Terra-π-Versuch


Interview mit Psykra
Progressive Black Metal aus Deutschland
"Terra π", das Debut der Anhaltiner Formation Psykra, war seinerzeit ein ziemlicher Brocken und vielleicht noch am besten mit den Worten "extreme avantgarde black metal" zu beschreiben, weshalb ich mich seit einiger Zeit mit dem Gedanken trug, die Horde um A.F.J. Creuzfeldt mal auf die Kuschelcouch der Bloodchamber zu zerren. Nach einigen Fährnissen ist es nun vollbracht - ein kleines, aber feines Gespräch über eine Krankheit namens Leben...

Hallo Psykra! Euer letztjähriges Debut "Terra π" hat sicher nicht nur bei mir für verwirrtes Aufhorchen gesorgt. Wie kam es eigentlich zur Bandgründung und wie sind die Reaktionen andernorts ausgefallen?

Alexander F.J. Creuzfeld: Psykra gibt es eigentlich schon seit 1998. Es existiert auch bereits ein Demo, welches den Namen „Insolitus Finis Est“ trägt. Jedoch ist von der ursprünglichen Besetzung nur noch meine Wenigkeit übergeblieben.
Auch wenn es live schwer war, mit dem Material von „Terra π“ Anklang zu finden, haben wir von Seiten der Presse fast durchweg positive Reaktionen auf die CD bekommen. Selbst ein Schreiberling eines russischen Metal-Magazins konnte sich für unsere Musik begeistern!

Wie im Review angedeutet, bezieht ihr eure Inspiration ja aus recht illustren Quellen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren,wie sich die Denkanstösse in eurem Werk niederschlagen? Was bedeutet überdies Psykra?

Alexander F.J. Creuzfeld: Wir beziehen unsere Inspiration über unsere Eindrücke von Filmen. Emotionen und Atmosphäre spielen eine große Rolle in unserer Musik. Zudem haben wir keine Scheu vor jeglichen Experimenten. Wir wollen uns musikalisch auch nicht in eine Sparte stecken. Fest steht für uns nur, dass das Endprodukt düster, bedrohlich, beklemmend und leicht fremd klingen sollte.
Der Bandname Psykra setzt sich übrigens aus den Anfangsbuchstaben der Wörter „psychisch“ und „krank“ zusammen.

Gibt es - daraus resultierend - ein "psykratisches" Weltbild? Und welche Rolle kommt dem Menschen darin zu?

Alexander F.J. Creuzfeld: Ich/wir würde/n mir/uns nicht herausnehmen wollen, eine Art Weltbild zu kreieren. Dafür ist die Welt einfach zu komplex.
Wir wollen mehr darauf aufmerksam machen, welche Rolle der Mensch auf der Erde und im Universum eigentlich spielt! In meinen Augen ist das alles ein vielschichtiges funktionierendes System, welches nach bestimmten Regeln läuft. Man versucht diese Regeln zu entschlüsseln und das ist auch gut so. Aber es gibt Menschen, die trotz ihres Wissens damit umgehen, als wäre es Plastikbesteck! Dabei sind wir gemessen an Zeit und Größe nur ein zu Humus werdender Regenwarmschiss!
Naturvölker und sämtliche Lebensformen könnten auch ohne die westliche Bevölkerung leben. Die Erde würde sich auch ohne den Menschen weiter drehen. Aber wären wir da, wo wir jetzt sind, wenn das alles nicht wäre?

In Verbindung mit den Texten (Seuchen, Krieg, etc.) könnte man auf die Idee kommen, dass eure Musik eine Allegorie darstellt: wachsende Technisierung (elektron. Elemente) vs. Ursprünglichkeit (schwarz- metallisch). Glaubt ihr an eine Verschmelzung der Widersprüche, oder geht es gerade um den Gegensatz, die Reibung?

B.O.T.I.S.: Mit dem Gedanken der Allegorie liegst du nicht verkehrt, denn der Albumtitel „Terra π“ ist nicht zufällig gewählt und gibt Anstoß zur Interpretation. Er steht zuerst einmal für die Erde und die Musik als zwei parallel existierende Systeme, die mehr oder weniger in sich geschlossen sind, aber eigentlich erst durch das Vorhandensein von Extremen bzw. das Ausbrechen aus vorgefertigten Mustern belebt, bereichert, aber leider auch nicht selten zerstört werden.
Der Gleichklang mit dem Wort „Therapie“ nimmt zudem Bezug auf die direkte Konfrontation des Lesers / Hörers mit den Problemen, die in unseren Texten angesprochen werden.

