Die Liebesdiener


Interview mit The Black Dahlia Murder
Death Metal aus USA - Detroit, Michigan
Interview mit Trevor Strnad (v.) von THE BLACK DAHLIA MURDER am 01.03.2013 in Chemnitz im Südbahnhof für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz: www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Hi Trevor, wie läuft die Tour bisher?


Super. Die Tour ist ja nun auch schon fast rum und es lief toll für uns. Das Ziel war eindeutig, neue Fans zu gewinnen und auch ein bisschen unseren Namen etwas reinzuwaschen, indem wir vor einem Haufen Old School Death Metal Typen spielen. Die Reaktionen waren bisher gut, die Tour war erfolgreich.

Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, da THE BLACK DAHLIA MURDER ja immer noch in dem Verdacht steht, Metalcore zu spielen, und diese Band sind, wo der Sänger orange Shorts auf der Bühne trägt.

Viele Leute hatten immer noch ein falsches Bild von der Band und wir wurden schon in viele Genres eingeordnet. Eine Tour wie diese hier hilft uns dabei das richtigzustellen, in den USA hat die Tour mit CANNIBAL CORPSE das auch erreicht. Hier in Europa waren wir schon so oft Headliner, so dass eine Support-Tour auch mal ganz fein ist, um uns neuen Leuten zu präsentieren.

Kriegt ihr eigentlich in Europa noch mit, wo ihr euch gerade befindet, wenn ihr im Bus aus dem Fenster schaut oder wenn ihr die Fans seht oder ist es mittlerweile so, dass Metalfans in den Ländern sich alle gleichen?

Es ist erst mal ganz was anderes, wenn man in einem Van oder in einem Nightliner tourt. In einem Nightliner sieht man nicht viel, man schläft den ganzen Tag und in der oberen Etage gibt es nicht mal Fenster. Da ist man abgeschieden von dem Rest der Welt. In einem Van sitzt man während der Fahrt aufrecht und kann sich die Landschaft angucken. Ein wenig vermisse ich das schon.
Beim Publikum gibt es natürlich Unterschiede, einige Gegenden sind zurückhaltender als andere. Die Schweiz ist sprichwörtlich neutral und das spürt man auch beim Publikum, das sich eher zurücklehnt und wo man Mühe hat, es auf Touren zu bringen.

Seid ihr noch in Kontakt mit der realen Welt wenn ihr tourt? DISMEMBER sagten mal in einem Interview, dass man auf Tour in einer großen Blase leben würde. Das wäre gleichzeitig das Beste und Schlechteste am Touren, denn man hat den Spaß seines Lebens, aber gleichzeitig auch keinen Kontakt zur Außenwelt.

Das kann schon zu einer großen Belastungsprobe für eine Beziehung werden, wenn man wie ich in einer ernsthaften Beziehung ist. Da sollte man sich schon zusammenreißen, wenn man zu Hause ist, wo Death Metal kaum eine Rolle spielt. Auf Tour ist es anders, man hat nur Freunde um sich herum und jede Menge anderer Leute, die sich v.a. für die Musik interessieren. Du bekommst dieses Gefühl der Unverwundbarkeit: Du kommst in eine Stadt, alle warten schon auf dich und wollen dich spielen sehen. Es ist eine große Party und man zieht weiter in die nächste Stadt und braucht sich mit nichts Negativem beschäftigen.

Was vermisst du denn neben der Familie am meisten auf Tour oder vermisst du gar nichts mehr, denn ihr tourt ja fast acht Monate im Jahr?

Wir haben schon irgendwie eine Erfüllung in diesem Leben gefunden, auch wenn man natürlich einiges vermisst. Privatsphäre kommt dabei an erster Stelle, wir sind z.B. gerade mit zwei Bands in einem Bus unterwegs und es sind immer Leute um dich herum. Ich kann es gar nicht abwarten, zu Hause zu sein und einfach in Unterwäsche herumzulaufen.

Deswegen trägst du also nur Unterwäsche auf der Bühne.

Das ist eigentlich nur, weil es warm auf der Bühne ist.
Ich möchte dann einfach nur nach Hause gehen und ein Einsiedler sein. Ich habe auf Tour so viel Verantwortung für so viele Leute und rede mit so vielen Fans, überall sind Menschen um dich herum. Und wenn man dann nach Hause kommt, hat man gar keine Lust mehr auf irgendwen.

