NEAAHHHH!


Interview mit As I Lay Dying
Metalcore aus USA - San Diego, CA

Kaum sind „The Powerless Rise“ und die Sommerfestivals richtig verdaut, bereisen die kalifornischen Modern-Metal-Workaholics AS I LAY DYING wieder deutsches Terrain. Der Tourkoloss, außerdem bestehend aus (East)Germany's Finest HEAVEN SHALL BURN, den erfolgreichen Rumpelcore-Chaoten SUICIDE SILENCE und den Thrash-Experten DEW-SCENTED, sorgt allerorts für helle Begeisterung und ausverkaufte Häuser – so auch am heutigen Tage in Köln. AILD-Frontcharmeur Tim Lambesis findet trotz der ganzen Aufregung einen Augenblick Zeit, um dem Bloodchamber-Interviewteam Basti und Yvonne im Tourbus Rede und Antwort zu stehen. Der sympathische Tim erweist sich als sehr angenehmer Gesprächspartner und plaudert locker über die Tour, verbotene Circlepits, das aktuelle Album und natürlich über...Arnie.

Basti: Wie läuft die Tour bislang? Was hälst du von den anderen Bands?


Tim: Bisher ist es eine großartige Tour. Wir teilen uns diesen Bus mit SUICIDE SILENCE, demnach haben wir uns auch sehr gut angefreundet. HEAVEN SHALL BURN kennen wir schon länger. Unsere erste Tour mit ihnen war ungefähr 2005, denke ich. Wenn man befreundet ist, ist das Touren natürlich auch angenehmer. Bis jetzt haben wir schon verschiedene tolle Shows hinter uns – die in Deutschland sind definitiv die größten. Mal sehen, wie es weiter geht...

Ist es für euch etwas Besonderes, mal nicht Headliner zu sein? Ändert ihr dadurch etwas an eurem Auftritt? Vielleicht nimmt das ja auch ein wenig den Druck und man probiert mehr aus auf der Bühne.

Eigentlich ist es sehr angenehm, weil man sich nicht darum Sorgen machen muss, dass die Leute müde werden oder vorzeitig die Halle verlassen. Wir spielen aber den gleichen Set wie als Headliner auch.

...also gibt es keine Experimente oder alternative Songe, zum Beispiel von AUSTRIAN DEATH MACHINE?

Nein, nein, wir haben nur zwei Songs vom neuen Album mit ins Programm genommen, die wir vorher nie gespielt haben.

In diesem Sommer seid ihr auf zahlreichen Festivals in Deutschland gewesen (Vainstream, Rock am Ring, With Full Force) Wo hat es euch am besten gefallen und warum?

Ich verwechsle immer Rock am Ring und Rock im Park...beides sind tolle Festivals. Die schönsten Erinnerungen haben wir aber an die Show beim With Full Force. Da das unsere letzte Show auf der Tour war, hatten wir Backstage viel Spaß. Alles in allem war es eine großartige Erfahrung. Wir haben viele Freunde getroffen und neue kennen gelernt.

Ich habe euch bei Rock am Ring gesehen. Findet ihr es problematisch, vor einem Pulikum zu aufzutreten, das möglicherweise eher wegen Bands wie The GOSSIP oder JAY-Z angereist ist?

Ein bisschen unangenehm war das schon, da wir nicht die begeisterten Reaktionen auf unsere Musik bekommen haben, wie sonst, und erst recht nicht wie die anderen Bands dort. Aber man kann die Leute auch dazu bewegen, ihre Meinung zu ändern. So können wir auch Leute erreichen, die sonst nicht die Chance haben, harte Musik zu hören.

An dem Tag haben auch noch andere Bands gespielt wie LAMB OF GOD, STONE SOUR, SLAYER. Das ist doch dann eher das Publikum, das ihr von anderen Auftritten kennt...

Dadurch haben wir uns auch wohler gefühlt. Viele Leute sind auch neugierig und kommen von einer der anderen Bühnen rüber.

