Keep It True VI

Keep It True VI

Keep It True VI - 08.04.2006 - Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle
Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle
08.04.2006
Neben den obligatorischen Sommerfestivals wie Wacken, Bang Your Head, WFF und Summer Breeze hat sich seit ein paar Jahren ein weiteres kleines Festival in Deutschland etabliert, das bisher (leider) nur eine Randerscheinung war und nicht ganz die große Zuschauermasse wie die oben genannten Festivals anziehen konnte. Trotzdem ist das Keep It True die Gelegenheit, alte Kultacts mal wieder auf einer deutschen Bühne erleben zu dürfen, und eine ausgelassene Party mit über 1000 altgebliebenen Metallern, die ihren Weg aus allen Herren Länder (sogar Japan war dieses Mal vertreten) in das beschauliche Örtchen Lauda-Königshofen finden, zu feiern. Wie sagte doch jemand so schön: „Hier bekommt man Bands zu sehen, die vor 25 Jahren 2 Platten veröffentlicht haben und danach 20 Jahre nicht mehr auf einer Bühne standen!“ Recht hatte der Mann!

Schon bei der Warm-Up-Show am Freitag konnte man sich von dieser Behauptung selbst überzeugen, standen mit den gerade wieder aus den Löchern gekrochenen Assassin und dem Schweizer Thrash-Gespann Drifter doch 2 Bands auf der Bühne, die eigentlich schon längst in Vergessenheit geraten waren, bzw. jungen Fans mehrheitlich überhaupt kein Begriff sein sollten. Während bei Drifter alles im grünen Bereich war und der technisch hochanspruchsvolle Thrash mehrere Nacken zum Wirbeln brachte, wurde der Auftritt Assassin´s schon vor dem ersten Ton von meiner Seite aus skeptisch betrachtet. 3 kurzhaarige mit Käppi verzierten Jungs, die sich Gitarren und Bass teilten und in der Mitte Sänger Robert Gonella, der als einziger der Bande so etwas wie Metal-Kompatibilität erahnen ließ. Glücklicherweise legte das deutsche Gespann, das leider nie zur vorderen Spitze des deutschen Thrash vorstoßen konnte, gut los und ballerte u.a. Altbewährtes wie Assassin (vom Debüt „The Upcoming Terror“) und „Abstract War“ („Innerstellar Experience“) in die Turnhalle. Nicht fehlen durfte natürlich auch etwas vom Comeback-Album „The Club“, was sich jedoch gut zwischen dem alten Material einfügen konnte. Komischerweise konnte ich mit dem Auftritt allerdings recht wenig anfangen, was umso seltsamer ist, wenn man bedenkt, daß der Mix aus alten Kreator und Sodom auf Platte mir immer mal wieder gut reinläuft. Live hats mich jedenfalls gelangweilt.

Da waren die vorher aufspielenden Seven Witches von ganz anderem Kaliber. Rotationsmeister und Sängerschreck Jack Frost entlockte seiner Klampfe ein Killerriff nach dem anderen und vergaß neben seinem Gepose auch nicht, wie man gute Soli zock. Daß Songs wie „Metal Asylum“ sowieso ganz großes Kino sind und man mit einem Judas Priest-Cover („Victim Of Changes) jederzeit das Publikum auf seiner Seite hat, ist auch klar, so daß für den Auftritt beide Daumen klar senkrecht nach oben zeigen müssen.

Der Höhepunkt des Abends war aber ganz klar der Auftritt des Headliners. Wer bereits das Vergnügen hatte, Demon bei ihrer Arbeit zuzuschauen, wußte genau, daß alle Erwartungen an diese Band nicht nur erfüllt, sondern meistens gar übertroffen werden. Als die englische NWOBHM-Legende mit ihrer Hymne „Night Of The Demon“ loslegte, gab es im Publikum kein Halten mehr. Man bangte und gröhlte sich durch einen Set, der mit Hits wie dem von Blind Guardian früher gecoverten „Don´t Break The Circle“, „One Helluva Night“, dem etwas progressiven „The Plague“ oder der „Better The Devil You Know“-Göttergabe „Standing On The Edge Of The World“ nur so gespickt war. Daß die Band selber in verdammt guter Spiellaune war und Sänger Dave Hill´s legendäre Grimassen für den ein oder anderen Grinser sorgten, sei daher nur am Rande erwähnt. Der einzige kleine Wermutstropfen einer ansonsten killenden Headliner-Show war das Fehlen von Songs des Überwerks „Taking The World By Storm“, was aber niemandem den Spaß an der Warm-Up-Show vermiesen konnte.

