Was zählt ist was die Band macht...


Interview mit Sonic Reign
Black Metal aus Deutschland
Nach ihrem offiziellen Einstand ''The decline Portrait'' war es an der Zeit, die beiden Köpfe hinter SONIC REIGN zum Interview zu bitten - ein kurzweiliges Gespräch über Musik, Gesellschaft und Propaganda...

1.Hallo Ben und Sebastian!
Sehr schön, dass ihr mitten im Debutstress zu ''Raw, dark, pure'' ein wenig Zeit für ein Interview findet. Wie ist denn diesbezüglich der momentane Stand im Hause Sonic Reign?


Die Songs stehen abgesehen von Kleinigkeiten soweit. Es fehlen auch noch ein paar Texte. Wir arbeiten derzeit am Feinschliff. Das Material ist mit grossem Abstand das Beste, dass wir je geschrieben haben.
Es wird auf ''Raw, dark, pure'' insgesamt acht Songs mit einer Laufzeit von 40-45 Minuten geben. Die Musik ist deutlich aggressiver, kraftvoller und dunkler geworden. Wir haben uns als Songwriter in den letzten drei Jahren einfach weiterentwickelt.
Die Aufnahmen sind für den Zeitraum von April bis Juni geplant. Sebastian hat sich die letzten drei Jahre intensiv mit Studiotechnik beschäftigt und mit einem Freund ein richtiges Studio aufgebaut.
Wir haben also alle Zeit der Welt, um mit den Sounds experimentieren zu können, bis wir zu einhundert Prozent zufrieden sind.

2.Nun habt ihr ja vor gerade einmal vier Monaten über SCR eure 2002er ''The decline Portrait''-EP re-released. Was war der Antrieb für die Neuauflage und wie ist es überhaupt zu Kontakt und Vertrag mit SCR gekommen?

Wir haben ''The decline Portrait'' in dem Sinne nie richtig released. Es gab nur eine CD-R Version, die wir einigen Leuten verkauften. Einer der Käufer meldete sich kurz darauf per email und meinte, er habe Kontakt zu SCR und hätte Robby schon auf uns aufmerksam gemacht. Wir schickten eine CD hin und SCR zeigten sich begeistert.
2004 unterzeichneten wir nach längerem hin und her schliesslich einen Deal über die Veröffentlichung von ''TdP''. Wir wollten die CD einfach nochmal in einer qualitativ vernünftigen Version veröffentlicht haben.
Mit dem Bonustrack ''raw, dark, pure'' ist sie ausserdem ein Vorgeschmack auf unsere gleichnamige ersten Full-length, die wir dieses Jahr veröffentlichen wollen.
Im Moment ist es amüsant die gespaltenen Meinungen der Leute zu beobachten. Viele scheinen verunsichert, in welche Schublade sie uns stecken sollen. Viele scheinen ein Problem damit zu haben, dass wir nicht "your typical Black Metal-band" sind, aber uns schert das einen Dreck.

3.Lasst uns ein wenig bei ''The decline...'' verweilen. Musikalisch weisen die Songs ja desöfteren eine gewisse Nähe zur damals etwa zeitgleich erschienenen ''Volcano'' von Satyricon auf. Welche Rolle kommt denn den Norwegern in eurem Leben und/oder künstlerischen Schaffen zu – und wo liegen andere, vielleicht unvermutete Triebfedern für die akustische Welt, die ihr dem Hörer darbietet?

Die vier ursprünglichen Songs der CD sind zwischen 1999 und 2001 entstanden. Sie sind also, wenn wir bei Satyricon bleiben wollen, höchstens von ''Rebel Extravaganza'' beeinflusst.
Satyricon waren mit Emperor zusammen schon immer meine absoluten Black Metal Faves. Bei den meisten anderen Bands vermisse ich stilistische Weiterentwicklungen und Risikobereitschaft – sowohl in der Musik, als auch in der optischen Komponente. Vieles wirkt kraftlos und verunsichert.
Sonic Reign folgt einem weniger ausgetretenen Pfad, der mich schon immer bei den beiden genannten Bands fasziniert hat. Neben dieser Inspiration kommt der Rest einfach von selbst, ohne dass ich das beeinflussen könnte.
Wir sehen unseren Stil als eigenständig und – besonders im deutschen Raum – hervorstechend an. Es geht uns aber nicht darum auf Teufel komm raus anders zu sein als die anderen, es geht uns darum dem Black Metal passende moderne Akzente zu geben, die ihn aggressiver und kälter machen.
Wer braucht schon tausende gleichklingender Bands denen man ihr lächerliches Image einfach nicht abkaufen kann? Ich nicht.