Es liegt in den Händen der Veranstalter, ob Crowdsurfer, Circle Pits oder Wall Of Death bei einem Festival erlaubt sind. Findet ihr das in Ordnung? Wie würdet ihr als Band das Problem lösen, wenn diese Dinge nicht erlaubt sind?

Wir haben viele solcher Shows gespielt, und meistens ist das auch irgendwie merkwürdig. Sicher gibt es eine große Anzahl von Fans, die nur Zuhören und die Band anschauen wollen. Das Einzige, was wir als Band in dieser Situation für das Moshen tun können, ist zum Beispiel die Leute zum Hüpfen zu bringen. Es ist nicht einfach, da wir als Band auch die Energie des Publikums spüren. Bei solchen Shows kommt oft weniger Energie und Atmosphäre zu uns rüber – deswegen machen sie irgendwie auch weniger Spaß.

In Wacken waren dieses Jahr Crowdsurfer erlaubt, Circlepit und Wall of Death aber nicht. Bei Rock am Ring war es genau umgekehrt – dort durfte man nicht Crowdsurfen, aber Circlepit und Wall of Death machen...

Es hat wahrscheinlich mit der Versicherung und ähnlichem zu tun. Die Leute haben Angst, verklagt zu werden. Eigentlich wollen die Promoter und die Veranstalter der Festivals diese Art von Regeln nicht, müssen sie aber machen, weil sie in Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht haben – zum Beispiel, dass jemand Geld haben wollte, weil er verletzt wurde.

Lass uns über euer aktuelles Album „The Powerless Rise“ sprechen. Ich habe gelesen, dass euer Bassist Josh Gilbert erstmals stark ins Songwriting eingebunden werden konnte. Welchen Einfluss hatte er auf die Arbeit am neuen Album?

Josh hatte Einfluss auf die härteren und schnelleren Songs wie „Beyond Our Suffering“. Sein Input hat uns geholfen, diese Songs auf ein neues Level zu bringen. So sind sie zu den intensivsten Songs auf dem Album geworden. Phil (Sgrosso, AILD-Gitarrist...Anm.d.Verf.) versteht sich mehr auf die melodischeren Songs.

Warum ist „The Powerless Rise“ eurer Meinung nach noch ein Stückchen besser als „An Ocean Between Us“? Oder ist das vielleicht gar nicht der Fall?

Das ist ein subjektives Statement. Es kommt ganz auf den Hörer an: Viele unserer Fans denken, dass das neue Album das Beste ist, andere meinen aber, „An Ocean Between Us“ sei besser. Meiner persönlichen Meinung nach hat „The Powerless Rise“ mehr Tiefe als „An Ocean Between Us“. Man kann auch schlecht Song für Song miteinander vergleichen – man muss das Album als Gesamtes auf sich wirken lassen. Ich finde, „The Powerless Rise“ ist variabler, gerade in der Art, wie wir es geschrieben haben. Ich als Songwriter, der am Entstehungsprozess mitgewirkt hat, kann das aber nicht objektiv betrachten. Für mich als Künstler ist es definitiv die beste Performance.

Im letzten Jahr haben wir ein interessantes Interview mit Randy Blythe (LAMB OF GOD) über die DVD „Working Class Rock Star“ geführt. Er hat unter anderem einmal gesagt, dass „wer zu einem Label geht, zu einem Gebrauchsgegenstand wird“. Ihr seid als AS I LAY DYING ja für eine Metalband recht „groß“. Was hältst du von dieser Aussage? Liefert man sich als Musiker wirklich einem Label mehr oder wenig aus?

Es ist interessant, dass Randy das gesagt hat. Ich müsste ihm noch ein paar Fragen stellen, um den Hintergrund genau zu verstehen. Sie sind aktuell bei einem Major Label, also haben sie vielleicht andere Erfahrungen. (Lachend) Vielleicht haben sie einfach den teuersten Vertrag unterschrieben. Wir sind immer bei einem Independent Label geblieben und sind auch sehr stolz drauf.

