2. In Flammen Open Air

2. In Flammen Open Air

AgathodaimonDisbeliefGrabakInfected BrainMoshquitoPhilosopherSear BlissSilentium Noctis
Torgau, Brückenkopf
13.07.2007
Letztes Jahr war’s schön, dieses Jahr soll’s noch viel schöner werden. Torgau lädt zum zweiten Mal zum zweitägigen In-Flammen-Open-Air und das Billing kann sich für eine solche Underground-Veranstaltung durchaus sehen lassen. Auf dem schön in grün gehaltenen Platz vor dem Torgauer Brückenkopf werden flugs die Zelte aufgeschlagen und es offenbahrt sich sogleich die wahre Bedeutung des Begriffs „In Flammen“, nachdem man sich mit nackten Beinen durch ein Mehr von Brennnesseln geschlagen hat. Anschließend noch schnell die integrierte Festtoilette inspiziert und das spärliche Publikum in Augenschein genommen. Schon verwunderlich, dass alle immer nach den kleinen Festivals schreien, wenn sie von den überlaufen Riesendingern zurückkommen, aber wenn sich einem mal eins anbietet, kommt kaum jemand. Sehr schade, vor allem, wenn man das gelungene Drumherum bedenkt.
Nun ja, wer nicht will, der hat schon, feiern wir halt im kleineren Kreise. Schlechter wird’s dadurch sicher nicht, es ist nur halt schade für die Veranstalter, die sich solche Mühe geben etwas aufzubauen.

Freitag

Die Leipziger Death/Thrash-Combo DEATH EMBRACE hat am heutigen Freitag Abend die Ehre, das zweite In Flammen Festival zu eröffnen. Obwohl von ihrem letzten Auftritt bereits alles andere als negativ in der Erinnerung verankert, lässt sich heute durchaus eine Steigerung erkennen. Treibende, teils gut groovende, aber auch ordentlich durchziehende Songs gestalten den gedanklichen Einstieg recht einfach. Ausbauen sollte die Band definitiv ihre Growl-Duelle, die machen nämlich besonders Laune. Aber bei den noch recht jungen Bandmitgliedern ist da sicherlich noch so einiges für die Zukunft drin.

Noch eine gehörige Schippe Aggression legen anschließend INFECTED BRAIN noch drauf. Zwar vorrangig ebenfalls im Death Metal zu Hause, treibt es die aus der Nähe von Magdeburg stammende Band sehr häufig zur benachbarten Grind-Hure, mit der sie offensichtlich auch sehr viel Spaß haben. Tiefergelegtes Geröchel trifft vornehmlich auf prügelnde Gitarren und hämmerndes Drumming, aber an den richtigen Stellen wird dankenswerterweise auch gern einmal das Gaspedal zurückgenommen. Zusammen mit den aufsteigenden Grillschwaden und dem Gedanken an einen Brocken saftiges Fleisch läuft einem da unweigerlich das Wasser im Mund zusammen.

Etwas weniger ernst wird es im Anschluss mit den Leipziger von BETRAYER, bei deren Auftritten stets immer ein gewisser Hauch von Selbstironie herüberweht. Die Jungs haben einfach Spaß an der Musik und geben dies ungeniert an die Fans weiter. Glücklicherweise bleibt der heutige Gig von Pannen verschont, so dass man von Beginn bis zum obligatorischen Rausschmeißer „In The Hall Of Metal“ eine satte Portion flutschigen Thrashs aufnehmen kann.

LIFTHRASIL aus Stuttgart haben einen recht langen Weg hinter sich und können einem bei der mangelnden Publikumsresonanz schon fast leid tun. Offenbar sind es die in Deutsch singenden Black Metaller gewohnt, dass vor ihrer Bühne ein wenig mehr die Post abgeht, aber die noch recht skeptisch dreinschauenden Besucher wollen heute einfach nicht auf die Anfeuerungsversuche anspringen. Dabei hätte sich der keyboardschwangere und etwas in Richtung Death Metal liebäugelnde Black Metal durchaus für kurzweiliges Abschütteln geeignet. Nun ja, wenigstens nimmt man’s mit Humor.

