Hypocrisy Exodus Naglfar Wintersun & Fear My Thoughts

Hypocrisy, Exodus, Naglfar, Wintersun & Fear My Thoughts

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Leipzig, Hellraiser
09.12.2005
Man könnte es schon fast als regelmäßig bezeichnen, dass sich in letzter Zeit jedes Jahr kurz vor dem Lieblings-Feiertag des Einzelhandels eine Handvoll Bands aus dem Extrem-Sektor zusammenfindet, um den geneigten Fans eine Schlachteplatte der besonderen Art aufzutischen. Dieses Jahr sollte uns mit HYPOCRISY, EXODUS, NAGLFAR, WINTERSUN und FEAR MY THOUGHTS ein besonders abwechslungsreiches Menü in 5 Gängen bevorstehen, allerdings hatte man nicht mit der Widerspenstigkeit des Restaurant-Besitzers gerechnet, welcher einigen Besuchern sprichwörtlich in die Vorsuppe gepinkelt hat.

Keine Ahnung, was sich der Hellraiser dabei gedacht hat, aber was zum Teufel war da eigentlich los? Es fing schon damit an, dass weder auf der Homepage noch sonst wo eine Preisangabe bezüglich der Eintrittskarte zu finden war. Die Gerüchte reichten dabei von 20 bis weit über 30 Euro und letzten Endes stellte sich 27 als die magische Zahl heraus. Des weiteren schwankte auch der Einlasstermin munter zwischen 18:00 Uhr und 18:30 umher. In der Praxis bedeutete dies die logische Mitte, also kurz vor 19:00 Uhr. An sich gar nicht mal so schlimm, die sich im Laufe der Zeit angesammelte Traube vor dem Club hielt sich so lange einfach mit warmen Gedanken, mitgebrachten Kleidungsstücken und Gruppenkuscheln warm. Als dann endlich die begehrte Tür zur Kasse geöffnet wurde, war die Freude groß, währte aber gerade mal fünf Minuten, da Punkt 7 auch die erste Band zu spielen begann. War an sich auch nicht weiter tragisch, da hatte man wenigstens ein paar muntere Bässe zum Lauschen, während man darauf wartete, den schleppend vorangehenden Kaufprozess endlich hinter sich zu haben. Der Autor dieser Zeilen hatte immerhin eine halbe Stunde Wartezeit, so dass er pünktlich zum Abbau von FEAR MY THOUGHTS den spärlich gefüllten Raum betreten konnte. Andere Besucher schafften es immerhin pünktlich zur dritten Band und ganz arme Schweine erlebten gerade mal noch die letzten beiden NAGLFAR-Songs. Wohlgemerkt waren alle davon pünktlich da gewesen und durften den vollen Kaufpreis bezahlen. An dieser Stelle ein großes F und ein großes U an die Organisation!
Leidtragende waren neben den Fans natürlich auch die Bands selbst, die natürlich nicht das Geringste für dieses Chaos konnten. Gerade FEAR MY THOUGHTS, welche sich vor einigen Wochen mit ihrem begeisternden Auftritt in der Moritzbastei bereits eine Fangemeinde in Leipzig erspielt haben dürften, mussten nun ihr Set vor ein paar Hanseln runterspielen und wussten vielleicht nicht einmal, dass draußen noch eine ganze Horde potentieller Fans in der Kälte bibberte.

Etwas besser sah die Situation schon bei WINTERSUN aus. Die Finnen spielten munter die Songs ihres Debütalbums herunter, ohne aber großartige Akzente setzen zu können. Stets im Fahrwasser von Ensiferum, Children Of Bodom und anderen finnischen Größen, dafür aber mit einem engagierten Management ausgestattet zeigte sich nämlich live die Unerfahrenheit der noch recht jungen Truppe. Obwohl durchaus ihr Handwerk beherrschend, verliefen sich die Gitarristen des öfteren im eigenen Ego-Irrgarten, der Gesang zeigte mit vielen Aahs und Oohs weitere songwriterische Schwächen auf und generell ließ der Gesamtsound von Lautstärke und Differenzierung doch arg zu wünschen übrig. Einzig der Mann an den Trommeln vermochte, das Geschehen etwas aufzulockern, in dem er die ganze Zeit ein Grinsen an den Tag legte, als wär ihm beim letzten Witzeabend das Gesicht eingefroren. Dennoch war die Menge nicht uninteressiert und begleitete das Geschehen mit dazugehörigen Körperbewegungen. Eines soll der Band aber noch mit auf den Weg gegeben werden: Leute, es ist irgendwie blöd, seine eigenen Shirts zu tragen!

Nachdem sich bei NAGLFAR mittlerweile der Raum ausreichend mit dunkel gekleideten Körpern gefüllt hatte und aufgrund des zuvorigen nicht unerheblichen Alkoholgenusses stieg natürlich auch die Stimmung im Saal. Mit „A Swarm Of Plagues“ und dazugehörigem Intro, „Spoken Words Of Venom“ und „The Perpetual Horrors” vom aktuellen Album sowie weiterem hervorragenden Songmaterial des Backkatalogs in der Hinterhand war es für die Schweden ein leichtes, das Publikum zu fesseln und zu animieren. Ihre riffbetonten Songs mit schwarzmetallischem Anstrich, welche mittlerweile auch den dazugehörigen Sound bekommen hatten, eigneten sich einfach hervorragend für ein gepflegtes Abschädeln. Auch die Tatsache, dass der mittlerweile zum Frontmann aufgestiegene Kristoffer mit der Ausstrahlung einer böse blickenden Kartoffel keineswegs das Charisma seines Vorgängers erreicht, konnte dem Gebotenen nicht die Würze nehmen.

EXODUS wollte im Vorfeld irgendwie kaum jemand sehen. Das Publikum, welches fast durchgehend nicht das erforderliche Alter besaß, um den Kultstatus dieser Band anzuerkennen, strafte somit die Bay Area-Truppe mit gepflegter Ignoranz. Da die meisten aber gerade eh nichts anderes vor hatten und der Alkoholpegel mittlerweile auf einem Level angekommen war, der für Old School Thrash gerade richtig kam, haben sich aber selbst die größten Ignoranten beim munteren Mitwippen oder Kopfnicken erwischt. Andere wiederum vertrieben sich die Zeit damit, den bärtigen Sänger mit allerlei bekannten Filmfiguren zu vergleichen, wobei „Gimli ohne Helm“ noch den meisten Zuspruch fand.
Über HYPOCRISY noch viele Worte zu verlieren, wäre so überflüssig wie ein IQ-Test bei Daniel Küblböck. Stets als Garant für einen ausgelassenen musikalischen Abend bekannt brachten die Schweden ein weiteres Mal die Halle zum Kochen. Dennoch muss man sich anschließend auch eingestehen, dass vor allem die aktuellen Songs vom „Virus“-Album eher weniger ins ansonsten ausgewogene Set passen wollten, welches auch dieses Mal nicht vor ganz alten Sachen zurückschreckte. Schön, dass eine Band sich auch ein wenig nach den Wünschen der Fans richtet und als Headliner als einziges die Freiheit hatte, ganze drei Zugaben zu spielen. [Falls sich jemand wundert, weshalb besonders dieser letzte Absatz etwas spärlich ausgefallen ist, der schicke seine Beschwerdebriefe bitte an die Ur-Krostitzer-Brauerei]
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