Narziss The Chariot Becoming The Archetype & Shaped By Fate

Narziss, The Chariot, Becoming The Archetype & Shaped By Fate

Becoming The ArchetypeNarzissShaped By FateThe Chariot
Leipzig, Conne Island
19.01.2007
Wieder einer dieser gemütlichen Konzertabende in Leipzig. Heute steht ein prall gefülltes Überraschungsei auf dem Programm – drei der vier aufspielenden Bands sind der Berichterstatterin nahezu bis völlig unbekannt. Die Headliner des Abends, NARZISS aus dem naheliegenden Thüringen, sind jedoch viel und gern gesehene Gäste auf lokalen Bühnen. Bevor das Spektakel gegen viertel nach neun seinen Lauf nimmt, wärmen sich allerhand Lärmsüchtige im recht anständig gefüllten Conne Island mit oder auch ohne Bier auf.

Überraschung Nummer Eins sind fünf wild gewordene Bühnensprinter aus dem walisischen Cardiff. SHAPED BY FATE dürfen auf bisher ein veröffentlichtes Album zurückblicken; das nächste steht gerade in den Startlöchern. Spaß auf der Bühne haben die bewegungsfreudigen Inselbewohner auf jeden Fall. Für ordentlich musikalisches Feuer sorgt ihr mit Noise und Mathcore-Elementen angereicherter, sehr breaklastiger Metalcore. Auch wenn sich das Publikum aufgrund der Unkenntnis des musikalischen Materials nur auf anerkennenden Applaus beschränkt, liefert die Band eine rundum gelungene, knusprige Show ab. Nach diesem energiegeladenen Auftritt kann man sich kaum vorstellen, dass dieser Band heute noch einer das Kilometergeld ablaufen könnte. Aber noch ist der Abend jung...

BECOMING THE ARCHETYPE sind danach ein echtes Kontrastprogramm. Die christliche Band aus Atlanta ist bis auf ein paar Bangaktionen auf der Bühne die Ruhe pur. Kein Wunder, bei so viel abgefahrenen Riffs und komplizierten Gitarrenfrickeleien muss man sich natürlich ganz auf sein Instrument konzentrieren. Der Sound ist moderner technischer, progressiv angehauchter Deathmetal, und das Publikum tut größtenteils das, was man bei solcher Musik normalerweise tut: Dastehen und staunen. In so einer gemütlichen Runde werden Songwünsche natürlich anstandslos erfüllt. Auch für die zweite Überraschung ganz klar beide Daumen nach oben.

Krach oder Kunst? Kunst oder Krach? Die Frage stellt man sich bei Math und Noisecore Bands häufig. Ähnlich bei THE CHARIOT, die ebenfalls aus Atlanta stammen. Wenn man’s nicht kennt, steht man erst mal da und wundert sich. Vier schlecht frisierte Typen mit knallengen Jeans rennen bei beklemmender Lichtatmosphäre planlos über die Bühne. Klar, wie anders will man einen solchen Sound sonst visualisieren? Schräge, lärmende Riffs, Breaks, Breaks, Breaks, wüstes Geschrei – das grenzt bei dieser Lautstärke gefährlich nah an eine Überforderung der Sinne. Bestimmt ist es auch genau das, was die verrückten Amis geplant hatten. Den Jungs im Moshpit gefällt’s jedenfalls richtig gut.

Dagegen wirken NARZISS wie Muttis Lieblingsschwiegersöhne. Auch wenn musikalisch alles wieder topp ist – toll gemachter Metalcore mit deutschen Texten – , will sich die Stimmung nach dem vorangegangenen musikalischen Massaker nicht mehr so recht steigern. Im Gegenteil, viele haben bereits den Club verlassen; die übrigen schenken der Band zwar ihre volle Aufmerksamkeit, Bewegung ist da aber nicht mehr viel drin. Die gezügelte Atmosphäre und die Eindrücke des CHARIOT-Gigs waren es wahrscheinlich auch, die einen überreizten jungen Mann dazu bewegen, eine Monitorbox um den Haufen zu schmeißen. Trotz allem gibt es einen Rundum-Service von NARZISS, inklusive abkühlender Dusche und musikalischer Vollbedienung. Routiniert und mit viel Spaß bei der Sache lassen sie den lauten Abend überzeugend ausklingen, auch wenn der cleane Gesang noch nicht ganz so der Ohrenschmeichler ist.

Fotos von Yvonne

Bildergalerie

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