Alle zwei Jahre bringt ihr ein neues Album heraus, so auch dieses Jahr: „Everblack“ ist für den Juni angekündigt. Was können wir denn erwarten, ihr habt ja auch zwei neue Bandmitglieder seit dem letzten Album.

Oh ja, zwei neue Mitglieder und es geht schon gleich los. „Können sie noch mal ein gutes Album schreiben, sie haben Shannon und Bart verloren?“ In Wirklichkeit ist es bei uns eher eine Entwicklung, denn wir hatten schon viele Bandmitglieder. Die beiden Neuen sind super, sie sind ja nun auch schon einige Zeit in der Band. Das Album ist komplett aufgenommen, es hört sich super an und nun warten wir bis das Album herauskommt und die beiden Neuen endlich die Anerkennung dafür bekommen.
Wir haben aus „Ritual“ gelernt, die Songs sind noch stärker ausgearbeitet und wir haben auch wieder Streicher und Samples verwendet. Das hat uns bei „Ritual“ geholfen, eine Art Atmosphäre zu schaffen, und das haben wir jetzt auch mit herübergebracht. THE BLACK DAHLIA MURDER Fans werden es wieder mögen, ein sehr finsteres Album mit einem tollen Artwork. Nun heißt es warten, bis wir es enthüllen dürfen.

Wie passt dass Album denn in euer Diskographie? Du hast das Wort Entwicklung schon selbst erwähnt.

Wir sind immer noch eine melodische Band und versuchen immer noch, die alte Mischung aus Eingängigkeit und Brutalität herzustellen. Als Musiker haben wir uns natürlich von Album zu Album gesteigert und auch die Songs werden immer ein bisschen anspruchsvoller. Es ist halt eine Weiterentwicklung, da wir noch Kids waren, als wir die Band gegründet haben. Das Touren, die anderen Bands, das Hören von anderen Musikrichtungen und die Erfahrung haben natürlich die Band verändert, aber tief im Herzen haben wir immer noch das Ziel, die Alben konstant nach THE BLACK DAHLIA MURDER klingen zu lassen. Wir wollten schon immer eine Band wie CANNIBAL CORPSE sein, auf die die Fans sich verlassen können und genau wissen, was sie erwarten wird. Es ist eine Art Liebesdienst an den Fans. „Everblack“ ist wie die alten Alben, nur mit neuen Aspekten. THE BLACK DAHLIA MURDER 2013 – das beste aus beiden Welten.

Kannst du schon was zu den Texten sagen? Was inspiriert dich?

Es ist auf jeden Fall ein sehr makaberes Album wie „Ritual“, tief verwurzelt in typischen Death Metal Texten. Der erste Song geht direkt über den Black Dahlia Mordfall, über den wir noch nichts geschrieben haben, und er eröffnet das Album schon gleich sehr gut. Es gibt einen Song über „The Evil Dead“ [hier als Tanz der Teufel erschienen und auf dem Index, bjg], einer ist über Vergewaltigungen durch Bäume, wo Weinreben Vaginas hochkriechen. Also alles so Horrorthemen, auf die die Fans bisher am besten reagiert haben. Das haben wir versucht, auf jedem Album zu betonen, und es wird wieder viel Blut und Eingeweide geben. Für mich sind das so die klassischen Death Metal Texte und ich versuche so, unsere Fans heranzuführen. Wir haben auf jeden Fall viele Fans, die mit uns das erste Mal mit extremem Metal in Berührung kommen, und so versuche ich die Texte daran zu orientieren, was mir selbst mit 13 gefallen hat, als ich anfing Metal zu hören. Diese Atmosphäre, dieses Artwork, das soll es auch für uns sein. Ich selbst kann immer noch nicht genug davon bekommen und entdecke immer wieder neue Bands aus dieser Richtung. Wir versuchen da für die jungen Fans ein erster Anlaufpunkt zu sein.

Wie wichtig ist für euch denn der Begriff Spaß? Ihr scheint es auf der Bühne immer zu genießen und unterhaltet euch auch immer mit den Fans und habt Spaß an dem, was ihr tut. Es gibt da durchaus andere Bands...