Und dann gings erstmal zurück ins Hotel, um sich physisch darauf vorzubereiten, was der nächste Tag bringen würde. Man wollte ja schließlich fit sein, wenn die Türen um 10 Uhr morgens, also zu nachtschlafender Zeit geöffnet werden.

Tag 2, 10:15, ich habe das Paradies entdeckt! Bevor die erste Band auf den Brettern steht, hat man noch eine knappe Stunde Zeit, sich in Ruhe auf einem verdammt großen Metal-Markt umzuschauen und seine mit Zahlen bedruckten Scheine gegen Mitbringsel in Form von Shirts, Tonträger und Obskuritäten wie Eddie-Puppen einzutauschen. Scheiße aber auch, man bemerkt einfach nicht, wie leicht es doch ist, sein Geld an den Mann zu bringen. Ist selbiges dann nicht mehr vorhanden, leuchtet das Zeichen der gegenüberliegenden örtlichen Sparkasse (oder wars doch die Volksbank?) unsereinem den richtigen Weg zu noch mehr Glück.

Und so vergeht die Zeit bis zum Auftritt der Holländer Powervice wie im Flug. Da sich der Markt entgegen dem anderer Festivals nicht in einem separaten, sondern im gleichen Raum befindet, hat man die Möglichkeit, weiter nach Raritäten zu suchen UND gleichzeitig die Show zu verfolgen. Und Powervice geben gleich zu Beginn an Vollgas und eröffnen den Festival-Tag mit Bravour. Musikalisch bietet man feinsten Power Metal in der Schnittmenge aus Maiden und Jag Panzer, der vom hohen Gesang des Fronters – der übrigens aussieht wie Robbie Williams mit Übergewicht – perfekt abgerundet wird. Eine Band, die man definitiv im Auge behalten sollte.

Nach diesem kraftvollen Auftakt wurde es dann Zeit für eher epischere Töne. Schade, daß ich vorher noch keinen Ton der Griechen Wotan hören durfte, live fand ich die Mucke, die sich ohrenscheinlich an Doomsword und Manowar (stilecht durfte auch Ross The Boss für die Coverversion des Manowar-Classics „Revelation“ ran) orientieren, jedenfalls nicht ganz so prickelnd. Viele der anwesenden sahen das wohl anders, kannten scheinbar auch die Songs und gingen ordentlich mit. Jetzt wo ich das „Carmina Barbarica“-Album besitze, erkenne auch ich die Klasse der Band und kann eine ordentliche Zukunft prophezeien.

Nachdem die Heavy-/Power Metal-Gemeinde nun erst mal zufriedenstellend ruhig gestellt war, war es Zeit, das erste Thrash-Brett des Tages um die Lauschlappen gefeuert zu bekommen. Darkness, die genau wie Assassin und Drifter lange von der Bildfläche verschwunden waren, betraten die Bühne und walzten los, als ginge es darum, neue Geschwindigkeitsrekorde zu brechen. Statt nur seine neue Kapelle Eure Erben zu promoten, fügte man sich ganz dem Motto des Festivals und knallte u.a. Hammersongs wie „Burial At Sea“ und „Death Squad“ in die lechzende Meute. Sehr geile Vorstellung, die den letzten Funken Müdigkeit aus den Augen des gierenden Thrash-Mobs vertrieb.

Danach war es dann an der Zeit, einer der größten Legenden Spaniens zu huldigen. Unter dem Namen Silver Fist betrat die einstige Kultband Muro die Bühne und legte sofort gut los. Auch wenn der Verfasser dieser Zeilen noch nie so richtig mit der Mucke der Iberer in Kontakt gekommen ist, konnte mich der spanische Metal der Südländer vom ersten Ton an begeistern. Schaute man sich in der Halle um, schienen doch einige Leute sehnsüchtig auf den Auftritt gewartet haben und legten sich bangertechnisch bei den Songs der bei Fans verehrten Muro-Alben „Acero Y Sangre“ und „Telon De Acero“ gut ins Zeug. Die Band selber bedankte sich für den Enthusiasmus (der vor allem in den ersten Reihen positiv herausragte) und revanchierte sich mit einer verdammt energischen Vorstellung.

