"Nothing Will Change, Until I Change Myself!"


Interview mit Abandon Hope
Stoner Rock aus Deutschland - Münster
Die Jungs von ABANDON HOPE haben das letzte Jahr zum Ausklang noch mal mit einem richtigen Leckerbissen versorgt und mit „The Endless Ride“ einen Hammer veröffentlicht, der schließlich auf Platz 2 unserer Jahresawards eintrudelte. Dass Sänger Hommel auch noch ein sehr sympathischer Zeitgenosse ist, durfte ich im längsten Interview in der Geschichte der Bloodchamber erfahren. Mit Hilfe der didaktischen Reduktion hoffe ich euch hier das Interessanteste und Wichtigste des über 90 Minuten langen Telefonats vermitteln zu können. Das Lesen lohnt sich, denn das hier geht an alle da draußen, die was aus ihrem Leben machen wollen und noch einige Tipps brauchen. Check it Out!


Ich bin ja nicht unser Marketingexperte, aber durch meine Arbeit ziemlich ans Quasseln gewöhnt. Bin echt gespannt, was da jetzt für Fragen kommen...

Wir machen das mal ganz spontan! Du hast mein Review ja gelesen und auch allgemein habt ihr ganz gute Resonanzen bekommen, oder?

Wir haben jetzt auch die erste negative Kritik bekommen von „Metalstorm“. Es ist natürlich alles abhängig vom persönlichen Geschmack, aber hier fällt schon von vornherein die Ablehnung des Redakteurs auf nach dem Motto „Boah, das geht garnicht!“. Er hat auf jeden Fall gesehen, dass wir sehr vielseitig sind, aber sonst wäre ja alles nur geklaut. Wir setzen uns ja gerne mit negativer Kritik auseinander, aber dann sollte sie auch wenigstens fundiert sein. Das Hauptargument ist einfach nur, dass die Band sich nicht bemüht habe. Aber das ist einfach nicht wahr! Wir haben gemacht worauf wir Bock haben und das mit höchster Motivation und eigenem Anspruch verbunden, um das Ergebnis zu bekommen. Und das ist ja auch das, was du sagst! Diese CD mit dem Digipack spricht zu mir und sagt: „Jungs, gut gemacht!“. Wenn wir was machen wollen, dann machen wir das ordentlich, das war während des gesamten Projektes unsere Einstellung.
Unsere 4-Track-Promo haben wir damals mit der selben Attitüde gestaltet. Wir haben damals gemerkt, dass es noch nicht ganz der Sound ist, den wir haben wollten, also haben wir alle noch mal etwas Geld in die Kasse geworfen, um das Ganze in einem ordentlichen Proberaum aufzunehmen. Wir haben sehr hochwertige Recording-Hardware gekauft, denn wenn beim Recording nichts Ordentliches rauskommt, dann kann man auch beim Mischen nichts mehr dran ändern. Deswegen haben wir auch so viel Zeit für die Aufnahmen gebraucht, insgesamt 14 Monate.

Das hat sich meiner Meinung nach auch gelohnt, denn es gibt wirklich viele Bands, die sich ihr ordentliches Material durch eine schwache Produktion leider kaputt machen!

Genau! Und das kann ich nicht nachvollziehen. Man steckt alles in die Musik, bis zum letzten, aber dann müssen doch auch die Rahmenbedingungen stimmen. Das haben wir auch in der Band so entschieden, dass wir nach der Promo noch hieran zu arbeiten haben. Wir machen es jetzt so: „Alles was uns möglich ist, wird auch irgendwie gemacht!“.
Dementsprechend dreht es sich auch mit den Kosten. Wir haben relativ günstige Merchandise-Artikel, als ungesignte Band, aber mit der Cd dreht es sich da anders. Wir haben eigentlich recht gute Erfahrungen damit gemacht, das Ding als DigiPack mit Booklet und ordentlicher Produktion für 13,95 Euro im Laden zu verkaufen. Da haben wir lange drüber diskutiert. Wir sagen: Wertigkeit in der Cd und das entsprechende Geld verlangen, anstatt es einfach so rauszugeben. Man kriegt ja keinen Scheiß!

Mir hat das Ganze tatsächlich sehr gut gefallen. Mal ein anderes Thema: auf unserer Seite wurde eure Promo vorweg als „Modern Metal“ schubladisiert. Wie würdest du die Musikrichtung bezeichnen?

