Gorilla Monsoon Caroozer Metabolic

Gorilla Monsoon, Caroozer, Metabolic

CaroozerGorilla MonsoonMetabolic
Leipzig, UT Connewitz
28.03.2015
Achtung! Wem es nach Objektivität in Konzertberichten dürstet, der sollte sich nun schleunigst umdrehen und mit der nächstbesten Hauswand ein Gespräch führen. Der nun folgende Text ist, wie unschwer an der alsbald einsetzenden Ich-Form erkennbar sein wird, extrem subjektiv. Dafür wird er aber auch einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt des Protagonisten gewähren. Quasi: 'fühle statt Fakten. Und das ist doch ziemlich verlockend und auch mutig von ihm, oder? Also er, beziehungsweise ich denke: Auf jeden!

GORILLA MONSOON haben mich zur Release-Party geladen. Die kenn ich von früher, hab ich eigentlich ganz positiv in Erinnerung, die neue Scheibe ist auch recht knorke und die spielen dank der Metalheadz Crew ganz in der Nähe. Im UT Connewitz war ich bisher noch nicht, das passt. Also schnell noch eine Begleitung gesucht. Das absichtlich anonymisierte Wesen, im Folgenden als "kritische Begleitung" bezeichnet, wohnt sogar noch näher dran. Hat also quasi keine ernstzunehmenden Ausreden mehr in petto.
Zusammen entern wir also die Spielstätte. Und ich bin fast ein kleines bisschen überwältigt. So unscheinbar ich das UT Connewitz von außen beurteile, im Inneren ändere ich schnell meine Meinung. Ein großer Saal mit Säulen, Empore und allem Pipapo erstreckt sich vor meinem linken Auge. Das rechte sucht vollautomatisch den Weg zu den Toiletten, das macht es immer in neuen Lokalitäten. Schlechte Erfahrungen mit der Kombination: Volle Blase in vollen Räumen, ihr wisst schon.
Das Interieur des UT mag zwar nicht mehr ganz taufrisch sein, ist mir dadurch aber nicht weniger sympathisch. Sollte doch mal ein wenig Putz von der Decke fallen, kann das mein Haupthaar locker abfangen, also nichts wie rein. Bühne ist ziemlich breit, Bierstand hinten links und an beiden Seiten unverschämt grinsende Sitzplätze! Bingo! Damit kann man in meinem Alter ungemein punkten. Also schnell nach hinten links und ein Bier besorgt, dann wieder nach vorn rechts und den Platz ausreichend gesichert. Meine kritische Begleitung, ebenfalls im gleichen Alter, jedoch selbstverständlich in besserem körperlichen Zustand, verbirgt mir zuliebe ihren Abscheu und setzt sich daneben.

Kurz nachdem unsere 4 Ohren einen gemeinen, hohen Schrei vernehmen, die 2 Körper minimal zusammen zucken und 1 Gehirn nach Verarbeitung des Schreckens meldet, dass nun wohl METABOLIC anfangen, erblicken 3 Augen ein paar fast schon etwas verloren wirkende Musiker auf der recht großen Bühne. Ein wenig steif um die Hüften konzentrieren diese sich wohl hauptsächlich auf die Musik. Wie man das denn nennen würde, fragt nach kurzer Zeit meine kritische Begleitung. "Thrash Metal" antworte ich spontan, den anfänglichen Schrei, den schnellen Rhythmus, die direkten Riffs und leichte gesangliche Parallelen zu James Hetfield im Kopf.
Ich wechsle kurz meinen Standort. Offenbar bekomme ich hier an der Seite nicht die volle Wucht des druckvollen Sounds zu spüren, denn der Rest des hereinschneienden Publikum wird gnadenlos an die Wand gepresst. Zwar ändert sich durch den Positionswechsel durchaus etwas im Magendruck, ich muss jedoch einen Fehler eingestehen. Offenbar ist weniger der unerwartete externe Druck von der Bühne, sondern vielmehr die freiwillige Schüchternheit und das durchaus interessierte, aber vorsichtige akustische Herantasten des Publikums an die gebotene Musik dafür verantwortlich, dass die vordere Hälfte des Raumes komplett unbenutzt vor sich hin altert.
Nach einer Weile denke ich mir, dass das da vorn zwar ganz in Ordnung ist, jedoch wohl auch keinen Originalitätspreis gewinnen würde. Meine kritische Begleitung fingert auch schon leicht nervös mit der linken Hand in der Tasche nach der selbstgedrehten Zigarette. Das erste Pils ist auch alle, also Zeit für eine Pause. Die Band folgt sogleich.