4.Was haltet ihr vor diesem Hintergrund von der Labelpolitik, euch fast ausschliesslich als ''Antwort auf Satyricon'' zu positionieren – und damit eventuell Meinungen vorzubilden, die der Hörer ohne solche Claims vielleicht nicht unbedingt vertreten hätte? Hattet ihr Einfluss darauf und inwiefern schadet oder hilft das eurer Ansicht nach den Künstlern?

Darauf hatten wir keinen Einfluss und ich war stinksauer, als ich das zum ersten Mal in einem Review gelesen hatte. Man hätte eine gewisse Ähnlichkeit zu den Norwegern auch wesentlich dezenter und weniger überheblich bewerben können. Wir wissen genau, dass wir gut sind, aber wir sind Realisten genug zu sehen wo wir im Moment noch stehen.
Nach einer gewissen Zeit war es mir dann aber auch scheissegal und ich fand den Gedanken sogar gut, dass sich manche Leute davon ans Bein gepisst fühlen könnten.
Scheiss drauf, ich spiel doch nicht Black Metal, um mir dann wegen jeder verdammten Kleinigkeit denken zu müssen ''hoffentlich nimmt das auch niemand falsch auf''.
Natürlich mussten wir dafür teils harsche Kritik hinnehmen, aber es hat uns mit Sicherheit für einige überhaupt erst interessant gemacht.
Trotzdem sicherlich eine etwas unglückliche Art, das Interesse der Fans zu wecken.

5.Auf der lyrischen Seite behandelt ''The decline portrait'' offenbar vornehmlich Gegensätze – seien es Geist und Fleisch, Individualität und Masse oder auch (Schein-)befriedigung und (innere) Leere. - Lebensbetrachtungen? Philosophie? Hilfe zur Selbsthilfe?

Vielleicht Denkanstösse für die, die denken wollen. Ich will niemanden mit meinen Texten zu irgendwas bekehren. Sie sollen Emotionen auslösen, die wir beim Spielen der Musik haben. Sie sollen einen tiefer in die Songs ziehen.

6.Apropos: Der Titel ''In silence I observe'' porträtiert dich (Ben) als Beobachter. Bist du eigentlich eher ein passiver Beobachter mit wissendem Lächeln oder versuchst du mit deinen Songs, etwas im Hörer zu bewegen, den Finger in die Wunde zu legen?

Ein wissendes Lächeln setzt voraus, dass man über den Dingen steht, von denen man schreibt. Speziell bei diesem Text ist das Gegenteil der Fall: Ich nehme mich nicht aus, wenn ich über die Oberflächlichkeit und Käuflichkeit der Welt schreibe. Das wäre verlogenes Gewäsch. Wir sind alle mehr oder weniger Teil dieses Systems, ob es uns nun gefällt oder nicht. Mit zunehmender Reife arrangiert man sich mit dieser Situation, ohne sie deshalb gut zu finden.
Ich versuche, die Dunkelheit der Songs in Worte zu kleiden, ohne die gängigen Klischees zu sehr zu bedienen. Die Texte von ''TdP'' waren sehr gesellschaftskritisch und der Leser macht sich im Idealfall seine eigenen Gedanken dazu.

7.In der Tat eine wünschenswerte Konstellation. Gibt es darüber hinaus auch ein spirituelles Gerüst, welches in Sonic Reign seinen Ausdruck findet (''Resurgent star'')?

Nein. Es gibt kein festes Konzept, auf dem Sonic Reign aufbaut. Wir tun wonach uns ist.

8.Und das laut Eigenaussage im schwarzmetallischen Sektor. Seht ihr – abseits der musikalischen Fundamente – weitere Verbindungen zum Black Metal und welchen Stellenwert haben sie für euch als Band? Wofür steht BM eurer Meinung nach?