Aber auch diese Bands haben ihren Spaß, denn Touren und mit seiner Musik Erfolg zu haben, ist Spaß. Und auch wenn BELPHEGOR immer mit verschränkten Armen dastehen, so haben sie doch Freude. Sie freuen sich daran, dass sie als BELPHEGOR erfolgreich sind. Das ist einfach ein anderer Ansatz, wir blickten immer zu The Big Four auf und guck dir ANTHRAX an, die haben immer Shorts getragen. Alle diese vier Bands mochten schon immer Punk, überall waren DEAD KENNEDYS Sticker und sie haben Punk gecovert. Da gab es noch nicht diese Regeln: Du musst lange Haare haben. Du musst so und so aussehen. There are rules, man. Für mich war Metal immer ein Ausbrechen aus den Regeln, ich hab es nie so gesehen und mich eigentlich immer lustig darüber gemacht. Versteh mich nicht falsch, ich mag solche Bands, die sich superfuckingseriously geben. Für uns ist das aber einfach nichts, wir sind da eher die Fans, die plötzlich in eine Band geraten sind. Damit sind wir aber auch sehr zufrieden, immer wieder Leute zu treffen und sich mit ihnen zu umgeben, die sich auch für Metal interessieren und tief im Untergrund verwurzelt sind.

Diese Musik ist mein Leben, sie macht das Besondere an meinem Leben aus. Als Kind und Jugendlicher hab ich mich nie für Sport oder sonstige Sachen interessiert, das gab mir nichts. Doch dann kam irgendwann der Metal … bzw. erst kamen die Rollenspiele und dann kam der Metal: „Es gibt Musik über Skelette und Drachen? Ich bin dabei.“ Das wechselte dann zum Death Metal, da ich ein großer Fan von Horrorfilmen und diesen amerikanischen Slashern bin. Es gab da diesen einen Jungen in der Nachbarschaft, dessen Eltern alles egal war: „Mach was immer du willst, aber stell nicht das Haus auf den Kopf“. Und da wir viel zu jung waren und alle diese Horrorfilme geguckt haben, hat das natürlich Auswirkungen auf mich gehabt. In der ersten Klasse hab ich schon Leute gezeichnet, denen der Kopf abgeschlagen worden ist (lacht), und ich habe meinen Eltern bestimmt ordentlich Sorgen gemacht. Meine Mutter dachte bestimmt immer, dass alle Death Metal Fans Massenmörder werden. Sie hat diese Art von Humor nie verstanden, dass das alles nicht so ernst zu nehmen ist wie enthauptete Zombies über andere enthauptete Zombies herfallen. Das ist doch reiner Spaß. Heutzutage stecke ich aber die Kinder von anderen Leuten damit an und meine Eltern haben es akzeptiert.

Ihr habt gleich das erste Album über Metal Blade veröffentlicht und seid dort mit der sechsten CD immer noch. Was ist das Besondere an diesem Label?

Sie haben schon von Anfang an ein gewisses Potential in uns gesehen, obwohl wir jung und sehr roh waren. Wir waren zu der Zeit einfach nur jung und wussten eigentlich nicht so recht, was wir gerade tun, aber Metal Blade haben irgendwas an uns gefunden, vielleicht der Hunger, den wir schon immer hatten. Sie haben uns von Anfang an ernst genommen, wir haben so viel wir konnten getourt, Metal Blade gefiel das und sie haben viel in uns investiert, was Werbung und so angeht. Wir hatten schon immer eine hervorragende Beziehung zum Label und den Krieg zwischen Label und Band, der bei vielen Bands ein sehr großes Problem ist, gab es bei uns nie. Vor ein paar Jahren lief unser Vertrag aus, wir haben aber sofort einen neuen unterschrieben, es gab keinen Grund das nicht zu tun.
Wir kennen doch sogar die Leute vom Label alle persönlich und wenn wir nach Los Angeles kommen, gibt es eine große Party. Das ist nicht wie bei anderen Plattenfirmen, wo man sich mit einem mysteriösen Typen per E-Mail austauscht. Das ist einfach eine super Beziehung mit Metal Blade und ich könnte mir gar nicht vorstellen bei einem anderen Label zu sein. Ich wüsste auch nicht, was wir von denen dann verlangen sollten, was wir nicht schon jetzt bekommen.

Um mich auf das Interview vorzubereiten, hab ich eine Menge anderer Interviews von euch gelesen und in einem Interview wird Brian [Eschbach, Gitarrist, bjg] darum gebeten, die Metalszene doch mal zu bewerten, und er meinte, dass er dies nicht könnte, da ihm die Perspektive von außen fehle. Hast du eine Meinung dazu?

