Demon Hunter Deadlock & Nightrage

Demon Hunter, Deadlock & Nightrage

DeadlockDemon HunterNightrage
Bochum, Matrix
03.05.2012
In der Mitte der einwöchigen Europatour macht der vier Bands starke Tross an diesem Donnerstag in Bochum halt. Obwohl mit DEMON HUNTER und NIGHTRAGE gleich zwei Bands dabei sind, die nur sehr unregelmäßig in Deutschland zu sehen sind, haben sich nicht mehr als etwa 100 Leute im jenem Bereich der Matrix eingefunden, in dem bei größeren Konzerten vorwiegend Merch verkauft wird. Nun ja, man kann halt niemanden zu seinem Glück nötigen. Ebenso wenig ist es mir gelungen, ohne desaströses Verfahren in Bochum zur Matrix zu gelangen, so dass INSENSE heute mit ihrem Radau genau fertig sind, als ich eintreffe.

Was soll’s, NIGHTRAGE sind ja auch noch da und heute Abend deutlich krachiger, als man das von Platte gewohnt ist. Das hat aber weniger mit der Band als mit dem zu dieser Zeit noch vorhandenen Tonmannnotstand zu tun, so dass vor allem die Gitarren mächtig zu tun haben, sich in einem Meer aus Geräuschen durchzusetzen. Gänzlich unbeeindruckt davon ist Bandleader Marios Iliopoulos, der von Anfang bis Ende wie ein Honigkuchenpferd grinst, egal ob er gerade Gitarre spielt, das Publikum grüßt oder trinkt. Dem heutigen Sound und wohl auch dem Tenor des multinationalen Melodic Deaths angemessener berserkt Antony Hämäläinen am Mikro ein wenig vor sich hin, durch den unausgewogenen Klang bleiben allerdings überwiegend die wenigen melodischeren Passagen im Gedächtnis. Während alle anderen in der Band den Abend sehr zu genießen scheinen, gibt sich der zweite Gitarrist doch sehr zurückhaltend, was erst dann nicht mehr so verwunderlich ist, nachdem man in Erfahrung gebracht hat, um wen es sich bei der Tourvertretung von Olof Mörck handelt: Den jungen Amerikaner CJ Cussell, der seit letztem Jahr Teil von WHITE WIZZARD ist. Schade auch, dass die bunte Setlist, die bis zum Debüt „Sweet Vengeance“ zurückreicht, nicht ganz so viel Aufregung erzeugen kann, wie sie es verdient hätte. NIGHTRAGE freuen sich dennoch und verabschieden die engagiertesten Fans in der ersten Reihe per Handschlag.

Pünktlich zu DEADLOCK ist die Ersatzbesetzung für Ton und Licht am Start, anders wäre dem Spektakel wohl auch kaum beizukommen gewesen. Die „wahrscheinlich schönste Band der Welt“ ist sich mittlerweile bekanntlich kaum eines Mittels zu schade, solange es zu einem stimmungsvollen Ergebnis führt, das Gehampel von Aushilfsdrummer Christian Bass (u.a. Ex-DER WEG EINER FREIHEIT, Ex-DEADSOIL & Liveaushilfe bei HEAVEN SHALL BURN) zum elektronischen Intro ist aber doch reichlich grenzwertig, wir sind ja nicht beim Kinderturnen. Die Setlist reicht zwar bandgeschichtlich nicht ganz so weit zurück wie bei NIGHTRAGE, hält durch einige Abwechslung die Stimmung aber hoch. Der Knackpunkt, der aus einem soliden einen sehr guten Auftritt macht, ist die von Sabine etwa zur Mitte des Sets alleine vorgetragene Ballade, weil sich danach ein ungefähres Gleichgewicht zwischen ihr und dem im letzten Herbst von Bass ans Mikro gewechselten John etabliert. Nachdem er vorher fast schon überpräsent über die Bühne getobt ist und ständig um seine Gesangspartnerin herumscharwenzelt ist, inklusive mitten im Lied vor sie stellen und durch die Haare wuscheln (hinter denen Sabine sich anfangs ein wenig Hannemanesk versteckt hat), arbeiten die beiden ab diesem Lied mehr wie ein Team auf (nicht unbedingt körperlicher) Augenhöhe zusammen. Das verbessert den Gesamteindruck der Band deutlich, der natürlich ebenso von den sehr engagierten Vorträgen des noch nicht so lange bei DEADLOCK aktiven Ferdinand Rewicki am Bass und des dieses Mal alleine die Gitarrendienste schulternden Sebastian Reichl lebt. Gegen die Euphorie und den Übermut in den Ansagen von John ist allerdings kein Kraut gewachsen, muss es aber auch nicht. In Bewegung bringt der 1A Unterhaltungsfaktor zwar nur die ersten Reihen des Publikums, von dem Auftritt angetan sollte aber so gut wie jeder gewesen sein.

In den USA sind DEMON HUNTER eine ganz andere Hausnummer als in Deutschland. Dass das an den reichlich christlich geprägten Texten liegt, ist zwar nicht auszuschließen, als alleiniges Argument aber doch ziemlich dünn. Heute Abend sind die fünf in mit Puder bestäubte, dunkle Anzüge gekleideten Herren auf jeden Fall die Herrscher im Ring. Ab dem ersten Lied tobt ein erstaunlich zahlreicher Pit und, anders als man es sonst so erlebt hat in den letzten Jahren, geht es dort gesittet und größtenteils extremitätenlos zu. Ja, tatsächlich wird schlicht rum- und gegeneinander gesprungen und allem Anschein nach macht das keine Nuance weniger Spaß als das aggressive Rumgegockel, das sich eingebürgert hat – im Gegenteil, nach der guten Stunde DEMON HUNTER ist die Meute müde gehüpft, aber glücklich und gesund. Dazwischen haben die Amerikaner alle Register ihres Könnens gezogen und auch mal in die rauere eigene Vergangenheit zurückgeblickt. Vor allem aber überzeugen die Lieder des neuen Albums „True Defiance“, die live eine unglaublich geschmeidige und anziehende Kombination aus rauem Alternative Rock und wütenden Moshparts sind, und hier und heute auch mehr überzeugen als daheim auf der Anlage. Nach einer kurzen Zugabe ist nicht nur Drumtier Yogi Watts völlig ausgepumpt, so dass niemand wirklich traurig ist über die überschaubare Spielzeit.

Die einzigen, die traurig sein sollten, sind alle, die sich dieses tolle Package nicht angeschaut haben. So abwechslungsreich und gut wird man nicht jeden Abend unterhalten.
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