Das Tüpfelchen auf dem i


Interview mit Nightrage
Melodic Death Metal aus Schweden - Göteborg
Wenn es einen Griechen gibt, der mit Zuverlässigkeit auftrumpfen kann, ist es wohl Marios Iliopoulos, der ungeachtet jeglicher Besetzungsturbulenzen seit der Gründung von NIGHTRAGE alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht. In unserer Redaktion hat er sich dank der Qualität der Veröffentlichungen schon einige Freunde gemacht, da ist es fast schon selbstverständlich, dass auch im Rahmen des neuesten Werks, “Insidious“ ein paar Fragen gestellt werden, die er zusammen mit Sänger Antony Hämäläinen auf der kürzlich absolvierten „Frets Of Fury“ Tour in den USA (mit FIREWIND, ARSIS und WHITE WIZZARD) beantwortet hat. An manchem Punkt offenbaren sich dabei leider wieder zwei Schwächen von Mailinterviews, wenn Frage und Antwort am zentralen Punkt nicht deckungsgleich sind und nicht nachgefragt werden kann, lesenswert sind die Antworten der beiden aber allemal.

Hallo Marios, ich hoffe, euch geht es gut auf der Frets of Fury Tour, du hast aber dennoch Lust, ein paar Fragen zu beantworten.

Marios: Hey! Bisher geht es uns richtig gut auf der Tour. Heute Abend spielen wir im Slims in San Francisco und das ist eine großartige Location. Wir haben bis jetzt sehr gute Shows gespielt und alle Bands und die Crew sind sehr nett. Zudem sind die Reaktionen der Fans sehr gut.

Wenn man die Geschichte von NIGHTRAGE betrachtet, seid ihr einerseits eine der verlässlichsten Bands, die alle zwei Jahre ein neues, sehr gutes Album rausbringt, auf der anderen Seite ist „Insidious“ das erste Album der Band, das mit dem gleichen Line-up wie der Vorgänger eingespielt worden ist. Wie passt das zusammen?

Marios: Naja, die Jungs, die jetzt in der Band sind, fahren richtig auf das ab, was wir machen, und brennen für die Musik, die wir spielen. Das erste, was uns verbindet, ist also die Liebe zur Musik von NIGHTRAGE. Ich bin sehr froh, dass ich einige Musiker mit der richtigen Einstellung gefunden habe, die den NIGHTRAGE Traum teilen und verfolgen wollen. Wir sind ein gutes Team bei der Arbeit und uns fallen immer Sachen ein, die allen in der Band gefallen.

Was sind für euch die Hauptvorteile daran, ein stabiles Line-up zu haben?

Antony: Hauptsächlich ist es das Vorhandensein von einer bestimmten Chemie bei den Aufnahmen und Liveauftritten. Wir spielen jetzt seit fünf Jahren zusammen und jeder kennt die spielerischen Möglichkeiten der anderen. Das führt zu besseren Alben und besseren Shows.

Wie sieht der Alltag von einer Band aus, deren Mitglieder in verschiedenen Teilen Europas leben? Wie macht ihr das mit dem Proben zum Beispiel – oder wird nur zur Vorbereitung auf eine Aufnahme oder Tour zusammen geprobt?

Antony (lachend): Eine Menge E-Mails jeden Tag!
Vor Shows proben wir tatsächlich, normalerweise am Tag vor einem Festivalauftritt oder einer Tour. Das ist nicht so schlecht, wie es vielleicht scheint.

Viele der Melodic Death Metal Bands aus Schweden (oder mit einer Verbindung zu Schweden) haben ihren Klang mit der Zeit mehr oder weniger drastisch verändert, IN FLAMES zum Beispiel. Obwohl die Mitglieder ganz unterschiedliche Wurzeln haben, sind NIGHTRAGE heutzutage näher am „Originalsound“ als dessen Begründer. Fast schon ironisch, oder?

