Marc über Hosenröcke, Zukunftsaussichten und anzügliche Fans


Interview mit Seelenfrieden
Melodic Death Thrash Metal aus Deutschland
Grüss dich, Marc! Wie wäre es denn, wenn du unseren Lesern mal von den damaligen Beweggründen erzählst, die letztendlich zur Metal-Formation SEELENFRIEDEN geführt haben? Wie kam es denn eigentlich zum jetzigen Bandnamen?

Bei einer Probe einer Band, die nicht im entferntesten etwas mit irgendeiner Metall-Form zu tun hatte, habe ich unsere damalige Gitarristin Carmen kennengelernt; beim rumalbern haben wir zufällig festgestellt, daß wir musikalisch ähnliche Vorstellungen haben, und daraufhin ist die Idee einer gemeinsamen Band aufgekommen. Mit dem Drummer hatten wir erst kein Glück, bis wir einen fanden, der auch bis zum ersten Konzert mitgespielt hat; danach haben wir unseren Michael kennengelernt, und da ging es dann auch eigentlich los. Alles in allem war es eigentlich eine Bandgründung wie jede andere auch. Den Bandnamen verdanken wir Carmen, die ihn in einer unserer Proben beiläufig erwähnt hat. Er hat sich mit unserer inhaltlichen Vorstellung gut vereinbaren lassen - daß wir damit schnell in die Gothic-Ecke gestellt werden, war uns damals egal, und das ist es heute auch noch... Wenn ich heute unsere alten Demos höre, kommen sie mir ein wenig komisch vor, aber ich glaube fast, daß das normal ist. Wer weiß, was ich in zehn Jahren über meine jugendlich-musikalische Auffassung denke (*mit weisem und erfahrenem Blick* *g*)
Die restliche und aktuelle Besetzung hat sich nach einer Gitarristenodyssee ergeben... Aber die sollte noch eine Weile bleiben.

Einer der auffälligsten Elemente eurer Musik stellen eindeutig die in deutsch verfassten anspruchsvollen Texte dar. Wie kam es dazu? War das einfach nur das Ziel, sich möglichst von anderen abzuheben oder wart ihr nur zu faul, alles ins allgemein übliche Englisch zu übersetzen?

Nein, wir wollten uns nicht abheben. Vielmehr bin ich der Ansicht, daß ich mich in der Sprache, in der mein gesamtes verbales Denken stattfindet wohl auch am Besten ausdrücken kann, und da deutsch meine Muttersprache ist, die ich trotz einer miesen Deutschnote (meine Deutschlehrer wollten offenbar meine Vorstellungen von Interpretationen nicht ganz nachvollziehen) doch recht gut zu beherrschen glaube, liegt es ohnehin nahe, das, was ich sonst ausdrücken will, auch in deutschen Texten zu verfassen. Ich fände es peinlich, mir von einem Engländer sagen lassen zu müssen, daß man hört, daß meine Texte ein Deutscher geschrieben habe - von der Aussprache ganz zu schweigen... Bei meiner Art, Texte zu schreiben, könnte ich denen dann vielleicht noch verkaufen, daß ich das so wollte, aber ich käme mir dabei womöglich ein wenig dämlich vor. Andere dürfen das gerne machen.

Wo wir gerade bei den Texten sind: Eure Lyrics handeln von Todessehnsucht, Verzweiflung, Leiden und Hoffnungslosigkeit und es könnte leicht der Eindruck entstehen, ihr würdet den ganzen Tag nur jammernd in der Ecke hocken. Wie seid ihr denn privat so drauf? Eher die Nachdenklichen, oder die groupie-abschleppenden Party-Typen?