Unter anderem erwähnt er, dass er (Stand 2009) noch immer keinen Scheck für das 2006er Album „Sacrament“ erhalten hat. Habt ihr ähnliche Erlebnisse mit Labels gehabt?

Nein, weil wir bei einem Independent Label geblieben sind. Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis mit unserem Label. Klar, gibt es immer Nachteile. Wenn du bei einem großen Label bist, hast du vielleicht mehr finanzielle Unterstützung, aber dafür ist einfach die Zusammenarbeit enger und es wird alles füreinander getan.

Also denkt ihr es ist besser für eine Metalband mit einem kleineren Independent Label zu arbeiten, als mit etwas Größerem wie beispielsweise Sony?

Das kommt darauf an, was man mit der Band machen will. Wir waren nie eine Band, die mal im Radio gespielt werden soll. Metalblade ist auch kein kleines Label, aber sie haben eben die Strukturen eines Independent Labels und müssen sich nicht immer vor ihren Aktionären verantworten. Wenn sie eine Entscheidung treffen wollen, haben sie persönlich die Macht diese Entscheidung durchzusetzen, während bei einem großen Label erst ein Komitee oder sowas in der Art zusammentreten muss.

Was macht für euch das „Leben“ als Musiker wertvoll? Um wirklich Geld zu verdienen müsst ihre eure Ansprüche bei Dingen wie Familie oder Hobbies sicher zurückschrauben? Ist es das eigentlich wert? Hilft euch euer Glaube und die religiös motivierten Texte dabei, das ganze Jahr über zu touren?

Also manchmal gelingt es mir die Familie auf Tour mitzunehmen, dann kann man die Zeit, in der ich eigentlich weg bin, ausgleichen. Oder sie kommen mal während der Tour vorbei, so dass ich sie nur zwei Wochen mal nicht sehe. Das macht die Sache schon einfacher, aber es ist natürlich immer noch schwierig. Aber auf der anderen Seite habe ich Bekannte zuhause, die sich in ihrem Job unwohl fühlen oder ihn sogar hassen. Wenn sie abends nach Hause kommen, sind sie voller Sorgen und können ihr Zuhause gar nicht richtig genießen. Wenn ich zuhause bin, fühle ich mich einfach wohl, mit dem was ich tue. Es ist dann einfach schön im Kreise der Familie zu sein, und sie hat mich auch immer unterstützt, bei dem was ich tue.

Hattest du irgendwann in deiner Karriere mal eine Phase, in der du gesagt hast: „Bis hierher und nicht weiter? Ich schmeiß alles hin?“ Wenn ja, was hat dir geholfen dennoch weiter zu machen?

Ich würde auch noch Musik machen, wenn ich überhaupt keine Karriere damit machen würde. Ich würde immer Songs schreiben und aufnehmen. Da ist kein Ende in Sicht. Vielleicht würden wir an einem bestimmten Punkt weniger touren, das könnte sein.

Also bleibt die Musik immer ein Bestandteil deines Lebens?

Ja, klar!

Was sagst du jungen Musikern, die eine Band mit der Einstellung gründen, irgendwann einmal Geld damit verdienen zu wollen?

Macht Musik, weil ihr es liebt! Um erfolgreich zu werden, musst du immer hart arbeiten. Egal, ob du eine kleine Band bist oder Millionen Dollars damit verdienst, du musst es einfach lieben Musik zu machen, da gibt es keine andere Motivation.

Was muss eine Metalband im Jahr 2010 den tun, um erfolgreich zu sein? Vielleicht auch in diesem Genre?

Das ist eine gute Frage. Aktuell kann ich das gar nicht sagen. Wir haben vor zehn Jahren ungefähr angefangen. Seitdem haben sich die Verhältnisse und das ganze Drumherum einfach total verändert. Schlussendlich ist es einfach wichtig, etwas Eigenes aufzunehmen und möglichst schnell zu touren.