Alexander F.J. Creuzfeld: Es ist schon interessant mit anzusehen, wie eine Bevölkerung darauf reagiert, wenn man ihr ein Stück Technik in die Hand drückt. Der größte Teil macht sich schnell damit vertraut und könnte binnen kürzester Zeit kein normales Leben mehr ohne bspw. Computer, Handy etc. führen. Es ist eher das Paradoxe daran, was für uns interessant ist. Auf der einen Seite, z.B. fette phantasielose Kinder (unsere Zukunft!!!), auf der anderen Seite Wissen, um viele rätselhafte Dinge zu entschlüsseln, die sich im Nachhinein positiv auswirken.
Aber es gibt auch viel Unnützes. Wie viele Dinge hat denn jeder bei sich zu Hause allein um Zeit zu sparen. Aber sparen wir diese Zeit auch wirklich?

Eure Songs sind ja nicht zuletzt aufgrund jener stilistischen Mittel recht komplex. Wie läuft das im Songwriting, d.h., wer ist die treibende Kraft - oder schmeißt ihr eure Ideen zusammen?

Alexander F.J. Creuzfeld: Die Grundstruktur eines Songs erarbeite eigentlich immer ich. Das muss jedoch nicht grundlegend so sein. Wir unterstützen uns auch gegenseitig.
So hat sich auf unserer aktuellen CD „Terra π“ Bassist / Keyboarder Lothargie mit um die Verteilung der Texte auf die Musik gekümmert, Drummer B.O.T.I.S. hat sich hier und da was für die zweite Gitarre ausgedacht sowie die gesprochenen Passagen übernommen und ich habe vereinzelt Passagen für Bass und Synths mitgeschrieben. Größtenteils arbeitet jeder von uns schon an seinem Instrument, aber wir sind eben vielseitig und haben Spaß, uns auch mal an anderen Dingen auszuprobieren.
Letztendlich zählt das, was hinterher dabei rauskommt.

In nächster Zeit steht ja auch der Nachfolger zu "Terra π" ins Haus. Wo stehen denn die Vorbereitungen und wie wird sich Psykra darauf präsentieren?

Alexander F.J. Creuzfeld: Naja, in nächster Zeit wäre vielleicht ein bisschen übertrieben. Wir sind augenblicklich musikalisch und privat ziemlich ausgelastet. Die Grundsteine sind aber schon gelegt.
So stehen zur Zeit Konzept, ein Song, ein Coversong und etliche Ideen im Raum. Aber wir sind wählerisch und gut Ding will Weile haben.
Beim neuen Material benutzen wir auch Siebensaiter-Gitarren und es wird betont rhythmischer als zuvor zugehen. Im kommenden Jahr werden wir wieder ins Studio gehen, mehr wird erst mal nicht verraten.

Zumindest eins eurer Mitglieder ist ja auch andernorts aktiv.Gibt es trotzdem Möglichkeiten, euch live zu erleben oder existieren zeitliche/musikalische Faktoren, die dagegensprechen?

Alexander F.J. Creuzfeld: Im vergangenen Jahr haben wir recht viel auf dem Live-Sektor gemacht - unter anderem eine kleine Club-Tour durch Deutschland mit der Hannoveraner Death Metal Band ABYSS LORD -, konnten aber nicht viele gute Erfahrungen dabei machen.
Metaller sind eben häufig ein störrisches und klischeehaftes Volk. Wenn sie dann das erste Mal eine Band hören, die andere Klänge spielt, reagieren sie eher unaufgeschlossen. Wir hatten zwar auch schon positive Erfahrungen, aber im großen steht als unbekannte Band der Aufwand weit über dem Nutzen. Irgendwann werden wir sicher wieder auf der Bühne stehen, aber unser Hauptfokus ist zunächst auf neues Material gerichtet.

OK, dann wünsche ich euch mal frohes Schaffen sowie nie versiegende Kreativität und danke euch für das Gespräch. Auf das, was da kommt!
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