usw gabs nicht mehr und der Müll stapelte sich an allen Ecken und Enden. Aber nachdem ich mich am "Hammer"-Stand informierte, erfuhr ich, dass einige Bands trotzdem ohne Gage spielen würden, und dass man schnell eine neue Playorder zusammengestellt hatte. Der Sonntag schien gerettet.
Also schnell ins Zelt, ein Bier geschnappt und noch irgendeine Band mit weiblicher Sängerin beim weggehen beobachtet. Achso, das waren FLOWING TEARS...
In der Wartezeit zur nächsten Band vergnügten sich ein paar Besucher in der riesengrossen Pfütze in der Mitte des Zeltes und veranstalteten einen spontanen Schlammcatchwettbewerb, der auf johlende Begeisterung stiess, wie man sich denken kann.
Als DISBELIEF dann kamen, geschah irgendwie was sehr eigenartiges: Bei ihnen und den nachfolgenden Bands flippte die Masse vollkommen aus. Man hatte das Gefühl, als wollten sie den Abend nochmal richtig geniessen und ihren ganzen Frust aus den Gehirnen schütteln. Wahnsinn. Obwohl ich mit den CDs der Band beim kurzen Reinhören bisher nicht so viel anfangen konnte, hat mir der Auftritt doch sehr gut gefallen, so dass ein zweiter Reinhörer wohl nicht schaden könnte.
Danach kamen DEW-SCENTED dran, die noch eine Spur härteren Todesmetall (inklusive Slayer-Coversong) an die dankbare Masse versprühte, die sich mittlerweile nicht mehr um den Schlamm kümmerten.
Bei EVEREVE, die eigentlich erst Montag auftreten sollten, wurde es nochmal richtig eng, scheinbar jeder versuchte, ich dei ersten Reihen zu gelangen, so dass man sich ganz schön durchboxen musste. Die Songs waren einfach göttlich, perfekt zum Mitgrölen und Mitbangen. Ich gab mein letztes und die Band und das Publikum ebenfalls.
Sehr erfreut war ich auch darüber, dass CRACK UP auch auftraten, da ich wahrscheinlich nicht wieder so schnell in den Genuss eines ihrer Konzerte kommen würde. Also hab ich mich bis in die allererste Reihe vorgeschoben und hätte mich über den Typen neben mir aufregen können, der die ganze Zeit nur still dastand und anderen Leuten den Platz weggenommen hat. Der folgende Auftritt war echt mehr als ich erwartet hatte: CRACK UP versprühen einfach eine Energie wie keine zweite Band. Ihre Songs bohren sich durch dein Ohr ins Gehirn und geben von dort direkte Befehle an die Nackenmuskeln weiter. Ein Ohrwurm jagte den nächsten und ich schrie mir fast die Lunge aus dem Hals.
Hier fiel mir auf, dass eigentlich nur noch deutsche Bands auftraten. Wahrscheinlich sind es die, denen am meisten an seinen einheimischen Fans liegt..

Montag:
Tja, hier war nich mehr viel. Ich tingelte nochmal kurz übers Gelände und stellte fest, dass sich ein Grossteil der Leute schon verzogen hatten, dafür war deren Müll aber geblieben. Selbst fast alle Fressbuden und sonstige Verkäufer waren abgehaun und das ganze wirkte wie nach einem Krieg, auf den plötzlich keiner mehr Lust gehabt hat und nach Hause gegangen ist...

FAZIT:
Ich muss sagen, trotz abgeblasenen Konzerten hatte ich meinen Spass und der Eintritt hat sich gelohnt. Die für mich wichtigen Bands hab ich gesehen und die ganze Stimmung und Atmosphäre war echt einzigartig. Man hätte zwar noch einen draufsetzen können, wenn organisatorisch alles geklappt hätte, aber jammern nützt da jetzt auch nix mehr.
An dieser Stelle nochmal eine fette Verbeugung vor den Bands und dem Personal, die am Sonntag wohlwissend ohne Gage gespielt haben und das Festival gerettet haben. Ich und die meisten anderen Fans sicherlich auch rechnen ihnen das sehr hoch an, denn es zeigt, dass ihnen die Fans und die Musik wichtiger sind als die ganze Kommerzkacke...
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