Wir sagen am liebsten es ist Heavy Metal. Es hat sehr viel Bandbreite, es ist heavy und es ist Metal. Warum sollten wir da was erfinden? Klar, wir haben Stoner, wir haben Thrash, wir haben Power! Aber da jetzt eine spezielle Bezeichnung zu machen ist ja eigentlich...

...für’n Arsch!

Eben! Heavy Metal, mit den Texten, Wechseln, Passagen und allem drum herum – das arbeitet ja fast wie beim Techno. Da geht’s auch darum zu ballern und das dann wieder mit ruhigeren Passagen abzuwechseln. Ist glaube ich eine Bedürftigkeit von Menschen, die sagen, normale Popmucke gibt mir nicht diese Cutting Edge, die ich brauche um etwas genießen zu können. Man wartet quasi immer auf den Moment, wo es wirklich richtig losgeht! Es ist wie in der Disco bei „One“ von Metallica, da gibt es einfach bestimmte Stellen, wo die Hörer drauf warten und dann richtig abgehen. System of a Down machen das beispielsweise auch in ihrer Musik, dass sich alles auf einen Zenit konzentriert. Das versuchen wir auch umzusetzen und ich glaube das ist auch die zentrale Message von Heavy Metal. Man hat eine Musikrichtung, die es einem erlaubt richtig auszuflippen.

Das ist ja auch das, womit die heutige Metalcore-Szene arbeitet oder was vor allem Machine Head beinahe begründet haben, wenn man z.B. „Davidian“ hört, in dem es minutenlang auf die Fresse geht, um dann kurz vor Schluss mit einem mördermäßigen Beatdown den Zenit zu erklimmen!

Genau! Man geht in dem Song sowieso schon auf und dann kommt noch diese Stelle! Wahnsinn!!! Wir versuchen das auch! Dass wir selber im Proberaum stehen und eine Atmosphäre erzeugen, wo man einfach nur mitgeht und diesen Klimax hat. Oder wie Down das sagen: „The Power of the Riff compels me!”. Nur so werden bei uns Songs geschrieben! Wir haben ein Riff im Song, wo jeder erkennen wird: das ist das Centerriff! Wir machen sehr gitarrenzentrische Mucke. Erst ist immer die Gitarre da, da fangen wir beim Composing an. Und dann kann ich erst verschiedene Texte ausprobieren und wenn dann ein Wort oder Chorus gut funktioniert, dann entwickelt sich der textuelle Kontext. Wir haben zu allen Songs auf der Homepage die Lyrics mit Linernoten verlinkt. Damit man sieht, wie wir komponieren. Erst das Riff, dann der Gesang und die Texte mit dem gesamten Hintergrund.

Das ist tatsächlich mal eine andere Art und Weise an so etwas ranzugehen und das machen sicher nicht viele Bands...

Ja! Wir hatten Anfang 2003 noch einen schwedischen Drummer und er war nur daran gewöhnt, erst den Text zu haben, um dann die Gitarren und gleichzeitig das Schlagzeug einzusetzen. So könnten wir garnicht arbeiten. Wir würden uns damit auch nur von so vielen geilen Melodien subtrahieren, die Jörg entwickelt! Jörg ist derjenige bei uns mit dem meisten melodie- und harmonietechnischen Verständnis, das ist irgendwie in dem drin. Wenn ihm mal was nicht gefällt, dann steht er da, probiert Sachen aus, die ich nicht nachvollziehen kann und kann dann eine Minute später schon was Neues vorstellen. Wir arbeiten dann später gemeinsam an den Übergängen von Bridge auf Chorus und so weiter, aber die eigentlichen Melodien stehen schon fest.

Ihr beide, Jörg und du, ihr wart ja auch vorher schon gemeinsam in einer anderen Band „Nuke-o-Rama“. Habt ihr das da auch schon so gemacht?

Ja, absolut! Das war immer schon so das Ding! Jörg ist, was das Composing angeht echt führend. Aber – und das ist ja das tolle an der Band – ich musste 17 Jahre Mucke machen, um endliche eine Band zu haben, wo alle Mitglieder gleich motiviert, talentiert und vor allem kompromissfähig sind. Jörg stellt sich ganz frei Schnauze eine Melodie vor und dann arbeiten wir alle gemeinsam demokratisch daran. Es läuft so, wie sich das Metallica wohl nur erträumen würden, da waren es ja auch nur Lars und James, die sich zurückgezogen haben, um dann die anderen für das Recording mal irgendwann ins Studio einzuladen. Da ist nix mit Banddemokratie bei „...and Justice for all“, da ist alles schon fix.