Würdest du denn sagen, es ist heutzutage eher einfacher oder schwieriger – vielleicht auch aufgrund undurchsichtiger Labelpolitik?

Ich denke, es ist jetzt wohl ein wenig schwieriger. Es gibt ja auch so viel Konkurrenz, weil es auch einfacher ist, etwas aufzunehmen. Man kann sich für 100 Dollar Software kaufen und eine billige Aufnahme machen, die dann aber im Endeffekt nicht so gut ankommt, weil man heutzutage einfach ein richtiges Qualitätsprodukt abliefern muss. Wenn du mal bei uns schaust, was für ein Unterschied zwischen der Soundqualität – also nicht bei den Songs, nur die Aufnahme – herrscht. Das ist ja was ganz anderes.

Da fällt mir eure „First Recordings“-CD ein. Vielleicht soll sie ja den Leuten zeigen, wie so etwas mal anfängt…

Die Dinge werden sich immer verändern, aber eine Band kann immer nur das Beste tun, was sie kann, in der Zeit, in der sie grade lebt. Jedes Album ist ein Schnappschuss von dem, was wir in diesem Moment gerade gemocht haben. Auch wenn ich mir die „First Recordings“ anhöre, bin ich noch stolz darauf, weil ich weiß, dass es damals das für uns Beste war. Viele Menschen haben Tätowierungen, die ihnen irgendwann nicht mehr gefallen. Ich persönlich schäme mich nicht für meine alten Tätowierungen, wenn du verstehst was ich meine. Sie erinnern mich an die Zeit, in der ich 16 oder 18 Jahre alt war und daran, dass diese Dinge in der damaligen Zeit für mich einfach wichtig waren.

Also hast du keine „schlechten Tätowierungen“?

Nein, hab ich nicht! Weil ich genau weiß, dass sie ein Schnappschuss dessen sind, was mir damals wichtig war!

Yvonne: Der Gig hier ist ja ausverkauft. Habt ihr erwartet, dass die Tour so erfolgreich wird?

Wir wussten, dass wir gut mit HEAVEN SHALL BURN zusammen passen. Das war eine gute Entscheidung des Tourmanagers und allen, die damit zu tun hatten. Also hatte ich schon gewisse Erwartungen und bin daher nicht so überrascht, aber sehr zufrieden.

Ich habe noch eine Frage etwas abseits von AS I LAY DYING. Wird es mal eine Tour von AUSTRIAN DEATH MACHINE geben?

Ich habe ein paar kleine Touren in den USA gemacht, aber es ist so schwer für mich, Zeit dafür zu finden. Seit der Veröffentlichung von „The Powerless Rise“ beschäftige ich mich erstmal mit AS I LAY DYING. Sollte ich mal etwas mehr Zeit finden, könnte man sich wieder anderen Dingen widmen.

Basti: Denkst du es gibt noch immer Material für neue Arnie-Songs? Du hast schon so viele Filme genutzt…

Ja, da gibt es auf jeden Fall noch was, und es macht mir auch total viel Spaß, was zu suchen. Sein bekanntester Spruch ist ja „I’ll be Back!“, und da habe ich noch gar keinen Song zu geschrieben. Da gibt es ja Hunderte von Zitaten. Also denke ich, da ist mehr Material, als ich je nutzen kann.

Das ist echt lustig, weil wir die Filme so sehr mögen. Zum Beispiel „Total Recall“ mit dem Part „See you at the Party, Richter“! Das ist im Song fantastisch umgesetzt!

Danke! “Total Recall” ist auch mein Favorit.

Und „Predator“ natürlich. Die letzten 15 Minuten, in denen Arnie nichts sagt und nur den Predator bekämpft.

Ja, aber es ist ja auch schon total lustig, wenn Arnie überhaupt nichts sagt und nur seine typischen „NEAAHHHH“ Geräusche macht!

„NEAAHHHH“! Okay, danke! Keine weiteren Fragen.

Ich danke euch auch!

Livefotos von Yvonne
ShotAlive
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