Der russische Feuersturm


Interview mit Tvangeste
Black Gothic Metal aus Russland
Nach dem zunächst skeptischen, dann interessierten und zuletzt faszinierenden Eindruck, den TVANGESTEs Zweitwerk "Firestorm" bei mir hinterlassen hat, kam ich nicht drumherum, ein wenig mehr über die russische Band in Erfahrung zu bringen. Also schnappte ich mir kurzerhand Frontmann Miron und stellte ihm ein paar Fragen. Die Antworten dazu findet ihr im folgenden Text und hoffentlich lernt ihr dadurch die Band ein wenig besser kennen.

1. Lasst mich euch zunächst unseren Lesern vorstellen. Was bedeutet TVANGESTE und wie habt ihr letztendlich zueinander gefunden?

Hallo zusammen! Also: TVANGESTE wurde 1997 gegründet und seitdem haben wir viele positive Reviews und einige Awards erhalten. Unsere ersten ernstzunehmenden Schritte in der Metal-Welt machten wir mit „Damnation Of Regiomontum“. Diese CD wurde 2000 vom norwegischen Label Valgalder Records veröffentlicht und gab uns dank der guten Reaktionen die Chance, unser neuestes Werk „Firestorm“ zu produzieren. Wir haben wirklich hart daran gearbeitet, das war ein echt schwerer Weg.
Vor langer Zeit, im 12. Jahrhundert begannen die Christen mit ihrer Reise durch das preußische Land. Ja, es war einer dieser weiteren blutgetränkten Kreuzzüge, um „wahre Liebe“ und den „wahren Gott“ zu den Barbaren zu bringen. Tvangeste war eine kleine Siedlung, die 1255 von den teutonischen Rittern zerstört wurde. Dort gab es eine Burg mit dem Namen Königsberg und dies ist die Stadt, in der wir leben, die wir lieben und die den Geist unseres großen Landes verkörpert.

2. Ist es schwierig, in Russland Metal Fan zu sein?

Nein, eigentlich ist es für mich recht einfach, ein Metal Fan zu sein. Wir können uns die ganzen neuen CDs kaufen und lange Haare sind kein Problem (in meiner Schulzeit allerdings schon, blöde UdSSR-Zeiten), es gibt also keine Beschränkungen für Metal Fans in Russland.
Allerdings sind die Bedingungen für Musiker ganz anders. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation haben russische Musiker nicht mal halb so viele Möglichkeiten wie westliche Künstler. Zum Beispiel ist es sehr schwierig, das Geld für eine gute Gitarre zusammenzukratzen. Eine gute Jackson oder Ibanez kostet ungefähr 1500 Dollar, und das bei einem durchschnittlichen Einkommen von 150 Dollar. Da muss man also 10 Monate arbeiten, darf aber dann nicht mal etwas zu essen kaufen. Westliche Musiker arbeiten einfach 1 bis 2 Monate bei McDonalds und kaufen sich dafür ein gutes Instrument.
Ähnlich ist es auch mit Studioaufnahmen (die kosten sogar noch mehr), so dass russische Musiker nicht besonders attraktiv für westliche Labels sind. Wir hatten echt Glück, das Geld zusammenzukriegen und mehr oder weniger gutes Demo-Zeug aufzunehmen.

3. Eure Musik wird oft mit CRADLE OF FILTH verglichen. Meiner Meinung nach passt das nicht wirklich zu eurem Stil. Seid ihr glücklich mit solchen Vergleichen?

Ich hasse einfach alle Vergleiche mit den Cradles. Verdammt noch mal, ich hasse einfach alle Vergleiche. Warum sagen die Leute nicht, dass Bachs Streicher sie an Mozart oder Beethoven erinnern? Das ist so eine dumme Angewohnheit des menschlichen Verstandes, alles vergleichen zu müssen. Ich bevorzuge es, der Musik zuzuhören.
Wie bei allen Vergleichen habe ich aber ein großartiges Heilmittel: Nehmt einfach eine CRADLE OF FILTH CD, hört euch 1 bis 2 Songs an und legt danach die TVANGESTE-CD ein! Ihr werdet merken, dass es die größten Unterschiede gibt. Diese ganzen Vergleiche gibt es nur wegen unserem Label, welches uns als CRADLE OF FILTH und THERION Mix beschrieben hat. Sicherlich erinnert meine Stimme manchmal an Dani’s, aber bitte: Hört euch seine Vocals an und findet heraus, wie anders er klingt!
Natürlich unterscheidet sich auch die ganze musikalische Struktur, das Feeling ist anders und auch die Lyrics variieren. Eigentlich sind wir zu verschieden, um miteinander verglichen zu werden.
Aber andererseits kann ich es auch verstehen, dass Newcomer immer mit solch bekannten Musikern verglichen werden.