Also besteht bei euch auch Hoffnung, dass ihr in dem aktuellen Line-Up auch erstmal etwas länger zusammen bleibt?

Auf jeden Fall! Wir hatten zwischendurch noch einen anderen Gitarristen dabei, aber der Sound wurde dadurch nicht reicher. Wir sind inzwischen schon so weit in unserem Sound, dass wir sagen können, dass eine weitere Gitarre uns mehr stört, als sonst was. Klar, die Solos sind live gespielt vielleicht etwas magerer, als wie sie auf der CD drauf sind. Im Studio kann man eben mit mehreren Spuren arbeiten. Aber dafür haben wir ja noch Jörg, der speziell für die Liveauftritte die Sololäufe so schreibt, dass es live gut rüber kommt. Ich sag mal, Rage Against the Machine haben ja auch so Erfolg gehabt! Die Leadgitarre kommt mit dem Leadgesang dann soweit raus, dass wieder was eigenes entsteht. Das ist unser Hauptmagnet. Die hervorstehende Gitarre mit der Stimme.

Um mal auf den Gesang einzugehen. Für das Material was ihr habt, braucht man auch eine sehr variable Stimme. Das hast du meiner Meinung nach sehr gut geschafft! Was ist also dein Geheimnis oder würdest du selbst etwas kritisieren? Wenn ich was vermissen würde, dann wäre das vielleicht hier und da etwas mehr Power in der Stimme, aber was meinst du dazu?

Ich gebe dir gerne recht! Ich würde gern etwas aggressiver klingen, aber all meine Versuche dort in der Richtung etwas zu machen, klingen einfach nicht gut oder sagen wir authentisch. Ich bin halt keiner aus dem Todesbleikeller oder sonst was. Wir haben mal zum Spaß bei einem Livekonzert was von Sepultura gecovert, da haben sich auch alle erstmal umgeguckt, also ich angefangen habe härter zu singen. Ich kann das schon, aber das bin dann nicht ich! Ich muss mir das mit meinen 37 Jahren nicht mehr geben, wie jemand anders zu klingen. Ich würde gerne Phil Anselmo mit der Stimme eines Mike Patton von Faith No More kombinieren, die ich beide sehr schätze, aber das kann ich nicht produzieren. Ich habe keine klassische Gesangsausbildung oder sonstiges gelernt, ich kann noch nicht mal Blockflöte! Ich spüre dafür beim Composing sehr gut, dieser Sound der da grade entsteht, passt sehr gut auf diese Stimme bei mir. Dann mache ich mein Text-Composing und biete es den anderen an, um darüber abzustimmen. Wir haben für das Voice-Recording mal locker 5 Monate gebraucht!
Der erste fertige Song war „The Sad, The Damned, The Dead“ und den haben wir hinterher nochmal komplett umgeschmissen, weil wir danach Songs aufgenommen haben, die noch mal besser waren und wo wir uns gesagt haben, wir sind von Monat zu Monat besser geworden, das kann so nicht bleiben bei dem Song. Unsere Umgebung hat uns auch immer gefragt, warum braucht ihr denn so lange? Aber unsere eigene Qualität nimmt doch zu und wir wachsen doch daran! Uns hetzt doch keiner! Uns hetzt kein Vertrag oder eine Fanbase. Vor dem Album hatten wir eine minimale Fanbase von 20-30 Leuten, während wir die Aufnahmen gemacht haben ist unsere Fanbase gewachsen, weil sie gemerkt haben, wie intensiv wir daran gearbeitet haben.

Wenn du sagst, es sei nicht ehrlich, wenn du irgendwelche Todesbleivocals machst, dann spricht das ja auch wiederum dafür, dass ihr lieber das machen wollt, was ihr seid und was Abandon Hope ist, als irgendwas zu kopieren und das ist ja genau das, was der Autor von Metalstorm euch vorgeworfen hat.