Marios:
Ja. Wir versuchen immer, Musik zu schreiben, die direkt aus unseren Herzen kommt, ohne über andere Möglichkeiten nachzudenken, wie zum Beispiel wie sich unsere Musik am besten verkaufen lässt oder wie man die angesagte Trendband des Jahres wird. So eine Band sind wir nicht, und was du von uns hörst und hören wirst ist die Musik, die wir als Metalfans selbst auch hören wollen. Dass wir Musiker sind, macht uns nicht besser als andere Menschen. Wir wollen die beste harte und melodische Musik machen, ohne über andere Wege nachzudenken, wie wir sie attraktiver gestalten könnten.
Vielleicht haben sie sich in der Band, die du genannt hast, gelangweilt oder sie wollten andere musikalische Ideen ausloten. Ich weiß es nicht und es interessiert mich, ehrlich gesagt, auch nicht, wenn sie letztendlich wie eine Popband klingen wollen. Was ich weiß ist, dass ich es Liebe, Metal zu spielen und das wirst du auch weiterhin von NIGHTRAGE zu hören bekommen.

Kommen wir mal zum neuen Album. Worauf bezieht sich der Titel „Insidious“ (heimtückisch, hinterlistig)? Wer oder was ist hinterlistig?

Antony: Ich hab diesen Titel schon lange im Kopf. Er vereint praktisch fast alle Texte des Albums in einem Wort. Im Grunde genommen werden Geschichten aus dem realen Leben erzählt. Wie Menschen im Inneren böse sein können.

Gibt es eine Verbindung zwischen dem Cover und dem Albumtitel? Ich könnte mir etwas vorstellen wie das Abnehmen einer Maske…

Antony: Da hast du ein gutes Auge gehabt! Ja, wir haben dem Künstler gesagt, er soll ein Cover machen, das auf dem Titel basiert. Meiner Meinung nach hat er die Stimmung des Titels mit dem Bild perfekt eingefangen.

Das Thema ist vielleicht ausgelutscht, aber was ist deiner Meinung nach die Faszination, die von Schädeln ausgeht? Oder gibt es gar nichts Besonderes, sondern sie dienen mehr als Ansage, so dass man weiß, was einen erwartet, wie zum Beispiel bei einem Krieger oder Ritter auf dem Cover eines Power Metal Albums?

Antony (lachend):
Keine Ahnung, am Ende landen wir immer einfach immer bei ihnen. Wir sind nun mal in erster Linie eine Death Metal Band, deshalb sind Tod und Depression das Hauptthema in all unseren Liedern. Es passt also einfach zur Form.

Ich liebe die „Solar“-Trilogie am Ende des Albums und denke auch, dass sie dem Album eine zusätzliche, andere Atmosphäre verleiht. Liege ich richtig mit der Annahme, dass das einer der Gründe war, sie zu schreiben und auf das Album zu packen (und sie außerdem ans Ende zu stellen, damit sie den Fluss des Albums nicht unterbricht)?

Marios: Dieses Lied ist etwas besonderes, das ursprünglich als reines Instrumental angefangen hat. Dann hatte ich die Idee, Tom von EVERGREY zu bitten, ein paar Zeilen zu singen, und so von dem Instrumentalcharakter wegzugehen. Außerdem spielt Gus G. (FIREWIND) zwei tolle Solos und ein anderer Kumpel, John K. von BIOMECHANICAL, hat sich um „Solar Eclipse (Prelude)“ und „Emblem Of Light (Outro)“ gekümmert, die die Instrumentaltrilogie vervollständigen. Beim eigentlichen Lied, „Solar Corona“, hat mir mein Kumpel George Baharidis (u.a. Sänger bei BREAKING SILENCE, aber auch z.B. Regisseur diverser Videotrailer etc.) bei der Orchestrierung geholfen. Und ja, wir wollten, dass die letzten Lieder das Album ein bisschen ruhiger machen und ihm eine zusätzliche Stimmung verleihen.

Du hast ziemlich regelmäßig Gastmusiker, die den NIGHTRAGE Alben etwas hinzugeben, und, um bei der „Solar“-Trilogie zu bleiben, die wenigen Zeilen von Tom und die Gitarre von Gus sind in meinen Augen ein perfektes Beispiel für eine Win-win-Situation bei einem Beitrag von Gastmusikern: Ihre Handschrift hat Wiedererkennungswert, bereichert aber auch das Album. Gibst du den Gastmusikern irgendwelche Richtlinien für ihre Beiträge?