Der Name Axehammer sollte Lesern des Heavy mittlerweile ein Begriff sein, konnte die Ami-Band doch durch gute Kritiken ihres Werks „Windrider“ auf sich aufmerksam machen. So war auch ich extrem gespannt auf den Auftritt der bereits seit 1988 bestehenden Band und freute mich auf eine Runde feinsten US-Power Metal. Seltsamerweise konnte mich die Band zwar überzeugen, schaffte es aber nicht über die gesamte Spielzeit, mich richtig mitzureißen. Fragt mich nicht nach dem Grund, aber auf der nachträglich ergatterten „Windrider“-CD gefallen mir Songs der Marke „Dancing With Demons“, „Stand Up And Fight“ oder „Back For Vengeance“ einfach besser. Vielleicht liegts auch einfach daran, daß ich – im Gegensatz zu einigen Bangern im Publikum – vorher mit dem Material der Amerikaner nicht vertraut war. Oder aber, weil ich mich mental schon auf die nachfolgende Band eingestellt hatte…

…auf die ich mich schon seit Ewigkeiten gefreut habe wie ein kleines Kind. Wer hätte erwartet, die englische Institution Grim Reaper mal wieder auf einer deutschen Bühne zu sehen? Daß von der Originalbesetzung nur noch Sänger Steve Grimmet (der in diesem Leben wohl niemals einen Schönheitspreis gewinnen dürfte) übrig geblieben ist, war an dem Tag wohl nicht nur mir scheißegal. Der Titel des Openers „Rock You To Hell“ war Programm und eröffnete eine mitreißende Show, die von mir aus noch stundenlang hätte weitergehen können. Ich durfte tatsächlich live Songs wie „Night Of The Vampire“, „Lust For Freedom“, „Wrath Of The Ripper“, “Rock Me Till I Die”, “Fear No Evil”, “Dead On Arrival”, “Matter Of Time”, “Wasted Love” oder dem Götter-Rausschmeißer “See You In Hell” beiwohnen. Nach dieser Hammershow, die trotz der fehlenden Originalmitglieder, aber dank des fetten (im wahrsten Sinne) Charismas Grimmets zu einem wahren Triumphzug avancierte, war die Hoffnung im Publikum groß, den Titel des letzten Songs nicht allzu wörtlich nehmen zu müssen. Hoffen wir eher, daß wir die Band schon vorher wieder auf deutschen Bühnen erleben dürfen!

Nachdem Steve Grimmet die Bühne verlassen hatte, wurde es wieder mal Zeit für ein amtliches Thrash-Massaker, das dieses Mal von der einstigen Teutonen-Legende Paradox geliefert wurde. Genau wie Darkness zu früherer Stunde, legten auch die Mannen um Frontmann Charlie Steinhauer gut los und beeindruckten mit einer Triple-Axe-Attack, die sich gewaschen hatte. So wurden dann erstmal die Debüt-Kracher „Paradox“ und „Death, Screaming And Pain“ ins Auditorium geschleudert, bevor man sich daran machte, eine gute Mischung aus der gesamten Diskographie (in der natürlich auch das verdammt gute Comeback-Album „Collisison Course“ nicht fehlen durfte) zu zocken. Charlie, der heute mit feschem Haarschnitt und ohne Schnäuzer jünger aussieht als vor 20 Jahren zu Beginn seiner paradoxen Karriere, hatte zu jeder Zeit das Publikum gut im Griff, und nach einem hammermäßigen Finale in Form des Priest-Covers „Hell Bent For Leather“ im Duett mit Exciter´s Jaques Belanger dankte dieses es der Band mit fettem Applaus!

Nach diesem energetischen Auftritt war die Menge froh, endlich mal wieder durchatmen zu dürfen, so dass das amerikanische Doom-Kommando Solitude Aeternus wie gerufen kam. Getragen vom charismatischen Gesang des Fronters Rob Lowe sorgte die Band für positiv-düstere Stimmung und eine melancholische Ergriffenheit. Trotzdem herrschte auf der Bühne alles andere als dunkle Grabesstimmung. Zwischen den Songs, zwischen die sich auch 2 Tracks des kommenden Longplayers eingeschlichen hatte, zeigten sich die Amerikaner recht mitteilungsbedürftig und kommunizierte ausgiebig mit den Fans. Anders als bei anderen Bands brauchte man diese Kommunikation aber mitnichten, um spielerische Unfähigkeit zu kaschieren. Ganz im Gegenteil: die Songs sind und waren schon immer über jeden Zweifel erhaben und wurden wunderbar darbeboten. Darunter natürlich „Haunting The Obscure“, „Days Of Prayer“, „The 9th Day“ oder “Seeds Of Desolate”.