4. Wie lange dauerten die Aufnahmen für „Firestorm“? War es schwierig, all diese unterschiedlichen Elemente zu managen?

Oh ja, das war wirklich harte Arbeit. Es dauerte ungefähr ein Jahr, alles zu schreiben, aufzunehmen und zu mixen. Das schwierige daran war, dass es unsere erste Erfahrung mit einem Live-Orchester war und ebenfalls das erste Mal in einem auswärtigen Studio aufgenommen wurde (in Polen im bekannten Selani Studio, das auch schon mit VADER und BEHEMOTH zu tun hatte). Es gab also sehr viele Ersterfahrungen, so dass es nicht ganz so einfach war.

5. Wie war denn die Arbeit mit dem Baltic Symphonic Orchestra?

Das war wirklich aufregend. Wie gesagt war es ja das erste Mal für uns mit einem Orchester zu arbeiten. Naturelle und Katja (Violine) haben die ganzen Notenblätter vorbereitet (insgesamt waren es so ca. 300).
Ehrlichgesagt war es schon immer ein Traum von mir, ernsthafte Musik für ein Orchester zu schreiben. Ich glaube zwar nicht, dass „Firestorm“s klassische Elemente genau das sind, was ich schon immer machen wollte, aber diese Arbeit verhalf uns zu vielen unersetzlichen Erfahrungen und nun weiß ich, dass wir dazu in der Lage sind, weitaus komplexere klassische Elemente in professionellem Gewand aufzunehmen.
Nachdem wir fertig waren, gaben wir das fertige Material ein paar Orchester-Musikern und bekamen sehr positive Reaktionen, und das machte mich wirklich stolz.

6. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie ein typischer TVANGESTE-Song entsteht. Ist es nicht sehr schwer, solch komplexe und ungemütliche Songs zu schreiben?

Verdammt, ich kann mir das auch nicht vorstellen. Unser Hauptziel ist die Kreation von interessanten und komplexen Kompositionen. Dabei versuchen wir, Wiederholungen zu vermeiden. Jeder Teil eines TVANGESTE-Songs ist einzigartig und wiederholt sich nicht mehrere Male. Ich mag es, Musik wie einen gedanklichen Pfad durch einen Wald erscheinen zu lassen. Und der Hörer läuft auf diesem Pfad und weiß nie, was ihn nach der nächsten Biegung erwartet.

7. Die Lyrics von „Firestorm“ basieren auf einer alten Legende. Kannst du uns ein wenig mehr über diese Geschichte erzählen?

Die Songs auf „Firestorm“sind wie eine einzige lange Geschichte. Wir haben versucht, die Texte interessant und intelligent zu gestalten. Die Hauptidee dabei war es, zwei unterschiedliche Richtungen miteinander zu verbinden. Zum einen wäre da die Trauer nach dem großartigen preußischen Land, das ja im 12. Jahrhundert von den Christen zerstört wurde, zum anderen verfolgen wir die Idee eines starken und freien Geistes und dem wahren Platz von uns Menschen auf dieser Welt. Es geht also nicht nur um eine alte Legende, sondern auch um ernste Themen.

To be or not to be –
There’s no such question!
To be! But to be WHAT?

A weak-willed sheep that’s taken to the slaughter house
Or a proud wolf
Whose heart is filled with freedom?

What’s in your eyes, Human?
Fear or Rage? Blind Submission or Resistance?

Love and respect your friends
And let your enemies die!


