Die Geister, die ich rief


Interview mit Sun Of Sadness
Dark Metal aus Deutschland - Köln
Nicht viele Alben schaffen es auf Anhieb, derart oft im heimischen Player zu rotieren. SUN OF SADNESS haben dies mit ihren Drittwerk "Ghost" jedenfalls geschafft, und das nicht nur in meinem Zimmerchen. Grund genug, Drummer Gerd mal ein paar Infos über seine Jungs zu entlocken.

Da ihr doch den meisten Lesern noch nicht allzu viel sagen dürftet, könnt ihr euch bitte mal kurz vorstellen?


Tach auch. Wir sind Sun of Sadness aus dem schönen Köln. Wir haben mal gesagt, das unser Musik-Stil in die Gothic-Metal-Richtung geht, aber ich denke, da sind wir lange drüber hinaus. Inzwischen sind doch einige Blackmetal-Elemente dabei, also haben wir das ganze mal in Dark-Metal umgetauft. Düstere Stimmung, gepaart mit schnellen und langsamen Passagen sollen nicht nur zum Headbangen auffordern. Vielmehr wollen wir, dass der Hörer in unsere Musik stimmungsmäßig eintauchen und mitfühlen kann. Aber ich finde, es ist immer schwierig zu sagen, ob das auch gelingt. Letzten Endes ist es doch der Hörer, der sich sein eigenes Urteil darüber bildet.

Warum habt ihr euch bei dem Bandnamen nicht mehr Mühe gegeben? Sun Of Sadness klingt ja ziemlich klischeehaft und spiegelt bei weitem nicht euer Potential wieder.

Also vorerst einmal danke, dass du uns so hoch einschätzt. Klar klingt der Name etwas klischeehaft. Aber warum denkst du; wir hätten uns keine Mühe gegeben? Es steckt eine klare Intention dahinter. Die Sonne der Traurigkeit steht für die Hoffnung in der Verzweiflung. Sieht die Lage auch mal beschissen aus, es gibt doch immer etwas Gutes, was auftaucht. Das soll sich auch in unserer Musik wiederspiegeln. Aggression und Ruhe wechseln sich bei uns ab. Und genau dieser Gegensatz ist es, was wir mit Musik und Bandnamen ausdrücken wollen.
Außerdem hat unser Ex-Gitarrist Ingo einmal gesagt: „Schau dir nur mal den Vollmond an. Dieser helle Schein in der Dunkelheit. Das ist die Sun of Sadness.“ Das ist Klischee...

Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr euer letztes Album nur im Internet zum Download angeboten habt?

Als wir das Album aufgenommen haben, sollte es eigentlich unter unserem alten Label M.O.S.-Records erscheinen. Die haben aber vor der Veröffentlichung leider ihre Fahnen eingeholt und ihre Pforten dichtgemacht. Als kein anderes vernünftiges Angebot ins Haus flatterte, sondern uns nur Verträge mit für uns unannehmbaren Bedingungen angeboten wurden, haben wir uns kurzerhand entschlossen, das Album auf der Homepage zum Download anzubieten. Die Leute haben uns nämlich immer öfter gefragt, ob nicht bald mal was neues kommt, und wir wollten sie dann nicht noch länger warten lassen.

Mit eurer Musik setzt ihr euch ja ganz schön zwischen die Stühle. Dem einen seid ihr zu verspielt und melancholisch, den anderen sicherlich zu heftig. Wie kann man das unter einen Hut bringen bzw. warum versucht ihr das eigentlich?

Warum versuchen wir das? Hm. In erster Linie versuchen wir uns selbst und unsere Stimmung auszudrücken, die in dem Augenblick vorherrscht, in dem wir einen Song schreiben. Wir erstellen keinen Plan für einen Song. Es kommt einfach aus uns heraus. Jeder aus der Band hat musikalisch seine eigenen Einflüsse. Das fließt dann ebenso in das Songwriting mit ein. Wir versuchen nicht, wie viele andere Bands, einem bestimmten Publikum zu gefallen. Wir möchten uns durch solche Überlegungen nicht einschränken lassen. Vielmehr machen wir zuerst für uns Musik. Es ist unser Ding, unsere Art uns auszudrücken. Wenn es Leuten gefällt, umso besser, das freut uns dann umso mehr. Außerdem geht im Leben auch nicht alles einen geraden Weg. Warum also dann in der Musik? Das wäre doch langweilig.

Wozu ist eure Musik eurer Meinung nach am besten geeignet? Zum abkacken oder abrocken?