Genau das ist das Extrem! Du findest in deinem Kommentar genau den Kern heraus, deswegen ist es auch 9,5 von 10. Weil du das verstanden hast, worum es uns im Kern ankommt! Wir kennen viele Einflüsse, wir wissen, was uns ankickt und wir machen genau das und zwar mit dem Besten was uns selber möglich ist, ohne zu sehr nach dem oder nach dem zu klingen. Vom Status her sind wir bisher eine ungesignte Hobbyband, die aber trotzdem den Anspruch habt, den Leuten etwas zu bieten. Der Typ von Metalstorm hat das nicht verstanden, der meinte wir würden es uns durch Anbiederung heraus einfach machen wollen, aber das ist es einfach nicht!

Braucht ihr denn überhaupt ein Label, wenn du auf der anderen Seite sagst, dass 14 Monate euch sehr gut getan haben? Mit einem Label im Rücken wärt ihr wahrscheinlich einem größeren Zeitdruck ausgesetzt gewesen!

Genau das ist das Ding! Wir hatten darüber diskutiert, wie wir vorgehen. Gehen wir erst an ein Label ran und schicken denen was mit einem netten Schreiben oder nehmen wir das auf, was uns unsere Fans sagen? Die haben gesagt: es müssen einfach nur mehr Leute davon erfahren. Und wir haben uns dann wiederum gesagt: genau das machen wir jetzt! Durch Internetrecherche holen wir uns Adressen von Radiosendern, Fanzines, Webzines und Magazinen und schicken dort erstmal in erster Linie 120 Anschreibungen raus. Und wenn wir dann gute Rezensionen eingesammelt haben – so geht es ja jetzt los – dann machen wir noch mal ein richtig großes Elektronik-Press-Kit. Inzwischen sind wir soweit, dass wir sagen, wir haben ein Album allein aufgenommen, wofür brauchen wir eigentlich jetzt direkt ein Label? Wir wollen als nächstes erstmal nur eine Minitour durch Deutschland organisieren, um uns live zu präsentieren. Wir sind eine Liveband! Dafür brauch man natürlich eine gute Booking-Agentur. Ich würde auch ganz gern ohne Labelunterstützung in die Sache reinwachsen.

Aber ist das denn finanziell überhaupt möglich? Ihr müsst jeden Tag arbeiten, ihr habt bereits sehr viel in die CD reingesteckt und wenn ihr jetzt noch eine Tour auf die Beine stellen wollt, dann steht ihr vielleicht irgendwann an einem Punkt, wo ihr euch das Ganze nicht mehr leisten könnt!

Richtig! Also das muss natürlich alles durchgedacht werden. Es müsste schon eine Booking-Agentur sein, die uns sponsern würde. Die müsste uns schon zutrauen, dass wir Leute anziehen würden und dass sich das dann auch lohnt. Das muss man dann mit der Booking-Agentur selber ausrechnen, wir haben ja da keine Erfahrung. Ich sehe das so, dass es für den Musikmarkt viele verschiedene Dienstleister gibt. Ein Label macht eine bestimmte Arbeit, ein Booker macht bestimmte Dienstleistungen, die bezahlt sein wollen und auch ein Vertrieb hat solche Kompetenzen. Mit meinem Wissen von vor zwei drei Jahren hätte ich gedacht, es müsste alles über ein Label laufen. Ich bin froh, dass ich jetzt merke, dass es eine hohe Diversifizierung im Markt gibt. Es gibt ja auch Vertriebe die sagen, ich bin zwar kein Label, aber ich nehme die jetzt einfach und vertreib die! Da bin ich froh, dass es so was in Deutschland noch gibt. Könnte ja auch alles erschlagen sein von Universal und sonst was. Bei genau so einem Vertrieb würde ich gerne landen, da sie ja auch Bands wie uns brauchen.

Um noch mal kurz zu dem Album zurückzukommen: ihr habt auch ein Cover drauf, von Jethro Tull „Locomotive Breath“. Wie kam es dazu, da ihr doch so viele Einflüsse habt von Machine Head über Pantera bis Pink Floyd, dass ihr genau diesen Song gewählt habt?