Unsere Texte sind ein sehr wichtiger Teil unseres Albums, seit wir uns entschieden haben, “Firestorm” ein Konzept zu geben. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn unsere Fans die Lyrics (insbesondere „Storm“ und „Godless Freedom“) aufmerksam lesen würden.

Every sheep needs a shepherd
Every shepherd needs a sheep for his flock.
They are walking to the horizon of their ideas
Trampling the sprouts of freedom and despising pride

But rise above the Earth and you will see
WHERE this herd is heading …
It’s heading to the precipices


8. Du scheinst ein recht normaler, harmloser Typ zu sein, Miron. Woher kommt dann diese echt fiese Stimme?

Haha, verdammt, visuelle Tricks können ganz schön täuschen. Eigentlich bin ich ja gar nicht so harmlos. Ich betreibe seit 1989 Martial Arts und trainiere seitdem jeden Tag sehr hart. Auch bin ich nicht wirklich ein ruhiger Typ. Klar kann ich nicht den ganzen Tag mit einem wütenden Gesichtsausdruck heraumlaufen, das wär ja auch blöd, aber auf Videos, bei Live Shows und besonders bei Studioaufnahmen wandelt sich meine Verfassung ins Extreme. Ich gehe voll in den Songs auf und deshalb kann man da mein „böses“ Gesicht und eigenwillige Bewegungen beobachten.
Wegen der Stimme: Ich würde nicht soweit gehen, meine Sounds als „Stimme“ zu bezeichnen, es sind einfach nur wahnsinnige Schreie. Ich denke nicht, dass jedermann so wie ich oder wie Shagrath zum Beispiel schreien kann. Das scheint wohl eine Art angeborene Fähigkeit zu sein, so richtig kann ich es auch nicht erklären. Ich fühle einfach die Musik und meine Stimme und versuche, beides miteinander verschmelzen zu lassen.

9. Warum habt ihr euch dazu entschieden, euer Album „Damnation Of Regiomontum“ auf eurer Website komplett als Download zur Verfügung zu stellen?

Das war halt unser Debüt Album. Es wurde von unserem Geld aufgenommen und wir haben es ins Netz gestellt, um Labels auf uns aufmerksam zu machen. Und scheinbar war es auch erfolgreich, schließlich haben uns Valgalder Records so gefunden. Wir haben es einfach online gelassen.

10. Wie stehen die Chancen, euch auch mal in Deutschland zu sehen? Was würde uns denn da erwarten?

Unsere Liveshows sind wirklich sehr interessant. Wir wollen nicht nur ein einfaches Metal Konzert machen, sondern mehr eine Art Metal Theater Show mit Feuer, Dekorationen, Pyrotechnik, Lichteffekten, Tänzern, Martial Arts-Einlagen usw.
Leider sind wir momentan nicht in der Lage, auf Tour zu gehen. Wir haben zwar ca. 5 Einladungen von unterschiedlichen Konzertagenturen und ich würde wirklich sehr gerne in Deutschland spielen, da ich dort viele gute Freunde habe, aber wegen Passproblemen können wir das nicht annehmen.
Ein weiteres großes Problem ist unser Gitarrist, der momentan wegen eines Mordes im Knast sitzt. Es war eindeutig Notwehr und wir erwarten einen Freispruch, aber dennoch kann er dort im Moment nicht raus und wir werden unseren Freund nicht im Stich lassen.

Vielen Dank für deine Antworten und für die Möglichkeit, eure Musik erleben zu dürfen.

Danke für deine Chance, TVANGESTE euren Lesern vorstellen zu können. Ich bin überzeugt, dass wir viele gute Freunde in Deutschland finden werden und lade hiermit alle ein, unsere Homepage www.tvangeste.com zu besuchen. Dort könnt ihr drei komplette Songs unseres neuen Albums in CD-Qualität herunterladen. Außerdem gibt es noch haufenweise Videos, Bilder und Informationen. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, dann schreibt einfach an post@tvangeste.com! Alle eure Fragen werden garantiert beantwortet.

Tears will wash off blood from my blade
The raindrops will extinguish the fire of hatred in my heart
And with the pure sense of a free man
I will head for Eternity via the path of Glory …
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