(lautes Stöhnen) Es ist schwer, das in ein paar Sätzen zusammenzufassen.
Metal wird es immer geben, egal ob er bei Magazinen, Homepages, Kids oder bei wem auch immer gerade populär ist. Momentan ist Metal am Siedepunkt, aber die Popularität verläuft in Wellen. Zuletzt war Metal in den USA Anfang der 90er so beliebt, als Death Metal Bands wie OBITUARY 200.000 Kopien von einem Album verkauft haben. Das ist bis heute unerreicht.

Es gibt aber auch immer die Szene im Verborgenen, Brutal Death Metal und Underground Death Metal blühte schon immer und es kamen stetig neue Bands. Für das momentan populäre Zeugs interessiere ich mich kaum, die ganzen MESHUGGAH Klone oder die Bands von Sumerian Records, das sind nur irgendwelche Kiddies. Für mich muss Metal mindestens bis zu den Big Four zurückreichen und nicht erst bei SLIPKNOT anfangen. Das hat für mich einfach nichts mehr mit Metal zu tun, einfach die Gitarren runterzustimmen, Breakdowns aneinanderzureihen und ordentlich Bassdrum dazuzumischen. Das geht auf KORN zurück und hat nichts mehr mit Thrash Metal zu tun, geschweige denn mit klassischer Musik und intelligentem Songwriting. Das hat alles keine Substanz und geht bei mir in ein Ohr rein und aus dem anderen gleich wieder raus.

Währenddessen, während dieser ganze Kram so populär ist, muss man einfach nur ein bisschen tiefer graben und man findet eine ganze Welt mit neuen, talentierten Bands von Black zu Death Metal und allem was dazwischen liegt. Man muss nur tief genug eintauchen.

Eigentlich dachte ich mal, dass das Internet den Leuten helfen würde, den Horizont zu erweitern. Bei manchen hat es das auch, aber insgesamt... Auch wenn heutzutage niemand mehr für Musik bezahlt, gute Musik stehlen tut auch niemand. Ich dachte immer wenn alles kostenlos wäre, würden die Leute schon die gute Musik finden und diese anhören. NOPE (lacht) Same old shit.

Ich kann aber auch Brians Perspektive verstehen, dass er es nicht beurteilen kann oder will. Man kann v.a. auch gar keine Vorhersagen treffen. Vor zehn Jahren, als wir anfingen zu touren, hätte ich nie gedacht, dass es jemals die Angst geben würde, dass es keine physischen Kopien von Musik mehr geben würde. No way, you're talking crazy. Das ändert sich momentan alles so schnell. Auch die wirtschaftlichen Situation in den USA ist hart und das hat seine Auswirkungen auf die Szene, wenn weniger Geld für Alben und Konzerte da ist. Es ist ein Kampf ums Überleben eine Band zu führen, all diese wirtschaftlichen Dinge im Hintergrund, wo man immer wieder neue Möglichkeiten entdecken muss. Jahr für Jahr wird das komplizierter.

Auf unserer Website haben wir ein altes Interview von 2008 mit eurem alten Gitarristen John Kempainen, ein E-Mail Interview. Es liest sich so, als hätte er keine Lust gehabt, die Fragen zu beantworten.

(unterbricht) Das hört sich sehr nach John an. (lacht)

Wie sucht ihr die Bandmitglieder aus, die die Interviews machen?

Wie wir es zu der Zeit gemacht haben, da bin ich mir nicht sicher. Aber mittlerweile versuche ich mich aus diesen Gründen um den Großteil selbst zu kümmern. Irgendwann haben wir herausgefunden, wer sich wirklich Mühe gibt und wer nicht. Manche Leute sehen es einfach nicht in dem großen Zusammenhang, dass auch die Presse wichtig ist. Und das andere ist, dass manche Leute einfach nur flegelhaft sind. (lacht) Ich mag es, die Band nach außen zu vertreten, aber John wohl nicht so gerne … und wie du bemerkst, er ist nicht mehr in der Band. (lacht)

Zum Ende des Interviews kommt die härteste Frage. Du darfst dir nämlich ein Lied für die Radiosendung wünschen, irgendwas aus den Bereichen Metal, Hardcore und Punk.

PROTECTOR - „Retribution in darkness“ vom Album „A Shading of skin“. Good german Death Thrash for you.
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