Wir privat? Wir sind den ganzen Tag traurig *g* - nein, wir sind nach meinem Dafürhalten fast ganz normale Leute mit einer etwas härteren musikalischen Vorstellung. Für das Inhaltliche bei Seelenfrieden bin außerdem ausschließlich ich zuständig, die anderen halten sich aus den Inhalten überwiegend raus. Natürlich finden sie sie gut, sonst würden sie das wohl kaum mitmachen, aber so gesehen müßte eigentlich nur ich den ganzen Tag schlecht drauf sein. Das bin ich aber auch nicht, nachdenklich natürlich, aber nicht den ganzen Tag. Ich bin möglicherweise eine Art Expressionist - wenn ich das genauer wüßte, würde ich wohl nicht mehr halb so viele Texte schreiben können, da mir dann meine Geisteswelt nicht mehr so viele Problemstellungen liefern könnte.
Mit Groupies ist auch nichts los, wir sind alle vier in festen Händen. Auf einem unserer Konzerte hat mal ein Typ Dieters Stiefel abgeleckt, mit denen dieser vorher ein Dixi besucht hat... War unsere einzige anzügliche "Erfahrung" *ggg*

In eurer Album-Beschreibung distanziert ihr euch von den üblichen "Ich-bin-ja-so-böse"-Bands, und möchtet auf keinen Fall mit denen in eine Schublade gesteckt werden. Habt ihr generell etwas gegen bestimmte Band-Images (egal, ob nun gespielt oder mit echter Einstellung) und wie ernst nehmt ihr eure Musik?

Schwierig... Nö, aber ob man das nun aus Spaß macht oder nicht - wenn mans übertreibt, wird's eben übertrieben. Von diesen "ich-bin-ja-so-böse"-Bands distanzieren sich Seelenfrieden eher inhaltlich als daß wir im Backstageraum einen Bogen um sie machen würden. Zugegebenermaßen ist auch das Wort "distanzieren" ein wenig unglücklich gewählt, eher sollte es wohl heißen "nein, wir machen keine kleinen Kinder tot, um in die Presse zu kommen" - also eher satirisch interpretiert.
Stellt sich die Frage, wie böse manche Leute meine Texte finden könnten...

Eure Songs sind ja einerseits sehr stark von den Vocals dominiert, andererseits sind die auftauchende Thrash-Anteile doch eher riffbetont. Was ist eurer Meinung nach wichtiger(generell und speziell bei euch), der gesangliche, oder der instrumentale Teil?

Generell sollte ich fairerweise zugeben, daß ich einen Song, von wem auch immer, nicht unbedingt nach einzelnen Merkmalen bewerte, oder mir dahingehend zumindest die größte Mühe gebe. Wenn der Song geil ist, und die Stimme, er also sprichwörtlich unter die Haut geht, dann sind Merkmale zweitrangig. Natürlich ist auch die technische Komponente, und das wäre wohl in unserer Richtung das Riffing, nicht unbedingt unwichtig (Tarja von Nightwish wäre wohl ohne Musik gewissermaßen nach zwei Liedern nicht mehr so prickelnd *g*).Ich denke aber, daß meine Kriterien da alles andere als allgemeingültig sind.
Und bei uns... Hm. Micha und ich haben den Großteil der Songs, die wir geschrieben haben eben nach dem Kriterium geschrieben, ob wir sie toll finden oder nicht, und aus diesem Zusammenspiel heraus ist das eben entstanden - nach Deiner Fragestellung beleuchtet könnte man sagen, gesangliche Parts und instrumentale wechseln sich eben ab und werden durch das transzendente Inhaltliche verbunden.

Ihr habt seit eurer Bandgründung doch schon den einen oder anderen Line-Up-Wechsel vollzogen und letztes Jahr leider euren Drummer Michael verabschieden müssen, ohne wirklich einen festen Nachfolger zu finden. Wie sieht es denn mittlerweile mit einem würdigen Ersatz aus?