Dazu solltest du mal auf eines unserer Konzerte kommen. Da geht echt die Post ab. Das ist richtiger Rock&Roll. Die Leute vor der Bühne sind einfach cool, wenn sie ihre Haare schütteln und am nächsten Tag Nackenschmerzen haben, wie ich früher...aua. Was die „Ghost“ angeht, denke ich sowieso, es ist eine sehr schnelle und rockige Platte. Im Gegensatz zu der „Picture“, die doch viele ruhige Elemente hatte. Und so ist dann für jede Gelegenheit was dabei.

Im Song „Abschiedsbrief“ geht es textlich um Selbstmord bzw. Selbstverstümmelung. Habt ihr in eurem Umfeld bereits mit diesen Themen umgehen müssen oder wie kam es zu diesen Lyrics?

Ich persönlich nicht. Ich denke, der Rest der Band eigentlich auch nicht. Zumindest nicht mit Selbstmord. Selbstverstümmelung kann jedoch vieles bedeuten. Es muss nicht immer ein abgehackter Finger oder so etwas sein. Es reicht, wenn Leute sich auch nur ein bisschen ritzen, also autoaggressiv sind. Da steckt eine Menge Selbsthass, Selbstzerstörungswille und Verzweiflung hinter solchen Taten. Solche Menschen benötigen dringend psychologische Hilfe. Doch die meisten anderen Leute tun so ein Verhalten als Spinnerei ab. Wir wollen einfach zeigen, wie sich betroffene Menschen wirklich fühlen. Die anderen müssen diesen Selbsthass verstehen, um die betroffene Person nicht noch weiter in den Abgrund bis hin in den Selbstmord zu treiben und gegebenenfalls auch helfen zu können.

Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man durch die Bank weg nur positive bis begeisterte Reviews erhält? Ist das nicht alles schon ein wenig unheimlich?

Doch, ist es. Man kann gar nicht glauben, dass die Musik, die man selber macht, wirklich so gut ankommen soll. Man freut sich wie ein Schneekönig über solche Dinge. Inzwischen sind aber auch ein paar nicht ganz so gute Kritiken eingetroffen, was einen auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Das gute an solchen Kritiken ist, insofern sie konstruktiv geschrieben werden, dass man einen Spiegel vorgehalten bekommt, in dem man seine Fehler sieht und es beim nächsten mal besser machen kann. Man kann sich dadurch weiterentwickeln, was enorm wichtig ist. Nichts ist schlimmer als Stillstand.

Habt ihr für diese CD extra das Label Onge Records gegründet oder hab ich da falsch geschlussfolgert? Warum wollte euch denn kein anderes haben?

Ja, das ist richtig. Wie ich schon sagte, wir haben nach M.O.S. ein paar Verträge angeboten bekommen. Die waren aber durch die Bank weg Knebelverträge. Bei einer vom Label veranschlagten Verkaufserwartung von 1000 CDs (was ja nicht sooo viel ist) sollten wir die z.B. auch noch nach Erlaubnis fragen, wenn wir als Einzelmusiker mal für ein Konzert bei einer anderen Band aushelfen wollten. Das ging uns doch wirklich zu weit. Bei 1000 CDs ist man weit davon entfernt von der Musik leben zu können, es bleibt doch ein Hobby. Und in meinem Hobby muss ich mich nicht in ein enges Korsett zwängen lassen. Würden wir von SoS leben können, wäre das eine ganz andere Sache. Aber in meine Musik, die mir sehr am Herzen liegt und die ich in erster Linie für mich und die Leute, die sie hören wollen, mache, muss ich mir nicht von ein paar komischen Leuten reinreden lassen, denen es nur um Geld und Abhängigkeit geht.

Was würdest du machen, wenn du als unsichtbarer Geist die Möglichkeit hättest, mal so ganz unbeschwert durch die Gegend zu fliegen?

Ich würde Angela Merkel zuflüstern, dass sie mal zu einem guten Friseur gehen soll.

Wenn du einen aussuchen müsstest, welchen aktuellen Pop-Song würdest du gern covern?

„Schrei“ von Tokyo Hotel. Da würden wir der kleinen Frontfrau mal zeigen, wie man richtig schreit...

Und zu guter Letzt hast du hier noch die Chance, unseren Lesern einen weisen Rat mit auf den Weg zu geben oder einfach schlicht Werbung für eure Band anzubringen:

Ich bekomme es gerade bei den jüngeren Leuten oft mit, dass Musikgeschmack sich einer gewissen Gruppendynamik unterwirft. Damit wird man auf Dauer nicht glücklich. Man sollte sein eigenes Ding durchziehen und es auch vor anderen Leuten verfechten können. Damit ist aber nicht rechtfertigen gemeint. Man sollte sich nie für seinen Geschmack rechtfertigen, aber auch den anderen ihren Geschmack lassen. Geschmack ist eben Geschmack und über den lässt sich nicht streiten.
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