Marios: Die beiden sind einfach richtig gute Freunde von uns, es war also nicht schwierig, sie nach einem Gastbeitrag auf dem neuen Album zu fragen und ihre eigene Note einzubringen. Außerdem war der Fakt, dass einige Lieder nach einer anderen Art von Gesang und anderem schreien, der Hauptgrund, die Jungs zu fragen, ob sie uns aushelfen. Meiner Meinung nach sind die Lieder, die wir geschrieben haben, so oder so richtig gut und wir haben die Gäste nicht dabei, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren oder Ähnliches. Es ging darum, die besten Lieder zu machen, und dann das Tüpfelchen auf das i zu setzen.
Für „Solar Corona“ haben wir Tom ein paar Vorgaben gemacht, andererseits hat er bei „Wrapped In Deceitful Dreams“ seine eigenen Ideen umgesetzt. Genauso haben Gus, Apollo (Papathanasio, Sänger bei FIREWIND & SPIRITUAL BEGGARS, Beiträge bei „Delirium Of The Fallen“ & „This World Is Coming To An End“), John K. und Tomas (“Tompa” Lindberg, Sänger bei AT THE GATES & LOCK UP, Beiträge bei “Insidious”, “Sham Piety” & “This World Is Coming To An End”) ihr eigenes Ding gemacht und für dieses besondere Etwas gesorgt, das wir auf dem neuen Album erreichen wollten.

Hast du einen Favoriten unter all den Gastbeiträgen an Gitarre, Keyboard und Gesang auf den fünf NIGHTRAGE Alben?

Marios: Ich würde sagen, Tom Englunds Performance bei „Circle Of Pain“ auf „Sweet Vengeance“ sticht heraus und hat das Lied genau so veredelt, wie ich es immer wollte, und noch darüber hinaus.

Antony: Für mich ist es Tomas Lindberg. Er ist einer meiner Helden, deshalb war es für mich fantastisch, einen Gastbeitrag von ihm nicht nur bei einem sondern gleich bei drei Liedern zu haben.

Bevor wir zum Ende kommen noch ein ernstes Thema, das mit Musik nichts zu tun hat. Ich kann mich zu meinen Lebzeiten an keine wirtschaftliche Krise in Europa erinnern, die so gravierend war wie die momentane Situation in Griechenland. Soweit ich weiß lebst du in Thessaloniki, also kannst du uns vielleicht auf einer etwas persönlicheren Ebene einen kleinen Einblick dazu geben, wie die Krise sich auf das tägliche Leben von dir, deinen Freunden oder Verwandten zu Hause auswirkt, selbst wenn du das gerade auf einer US-Tour liest.

Mario: Ja, es ist ganz sicher eine ernste Situation und zur Zeit ein großes Thema in Griechenland. Es sind vorher eine Menge Dinge passiert, die uns in diese ernste Lage gebracht haben, aber ich glaube, dass wir das überwinden werden und es am Ende bewältigen. Ich versuche, die ganze Sache optimistischer zu sehen und nicht wie das Fernsehen und die Medien sie uns präsentieren wollen. Ich glaube, dass wir letztendlich eine Lösung finden werden, weil niemand will, dass Griechenland das Geld ausgeht, denn das wird die Europäische Union sehr viel kosten, und das wollen sie letztendlich nicht.

Die letzten Worte überlasse ich dir:

Marios: Vielen Dank für das Interview und das Interesse an der Band. Ich hoffe, dass unseren deutschen Fans „Insidious“ gefällt und empfehle ihnen, es zu kaufen und so NIGHTRAGE zu unterstützen. Ich freue mich schon darauf, euch alle auf den anstehenden Shows in Europa im Februar 2012 zu sehen!

(Gruppenbild von links nach rechts: Anders, Johan, Marios, Antony, Olof)
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