Der würdige Ersatz war leider nicht ganz zu finden. Wir hatten dann endlich ab Dezember nach drei Fehlversuchen mit Peter Efferenn einen Drummer einer Band aus dem Nachbarort verpflichten können, allerdings bestand der darauf, das nur vorübergehend zu machen, wir sollten also weitersuchen - haben wir auch erfolglos versucht. Konzertemäßig war ohnehin nichts los außer der Releaseparty unserer "Rufe aus dem Nirgendwo", also ist es nicht ganz so happig geworden, nicht fest mit jemandem rechnen zu können. Nun, und an Pfingsten, also kurz nach dem Release, kam dann die Wende: Wir haben unseren Drummer Michael wieder - nach einem Jahr des Ringens hat er sich wieder für uns entschieden.

Plant ihr demnächst wieder mehr Live-Auftritte, und wenn ja, wo wird man euch denn bewundern können?

Natürlich planen wir mehr Liveauftritte - allerdings ist es schon traurig, wie engagiert Veranstalter in unserer Gegend sind... Es gibt bereits die eine oder andere Anfrage, allerdings ist leider noch nichts fest.

Wie siehst du dich und die Band denn in den nächsten 5 Jahren?

Nun, ich werde in fünf Jahren gerade vollständig deprimiert und desorientiert begreifen, daß ich einunddreißig geworden bin, und die Band wird hoffentlich in der gleichen Besetzung ein wenig mehr Erfolg haben, so daß unser Schaffen nicht ganz für uns alleine ist, sondern zum allgemeinen Wohl beiträgt... Oder wir werden immer noch völlig verkannt... *gg*

Und wo wir einmal bei Zukunftsaussichten sind. Denkst du, dass der Metal sich in nächster Zeit noch stärker etablieren wird, oder siehst du den momentanen Hype um einige metal-orientierte Bands eher mit einem müden Lächeln?

"metal-orientierte Bands" ist doch eine gute und vornehme Umschreibung für Metallrichtungen, deren Anhänger eher Hosenröcke als Hosen tragen und diese beim Kurzhaarkopfschmerzbangen auf der Tanzfläche mehr oder weniger verlieren... ;-) Soviel zu einem müden Lächeln... Wenn manche Anhänger nicht wären, könnte man sich so manches anhören oder ansehen.
Im Ernst: Ich denke, daß einige Bands dazu beitragen werden, daß der Metal noch salonfähiger wird und damit finanzträchtiger, und ich denke ebenfalls, daß es immer mehr und immer zwielichtigere "Undergrounds" geben wird, die gegenseitig voneinander nichts wissen wollen. Nun, und viele unentdeckte Bands.

Und noch eine Frage zum Schluss, die mir als Webmaster natürlich unter den Nägeln brennt: Wie denkt ihr über Online-Magazine und die Möglichkeiten des Internets allgemein?

Zwiegespalten. Online-Magazine sind natürlich eine anständige Sache. Leider fast nur die kleinen bis mittelgroßen, die noch keine Starallüren haben und keine Nuclear-Blast-Werbeanzeigen - ich finde da den Kontakt persönlicher, man hat schneller jemanden, der zuständig ist - und als kleine Band fast zu 100% ein Review, ob Verriß oder nicht. Was mich ärgert, sind diese halblebigen "Magazine", die 90% Werbung auf der Seite haben, dann noch 5% Bannertauschkram (und 10 PopUps) und den Rest mit ein paar Informationen füllen - und dann noch eine Promo im Einschreiben nach Südostanatolien haben möchten (was mir bei allen Prinzipien ein wenig zuviel des Guten ist).
Das Internet selbst ist doch ansonsten nicht viel mehr als eine Müllhalde für kranke Geister, die sich in der elektronischen Anonymität besser zurechtfinden (und ungefragt Verteilerlisten kopieren, weil sie glauben, jeder, der in ein Gästebuch einer Metallband geschrieben hat, interessiere sich zwangsläufig auch für HipHop. Wie naheliegend.). Nun, aber manchmal muß man eben im Müll wühlen. Immerhin verirren sich auch Leute auf unsere Seite *g*.

Vielen Dank für deine Antworten und viel Spass und Erfolg mit deiner Band
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