Oh ja! Da haben wir echt viele Sachen diskutiert. Wie geht man vor? Irgendeiner bringt eine Idee mit, man hört sich die Originalaufnahme an und beginnt zu diskutieren. Wie kann man den Song jetzt so verändern, dass er eine eigene Note erhält? Das ist die Frage! Bei uns lief es ein wenig anders im Endeffekt. Wir hatte eine kurze Pause und Jörg fing auf einmal an diesen Song von Jethro Tull zu spielen und ich kannte den Song und hab einfach mitgesungen. Dann stieg auf einmal noch Alex ein. Das ist glaube ich auch der Vorteil, der sich aus dem hohen Altersunterschied innerhalb der Band ergibt. Der kannte diesen Song garnicht, aber hat einfach mal frei Schnauze mit der Rhythmik gespielt. Der kannte das Original nicht und hat auf dem Schlagzeug einfach mal was anderes getrommelt. Und dann sind wir alle eingestiegen und dieses Monster ist daraus entstanden und am Ende haben wir gesagt: wie geil ist das denn? Danach haben wir uns erst das Original angehört, so dass jeder wusste worum es geht und dann haben wir das erst komplett gemacht.

Das ist auch mal eine interessante Herangehensweise! Mal kurz zu eurem Bandnamen: „Abandon Hope“. Wollt ihr damit so viel wie die „verlassene Hoffnung“ oder „verlasse die Hoffnung“ sagen?

Nee, ganz anders! Da gibt es auch bei uns auf der Page einen Link zu „Bandname - Die Story hier“. Es geht genau ums Gegenteil. Wieviele Leute kennst du, die nur nach dem Prinzip Hoffnung durch die Gegend laufen? Wir sagen: Lass dich von reiner Hoffnung nicht einlullen. Wenn du weißt, was du tun musst, dann mach es heute und nicht morgen. Ist eine ähnliche Attitüde, wie sie zum Beispiel auch Hatebreed an den Tag legen. Lass den ganzen Scheiß beiseite und konzentriere dich darauf, dass du dich mal fragst, was wichtig ist. Wir haben das noch verstärkt und gefragt, was hält dich denn davon ab, so was zu machen? In vielen Fällen ist es die reine Hoffnung, dass sich morgen was ändern wird. Ob es der Prinz ist, der mich heiratet oder ein Lottogewinn. Das ist alles das falsche Prinzip Hoffnung. „Nothing will change, until I change myself!”. Das ist das absolut dominierende Bild, das auch viele Texte prägt. Wenn du sie mit diesem Wissen liest, wirst du sehen, dass sich da ein roter Faden ergibt. Bis zu „Road Song“, das aus der Sicht der Frustration eines Fernfahrers geschrieben wurde. Ich bin selbst einer und bin immer wieder kurz davor, mich über etwas zu beklagen. Aber jeder Mensch hat genügend Momente, in denen er sich eingestehen muss, dass er mal faul ist oder sich einfach daran gewöhnt hat, etwas nicht zu tun. Das ist Bullshit und hält dich so was von ab, das ist Wahnsinn!
Ich gebe dir noch ein anderes Beispiel! Ich bin jetzt mit meinen 36 bei meiner siebten Jobstelle und wenn ich mir Kollegen ansehe, die seit Jahren immer noch bei der selben Company sind, die sind einfach erlahmt. Die sind gleichaltrig, aber die haben bestimmte Lernkurven nicht mitbekommen. Das finde ich so schlimm, dass ich gesagt habe, dass wir darüber einen Bandnamen machen. Ob jung, ob alt: jeder hat dieses Prinzip Hoffnung und das ist so schlimm! Es lullt dich völlig ein. Du wirst nicht im Lotto gewinnen! Hundertprozentig! Warum gibst du das Geld für so was aus? Ich krieg einen Hals, wenn ich die Leute in die Lotto-Annahmenstellen laufen sehe. Wenn Leute dafür noch Geld ausgeben und sich somit diese Schwäche eingestehen. Natürlich will ich nicht sagen, dass alle Lottospieler keinen Drive haben und nichts aus sich machen, aber ich nehme es als Symptom. Man muss sich pushen, damit man auch selbst zu einem anderen Typen wird.

Dann lieber „Carpe Diem“! In meinem Umfeld beim Studium habe ich auch immer das Gefühl, dass einige nur auf einen Wink vom Himmel warten und hoffen, dass sie irgendwie hier raus kommen!