Und nun war erst einmal Spannung angesagt. Wie würden Ross The Boss und seine Men Of War nach dem Klasse-Auftritt von Solitude Aeternus abschneiden? Kann man den ehemaligen Kings of Metal showtechnisch das Wasser reichen? Die Antwort folgte nach einem gesprochenen Intro und kann nur „Ja“ lauten! Mit „Manowar“ gings in die Vollen und bereits nach „Death Tone“ und „Shellshock“ fraß das Publikum den Jungs aus der Hand. Man merkte zwar gleich, dass Sänger Patrick trotz großartigen Gesangs doch noch eine Stufe unter Eric Adams steht, doch dies tat der Show absolut keinen Abbruch. Heute zählte nur die Musik und die Magie, die Klassiker wie „Gloves Of Metal“, „Thor“, „Mountains“ oder auch „Hail To England“ zu verbreiten imstande sind. Auch Ross selber schien verdammt viel Spaß an der Show zu haben. Jedenfalls verflog die Zeit wie im Fluge, bevor mit „Hail And Kill“ (der einzige „neue“ Song des Sets) und der grandiosen „Battle Hymn“ ein würdiger Schlusspunkt unter eine Killershow gesetzt wurde. Wer hätte gedacht, dass eine Quasi-Cover-Truppe eines DER Highlights dieses Festivals sein würde!

Gleich nach einem solchen Hammer auf die Bühne zu müssen, dürfte ein recht undankbares Unterfangen sein. Entweder man stinkt komplett ab oder man holt alles aus sich heraus und bietet eine denkwürdige Show. Dementsprechend nervös müssen wohl auch Exciter gewesen sein, konnten mit „Massacre“ und „Dark Command“ aber einen Einstieg nach Maß bieten. Doch damit nicht genug: dem laut japsenden Verfasser dieser Zeilen wurde keine Atempause gegönnt, ging es doch mit „Reign Of Terror“, „Victim Of Sacrifice“ und dem Alltime-Classic „Pounding Metal“ ohne Umschweife weiter, bevor mit „Immortal Fear“ der erste von 2 neuen Songs vom hoffentlich bald mal erscheinenden neuen Album folgte. Daß dieser genau die eingeschlagene Marschroute der Kanadier weiter führt, muß wohl kaum gesondert erwähnt werden. Leider hatte die Band unter nicht allzu guten Soundbedingungen zu leiden, konnte dieses Manko aber spielerisch locker wettmachen und bereitete den Fans die erwartete Speed Metal-Hölle. Daß in einer solchen Klassiker wie „Heavy Metal Maniac“, „Blackwitch“ oder „Violence And Force“ nicht fehlen durften, dürfte klar sein!

Völlig ausgelaugt zog ich mich für den Hauptact Riot in die hinteren Reihen zurück und wartete ab, was nun passieren würde. Riot sind ja nicht gerade bekannt dafür, in Deutschland an jeder Steckdose halt zu machen, von daher habe ich mich riesig auf den Auftritt der Legende gefreut. Diese Freude wurde allerdings nach spätestens 3 Songs durch Neu-Sänger Mike Tirelli (ex-Holy Mother / -Messiah´s Kiss) getrübt. Keine Frage, die Instrumental-Fraktion zockte Killer-Songs wie „Narita“, „Johnny´s Back Again“, „Flight Of The Warrior“, „Swords And Tequila“ oder “Thundersteel” selbstverständlich überaus kompetent und konnte einige Male für offene Münder sorgen, aber Tirelli ging mir einfach nur gewaltig auf die Nerven, wirkte er mit Sonnenstudio-Bräune, Muskelshirt und Muckibuden-Figur und riesigem Kreuz an der Halskette doch eher wie ein Pornofilm-produzierender Zuhälter als wie ein Sänger. Vielleicht hätte jemand dem Mann vorher sagen sollen, dass eine Metal-Bühne kein Model-Laufsteg ist. Ansonsten gabs, wie gesagt, an der Show nichts zu mäkeln, so dass man sich jetzt schon auf zukünftige Shows (hoffentlich ohne Tirelli, dafür wieder mit einem Original-Sänger) freuen darf.

Auf dem zweieinhalbstündigen Nach-Hause-Weg war für mich definitiv klar, dass mein erstes Keep-It-True-Erlebnis keinesfalls mein letztes bleiben wird. Was Tarek Marghary und Olli Weinsheimer hier ein weiteres Mal auf die Beine gestellt haben, ist kaum zu überbieten und dürfte das Oldschool-Mekka in den kommenden Jahren noch um einiges größer werden lassen. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste KIT im Herbst, auf dem dann u.a. Flotsam And Jetsam, Onslaught (jawoll!), Heir Apparent (noch mal jawoll!!) und die saarländischen Heroes von Messenger zeigen dürfen, wie geil doch die Achziger waren!
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