Wieder zurück arbeiten CAROOZER bereits an der akustischen Abstimmung ihres Equipments. Meine kritische Begleitung bemerkt mit süffisant ausgestrecktem Arm: "Na die kennt man doch. Guck doch mal, das is doch der… Na klar, den haben wir doch schon mal gesehn!". Mein intellektuell herausgefordertes Ich scheitert leider einmal mehr am extrem schlecht ausgeprägten Personengedächtnis und kann nur zähneknirschend erwidern, dass die doch auch aus Leipzig sind, und es deswegen statistisch nicht unmöglich ist, sich schon einmal über den Weg gelaufen zu sein. Um nicht allzu ungebildet zu erscheinen, beginne ich einen kurzen Diskurs über Frontmänner und behaupte, dass man in diese Rolle einfach geboren werden müsse. Wir sind uns einig, dass der vor uns turnende El Rich mit Sicherheit zu den Auserwählten gehört. Allein durch Sympathie und seinen eifrigen Bewegungen zur dargebotenen Musik fühle ich mich dazu geneigt, den Kopf zu bewegen - und sei es nur, um ihm auf der breiten Bühne mit den Augen hin und her zu folgen.
Selbst vertikale Bewegungen sind aber durchaus im Bereich des Möglichen. Der als "Groove Metal" bezeichnete Bastard aus Hardcore, Thrash, Rock'n'Roll und Stoner Metal versucht sich in vielen unterschiedlichen Rhythmen, so dass schon rein rechnerisch auch immer mal wieder mein persönlicher Nerv getroffen wird. Zudem nimmt die Truppe sich selbst nicht zwanghaft ernst, ein weiterer Pluspunkt.
Mittlerweile ist Bier Nummer zwei geleert, das aufmerksame Auge erblickt passend dazu am Rand zwei kleine, verdächtige Türen mit geschlechtsspezifischen Bezeichnungen. Ob sich dahinter weitere Toiletten oder das Tor zur Männer- bzw. Frauen-Hölle befindet, diskutiere ich kurz mit meiner, ebenso die Beine verschränkenden, kritischen Begleitung. Schließlich erinnere ich mich an meine Armee-Ausbildung und erkunde tapfer das Neuland. Auf gefühlten zwei Quadratmetern erstreckt sich dahinter eine unerwartet glänzende und parfümierte Urinier-Oase. Ja, auch damit kann man in meinem Alter ordentlich punkten. Nun kann sich das aufmerksame Auge endlich entspannen und den letzten Eindrücken von CAROOZER beiwohnen. Ganz schön voll ist es hier geworden. Klasse.

Als GORILLA MONSOON die Bühne betreten, wird es sogar noch voller. Und irgendwie schwülstiger. Die Nebelmaschine pumpt unerlässlich dicke Schwaden in den Raum. Dort werden sie von den Anwesenden inhaliert und nahezu identisch, lediglich mit leichter Geruchsnote verfeinert, wieder ausgeschieden. Die Temperaturen steigen, die Luftfeuchtigkeit irgendwie auch. Falls im nächsten Moment ein Alligator von der Decke fallen würde, wäre ich wohl kaum überrascht. Zum schweren Doom Rock der Dresdner passt diese Südstaatenatmosphäre aber selbstredend wie der Stein zum Fels. Oder halt der Stone zum Rock - dämliche Wortspiele…
Nach einigen Minuten quittiert meine kritische Begleitung mit den Worten "Find ich langweilig, ich gehe" den Dienst und ward nie wieder gesehen. Aber so sind sie halt, die Pädagogen: Keine Ahnung von der Materie und sobald der Soll erfüllt ist, dann schnell Feierabend und verduften. Was soll's: bleibt eben mehr Musik für uns alle. Klar, ne gewisse Entspanntheit schwingt immer in Doom behafteter Musik mit, da muss man sich auch mal etwas gehen lassen können. Dank röhriger Stimme, dankbaren Gitarrenriffs, einem angenehmen Spieltempo und einem bereits durch die beiden anderen Bands weichgeklopften und lässigen Publikum ist das aber gerade nicht wirklich ein Problem. Details verschwimmen in den Resten der dritten Flasche Bier, allein das positive Gefühl bleibt zurück.
Der Rückweg mit dem sich nach kurzer Zeit selbst zerstörenden Spontandöner im Regen ist dann aber wieder ne andere Geschichte…
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