Factory of Art Disillusion Nitrolyt

Factory of Art, Disillusion, Nitrolyt

DisillusionNitrolyt
Kulturbundhaus, Leipzig
10.09.2005
„Die Welt wird bedroht von einem Bösen, doch es gibt Rettung – Commando fuckin' Metal!!!“


Im Leipziger Kulturbundhaus wird nach längerer Zeit mal wieder zum gepflegten Tanztee mit Nitrolyt, Factory of Art sowie Disillusion geladen und obiges Statement der Auftaktband soll sich im Verlaufe des kurzweiligen Abends als überaus treffend erweisen. Anlässlich des 15-jährigen Bestehens von Factory of Art gibt es nämlich durchweg schöne Musik für schöne Leute, die ganz nebenbei verdeutlicht, wie vielseitig und springlebendig die hiesige Szene trotz aller Jammereien ist – aber der Reihe nach...

„I have to break things, 'cause I'm the singer in a metal band...“ - NITROLYT

Den Auftakt besorgen die seit etwa zwei Jahren bestehenden Leipziger von Nitrolyt mit einer gutgelaunten Mischung aus Holzhackerthrash, modernem Metal und etwas Jazzcore.
Nachdem man beim hiesigen Talentwettbewerb „Leipzig sucht die Band des Jahres“schon mal ein Achtungszeichen setzen konnte, legen die jungen Menschen auch heute richtig los und steigen mit einem klassischen Thrasher (ja, wie heisster denn?) ein. Wer nun allerdings denkt, die Marschrichtung wäre klar, sieht sich bereits bei Song Nummer zwei getäuscht: Mehr und mehr Neothrash-Versatzstücke finden ihren groovigen Weg in die Musik des Fünfers und dazwischen ist auch noch Platz für ein paar verjazzte Instrumental-Attacken. Der amerikanische Sänger besitzt neben dem Sympathiebonus – den man im Übrigen auch jedem anderen Nitrolyten zugestehen muss – auch noch eine recht ordentliche Stimme und wird vom Leadgitarristen je nach Bedarf an der Zweitstimme unterstützt. So macht Livemusik Spass.
Überhaupt: Das schöne an der agilen Besatzung ist die ungehemmte Spielfreude, mit welcher man eigene Songs („Commercial Break“, „Incredible Georg“, „J.A.A.S.“), aber auch das „Enter Sandman“-Cover („I guess, you all know this song – if you don't: Fuck off!“) unter das Publikum brät, welches zumindest in den vorderen Reihen ordentlich mitmacht.
Nach dem Bandklassiker „Commando Metal“ und der Brecher-Zugabe „Chop Suey!“(SOAD) hinterlassen Nitrolyt auf jeden Fall einen erstklassigen Eindruck, oder um es mit Kermit zu sagen: „Applaus, Applaus!“

„Das hier ist alte Musik von alten Menschen...“ - FACTORY OF ART

Die Prog-Power-Institution Factory of Art hat es im Anschluss zunächst etwas schwerer, da ihr Backkatalog der überwiegend jungen Besucherschar vielleicht nicht unbedingt geläufig ist. Abgesehen davon kann man am heutigen Auftritt allerdings nicht viel kritisieren, zumal das Liedmaterial vom sägenden 1993er „Twilight Zone“ bis hin zum angenehm progressiven Powermetal des aktuellen Konzeptalbums „The Tempter“ keine Ausfälle zu verzeichnen hat. Zwischen straighten Rifforgien, verspielten Leads und Petris charismatisch-rauhen Vocals lugen desöfteren Bands wie Iced Earth, Savatage oder auch verhärtete Dream Theater hervor, ohne den Stil der Leipziger zu offensichtlich zu beeinflussen oder gar zu verwässern. Das Statement des Fronters kann man daher durchaus positiv auffassen...
Der neue Gitarrist Jens lässt zudem den ein oder anderen Leckerbissen gucken, die unverbraucht-atmosphärischen Keys sind stets gut zu hören und nachdem für einen Song („Temple of Doom“) auch noch der ehemalige Drummer an die Kessel darf, sind eigentlich alle Anwesenden mehr als zufrieden – „dat Metal“ scheint noch zu leben und es geht ihm besser als je zuvor...

„Also, das ist jetzt aber wirklich 'ne Premiere...“ - DISILLUSION

Jetzt kommt's knüppeldick und um eines gleich vorweg zu nehmen: Die 9 Ocken Eintritt haben sich an diesem durchweg hochklassigen Abend schon allein wegen Disillusion gelohnt!
Andys kurzfristige Andeutung, dass man mittlerweile wieder zu dritt musiziert, weckt bereits im Vorfeld Erinnerungen an die grossartige Releaseparty in der MB, aber was in der Folge im schwül-heissen Saal des Kulturbundes abgezündet wird, ist letztendlich das beste, was Disillusion seit langem (seit damals eigentlich) auf die Bretter gebracht haben – und das berühmte Quentchen 'mehr'.
Über dem mittlerweile perfekt eingebundenen Sampler (da zeigt sich positive Tourroutine) und Jens' verdammt tightem Drumming zelebrieren Rajk und der mit gesundem Fronterappeal gesegnete Andy an diesem Abend progressiven, extrovertierten Metal, wie man ihn sich nur wünschen kann und agieren dabei mehr denn je wie drei Teile einer einzigen grossen Gefühlsmaschinerie.
Von „Alone I stand...“, „Sleep of the restless hours“ über „Back to the times of splendour“ und „The porter“ bis hin zum Pantera-Cover „Strength beyond strength“: Die konzentriert und auf ihre ureigene Art sympathisch zu Werke gehenden Leipziger verbreiten für ungefähr eine Stunde eine derart mitreissende Atmosphäre, dass so manchem der zahlreichen Besucher eine verstohlene Träne ins wild wehende Haupthaar entfleucht. Angesichts dieser kompakten Seelenachterbahn bleiben nach "A Day by the Lake" nur beglückt bis entrückt lächelnden Gesichter im Publikum zurück...
Und noch etwas wird heute abend deutlich: Mag die Band auch noch so intensiv nach einem Basser suchen, die Werktreue im grossen Line-Up auch noch so verlockend sein – die intuitive Vertrautheit und Sicherheit, die auf substanzielle Pinselstriche, auf blank schillernde Emotionen reduzierte Intensität der Dreierbesetzung ist und bleibt in der heutigen Form das Mass aller Dinge.

Für diesen Abend kann man sich abschliessend bei allen Bands nur mehr als bedanken, denn hier wurde letztendlich mehr als nur Geburtstag gefeiert: Hier wurde dreimal gezeigt, dass Leipzig zu recht als eine der Hochburgen im deutschen Schwermetall-Zirkus gilt. Bleibt im Interesse aller zu hoffen, dass dies Fans und Veranstaltern auch in dieser Form bewusst geworden ist.

Cheerz!

www.nitrolyt.de
www.factoryofart.de
www.disillusion.de

www.kulturbundhaus-leipzig.de
-