Man muss auch immer sehen, welche Möglichkeiten gibt es für mich. Der Korridor verändert sich, mit mehr Geld wachsen ja auch die Ansprüche. Aber ich kann ja auch in einer solchen Lage nicht sagen, ich habe kein Geld. Ich habe ja andere Möglichkeiten. Es hat sehr lange gedauert, bis ich persönlich den Weg, den ich eingeschlagen habe, irgendwie wertschätzen konnte. Für sich denkt man vielleicht, das was ich mache kann ja jeder. Erst mal eine Einstellung zu seinem eigenen Know-How gewinnen, hat eine besondere Wertigkeit. Sich zu fragen, was müsste mein Arbeitgeber tun, um noch mal so jemanden wie mich, mit meinen Kompetenzen finden? Das ist ein Prozess, der einem erst später bewusst wird, wenn man etwas Erfahrung gesammelt hat und seine Situation einschätzen kann. Es ist ganz klar, dass du diese Sichtweise noch nicht so haben kannst. Du kennst eher die institutionelle Seite. Klar, du hast was gelesen, dir wurde was erzählt, du wurdest geprüft usw. Mal noch ist der Anwendungshebel ja ziemlich beschränkt, aber man denkt sich ja auch, in meinem Beruf später treffe ich auf Leute, die dieses Basiswissen zu schätzen wissen.
Ich hab mir immer gesagt, ich studiere nicht, sondern mache eine kaufmännische Lehre. Was soll ich mir da erklären lassen, quasseln kann ich auch so! Auf der anderen Seite werde ich regelmäßig überholt karrieremäßig von irgendwelchen Leuten, die 14 Semester Keramik oder so studiert haben und dann ich Stellung reinkommen, wo ich mich frage: alles klar? Die sind mir weder menschlich, noch rhetorisch, noch im Marketing Know-How gewachsen. Was macht der in dieser Position? Darüber ärgere ich mich nun wiederum.

Okay, aber das liegt ja nicht an dir oder an ihm, sondern an einem Fehler im System, dass man heutzutage mit irgendwelchen Popelstudiengängen mehr erreichen kann, als irgendjemand, der sich vielleicht jahrelang den Hintern aufgerissen hat, um etwas aus sich zu machen!

Ja! Ja! Ja! Ach, Bastian es macht richtig Spaß mit dir zu quatschen! Ich glaube wir sind nicht mehr bei Hölzchen und Stöckchen, sondern sehr weit weg!

Ja, wir sind schon sehr philosophisch!

Das stimmt! Aber es ist mir auch wichtig! Ich betreibe dieses Hobby sehr ernsthaft, einfach weil ich auch gemerkt habe, wie viel Musik für mich leisten kann. Wenn ich ärger mit meiner Alten habe oder ärger im Job oder sonst was, dann brauche ich einfach dieses Hobby. Es macht einfach Spaß zu sehen, wie sich dieses Hobby entwickelt und ich denke mir langsam, wie schön wäre das, wenn noch mehr Fans offiziell daran teilnehmen könnten. Um mehr Leute vielleicht von unserer Attitüde zu überzeugen, dass sie sagen: hey, das gefällt mir! Das passt zu mir!

Ich werde mir auf jeden Fall die Songtexte noch mal unter dem Blickwinkel anschauen!

Oh, gerne! Lade ich dich gerne zu ein. Es war sehr aufwändig, sie zu schreiben. Wir haben aber auch nicht alles in eine Richtung geschrieben. Wir haben zum Beispiele den Song „World of Hurt“, in dem es um Kindesmissbrauch geht. Ein Thema, das Jörg sehr am Herzen lag. Er wollte das unbedingt, weil dieses Kind keine Chance gehabt hat. Und Jörg wollte das unbedingt bei den Leuten ins Gewissen rufen. Er hat den Chorus gemacht und ich die Strophen und wir haben ewig darüber diskutiert. Das sind ja auch Dinge, die müssen in die Öffentlichkeit. Die Kinder können nicht da raus und nicht dieser Situation entfliehen, das ist einfach unbegreiflich. Deswegen heißt der Song auch „World of Hurt“, weil wir in einer großen Welt sind, in der solche Dinge passieren und man darf daran einfach nicht vorbei sehen.

Wo wir grad bei „World of Hurt“ waren, hast du eigentlich einen speziellen Lieblingssong auf der Platte?

Ja, hab ich! Das ist „Someone’s Desire“, weil ich ihn am liebsten singe. Der Song mit dem ich am meisten zu tun habe ist „No Other Time“. Das steht auch in den Linernoten drin. Mein bester Freund war da von Arbeitslosigkeit geplagt und das war eine echt harte Zeit und da habe ich eben viel in diesem Song verarbeit. Wenn Jörg „World of Hurt“ hat, dann ist das hier so was wie mein Ding. Den Song den ich eigentlich am Schönsten finde, wo ich nie gesagt habe, dass wir einen solchen Song schreiben würden, ist dann allerdings „Road Song“, weil da auch dieses Abandon Hope Thema super verarbeitet wird und selbst ein ständiges Auf und Ab bietet.