Ich lehne Religionen ab. Die meisten sind potentiell gefährlich und nehmen einem den Raum, ein eigenständiges Leben zu führen. Diese Einstellung zu Religionen ist für mich etwas selbstverständliches, deshalb muss ich aber nicht ständig Texte darüber schreiben.
Die wichtigste Verbindung zum Black Metal sind Wille und Mut zum Anderssein und anders Denken, der Individualismus und die Kraft, die man aus diesem ziehen kann. Das scheinen viele, vor allem der jüngeren, uniformierten Black Metal Bands nie verstanden zu haben.
Black Metal ist die Kraft, die mir hilft, meinen Kopf hoch zu halten und denen, die es nicht anders verdient haben, ins Gesicht zu spucken. Es ist Energie, Rebellion – das genaue Gegenteil der Engstirnigkeit, die im Underground zum Gesetz erhoben wird.

9.Im Review habe ich euch mal ganz frech ein Anti-Image unterstellt und das soll hier auch zur Sprache kommen.
Zunächst fand ich Aufmachung und Texte der Scheibe nämlich recht frisch, da sie sich angenehm vom plakativen „Back to Schwarzwurzelwald und Beelzebub“-Drang grosser Teile der neueren deutschen BM-Szene unterscheiden. Dieser recht bewussten und prinzipiell durchaus gelungenen Gestaltung steht jedoch die gepflegt-misanthropische ''Fuck you!''-Attitüde des Beiblattes entgegen – fragt nicht nach uns, messt dem, was ihr seht, keinen Wert bei und lasst uns mit euren Interpretationen in Ruhe.
Warum also der gestalterische Aufwand an Zeit und Geist, wenn ihr angeblich nicht an Äusserlichkeiten/Verpackung glaubt?
Bzw.: Warum diese Standardattitüde hinschleudern, wenn ihr doch eigentlich ein eigenständiges Gesamtkunstwerk vor Augen habt und daher NICHT auf z. B. die Verpackung/Promomaterialien scheissen wollt? Aus Provokation? Image?
In meinen Augen lassen derartige Äusserungen nämlich befürchten, dass euer Konzept eher auf kalkuliertem ''Wir wollen anders sein'' als auf ''Wir wollen wir sein'' basiert – und da traue ich euch ehrlich gesagt etwas mehr zu...


Ich dachte es hätte sich bereits herumgesprochen, dass die Promo-Pakete, die an Zeitschriften, Radiostationen etc. gehen, von den entsprechenden Labels der Bands verschickt werden. Diese sind unter anderem auch für die Gestaltung des Beiblatts verantwortlich. Ich habe es in der endgültigen Version glaube ich gar nicht gesehen, aber den ''Propaganda''-Spruch kenne ich.
Das kümmert mich nicht besonders, das ist nicht mein Job.
Die Gestaltung der CD und vor allem natürlich Musik und Texte sind uns bei Sonic Reign das Allerwichtigste. Wir stecken unglaublich viel Zeit und Energie in Details und legen sehr viel Wert auf Qualität. Das wird man beim neuen Material noch viel deutlicher spüren, da wir jetzt über ganz andere Möglichkeiten verfügen.
Mit der Werbung wollte das Label vermutlich einfach provozieren. Und wie´s aussieht, haben sie dieses Ziel erreicht. Die wenigsten Bands haben über simple Provokation hinaus noch irgendwas Vernünftiges zu bieten. Sonic Reign schon. Man sollte der ganzen Sache also nicht mehr Bedeutung beimessen als sie wert ist
Was zählt ist was die Band macht, nicht, wie das Label das bewirbt.

10.Kommen wir abschliessend zu etwas vollkommen anderem: Nach ''The decline portrait'' dürfte ''Raw, dark, pure'' wohl auch abseits der Kernzielgruppe für gesteigertes Interesse sorgen – ist aus diesem Anlass eventuell eine Tour in Planung? Und wie macht ihr das als 2-Mann-Kommando?

Eine ganze Tour ist ohne größeren Bekanntheitsgrad nicht machbar. Vielleicht spielen wir ein paar Gigs, wenn wir was bekommen und uns dazu aufraffen können, vielleicht auch nicht. Wir haben für diesen Fall ein Paar Session-Musiker in der Hinterhand.
Uns ist Musik machen einfach wichtiger, als Live zu spielen. Vielleicht sind wir auch einfach eine Studio Band.

11.Das möchte ich an dieser Stelle mal nicht hoffen, aber wir werden sehen. Ich danke euch erst mal für das Interview und wünsche euch das Beste für 2005, sei es persönlich oder musikalisch. Die letzen Worte gehören euch:

Danke, wünsch ich Dir auch. Deine Fragen waren interessant und haben mich über manche Dinge zum ersten Mal nachdenken lassen.
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