Es ist aber auch ganz klug gewählt, dass „Someone’s Desire“ am Anfang steht. Mir gefallen zwar alle Songs gut, sonst hätte ich keine 9,5 Punkte gegeben, aber dieser Song hat so einen richtigen Wiedererkennungswert, den man auch schon nach einem ersten Durchlauf unbedingt wieder hören möchte. Finde ich gut, dass man ihn an den Anfang gesetzt hat, der ist einfach direkt da!

Ja, deswegen haben wir ihn auch genommen, weil er so was wie den „Most Catchy Chorus“ hat. Eigentlich eine ziemlich Metal untypische Melodie, aber diese Kombination aus einer völlig anderen Gesangs- als Gitarrenlinie, die macht das aus. Wenn du das analysierst, dann wirst du feststellen, dass das wirklich beinahe diametral gegensätzlich ist. Das ist eben das schöne beim Proben. Du kannst einfach alles ausprobieren. Aus der Breite, die sich aus den ganzen Versuchen ergibt, ergibt sich dann diese „catchy“ Melodie. Wir hatten einfach das Glück beim Komponieren, dass solche Momente einfach entstehen. Wir sind ja alle keine Musikstudenten, auch wenn ich nach 17 Jahren Musik natürlich weiß, welche Sachen gehen und welche nicht. Aber ich bin auch einfach über jede Überraschung die dort entsteht einfach froh! Wir könne darüber reden, Vorschläge einbringen und daran gemeinsam arbeiten und das ist einfach cool!

Klingt aber auch so, als hättet ihr eine Menge Spaß gehabt bei den Aufnahmen. Wenn ihr die Situation hättet, dass jemand sagt: „Boah, lass mal das hier ausprobieren!“ und dann sagen alle: „Nee, nicht schon wieder“, dann funktioniert so was ja auch nicht!

Hundertprozentig! Wir haben bei nicht einem Song so einen Stress gehabt! Wir machen wirklich nur das, was wirklich passt! Aber wo du grad Spaß sagtest, wir haben ja auch eine MySpace Seite. Also wir haben „Abandon Hope kicks Ass“ und ich habe auch noch eine eigene Präsenz. Das ist mein Spitzname, wenn man mich ärgern möchte, dann nennt man mich „Humshorn“. Wenn du das bei MySpace suchst, dann siehst du Jörg Holzhauer live in Action in einem Video. Das sind noch Aufnahmen zu unserer ersten Vier-Track-Promo. Da haben wir richtig Spaß gehabt! Die musst du dir mal anschauen. Wir wollten die mal zu Bifi schicken, weil sich Jörg nur von Bifi Roll ernährt. Das ist der absolute Hammer! Der kennt jede Bifi-Werbung auswendig. Der ist so ein wichtiger Typ und so witzig! Normalerweise ist der auch von der Arbeit her ein völlig anderer Typ als ich, aber das entwickelt sich halt. Und ich bin so froh, dass ich ihn einfach zu meinen besten Freunden zählen kann! Der ist so lustig!
Der ist ein richtiger Künstler! Der hat so viele Dinge im Kopf, sonst käme der auch nicht auf solche Sachen wie „World of Hurt“. Er setzt sich für Schwache ein und so weiter. Für mich ist Jörg einer der absolut gradlinigsten Menschen überhaupt. Der ist so beinhart.

Einschub: in den nächsten 35 Minuten wurde fleißig über meinen Namen, den Umstand, dass Hommel gestern schon mal angerufen hatte und über den bisherigen Verlauf des Gesprächs diskutiert, sowie über meine typischen Standardfragen am Ende eines jeden Interviews, bei denen vor allem Jared Diamond, Nutella, Hommel’s zukünftige Ehefrau und Josephine Baker diskutiert wurden. Am Ende wurde der Rekord für die Länge eines Phoner-Interviews deutlich gebrochen (92 Minuten) und wir freuten uns schon beide auf das nächste Gespräch. Vielleicht wurde ja auch einiges von der Band-Philosophie auf euch Leser übertragen! Danke, dass ihr bis hier her gekommen seid, wenn ja, dann seid ihr echt „Metal“ ;-)
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