DEATH REALITY wären nun laut Plan an der Reihe gewesen, hatten aufgrund einer kurzfristigen Bandauflösung allerdings Probleme, den Gig ordnungsgemäß zu absolvieren. Stattdessen hätten SEAR BLISS als Ersatz einspringen sollen, die stehen aber noch im Stau, weswegen nun SAXORIOR erst einmal loslegen. Deren dargebotener Epic-Dark-Black-Pagan-Death-Wasweißich-Metal bietet Heimatverbundenheit der politisch korrekten Art und berichtet von Zeiten, in denen man noch unbeschwert in den Krieg ziehen konnte. Insofern man Keyboards nicht komplett abgeneigt ist, eine rundum angenehme Sache, gekrönt durch eine hitzige Stichflamme ganz im Zeichen des Festivalnamens.

Da die Ersatz-Ungarn immer noch nicht eingetroffen sind, stellen DISBELIEF freundlicherweise ihren Headlinerplatz zur Verfügung und bereiten sich darauf vor, als nächstes aufzuspielen. Was sich bereits bei der vorhergehenden Band vermuten ließ, schwenkt nun in Gewissheit um: die Torgauer sind einfach lichtscheu! Kaum ist die Sonne verschwunden, strömen auch die Besucher nach vorn zur Bühne, so dass man sich bei DISBELIEF fragt, wo die ganzen Leute sich bisher die ganze Zeit verkrochen haben.
Den Erwartungen der Fans wird die Band jedenfalls vollkommen gerecht. Ausgestattet mit dem neuen Album „Navigator“ sind beste Voraussetzungen für einen tiefgehenden Auftritt gelegt, der erneut vor allem von dem einmaligen Organ des Fronters lebt. Mit treibenden, stampfenden oder auch melancholischen Rhythmen im Hintergrund gibt er wie erwartet die aktuellen Highlights zum Besten, vergisst aber auch nicht die bekannten Stücke der Vorgängerscheiben. Klasse.

Gegen Ende wird es dann noch einmal mächtig eng. SEAR BLISS sind nun endlich da, aber leider stehen einem unbeschwerten Konzertgenuss die örtlichen Behörden im Weg. Punkt 2:00 Uhr muss Ruhe herrschen, sonst sind saftige Strafen fällig, und dies ist genau in knapp 20 Minuten der Fall. Bei jeder anderen Band hätte dies wohl locker gereicht, aber bei der originellen Melodic-Black-Metal-mit-Trompete-Band aus Osteuropa ist jede verschwendete Minute ein stechender Schmerz. Sympathisches Auftreten, mitreißende Songs und einprägsame Melodien bestimmen das Bild, lassen die späte Stunde vergessen, und bringen Torgau noch einmal ordentlich zum Leuchten. Es sind begeisternde, aber leider viel zu kurze 20 Minuten, nach denen der Strom abgestellt wird. Sehr schade, hoffentlich kann das noch einmal irgendwann fortgesetzt werden.


Samstag

Mit einer kleinen Sensation kann der zweite Tag des Festivals aufwarten. Keine geringeren als B.G.F. übernehmen den durch die Absage von BGT freigewordenen Opener-Platz und sorgen für viele erstaunte Gesichter. Vor einer halben Stunde als Allstar-Band aus einigen schwergewichtigen Mitgliedern der herumstehenden Bands gegründet, spielt die Truppe ihre kompromisslosen Death-Thrash-Grindcore-Powermetal-Stücke herunter, als würde es sie bereits schon eine volle ganze Stunde geben. Leider gipfelt der Auftritt in einem Eklat, wobei sich die Bandmitglieder gegenseitig an die Gurgel gehen und die Band spontan wieder auflöst. Ich glaube, soeben wurde Geschichte geschrieben…

ARCHE:HAVOC spielen wieder regulär nach Plan, werfen aber zunächst jegliche Erwartungshaltungen bezüglich des Auftretens und Aussehens einer Death Metal Combo über Bord. Die Dresdner geben sich bewusst konventionell (und deshalb für Metal Verhältnisse wieder extrem unkonventionell) und drücken sich lieber durch ihre Musik aus. Die kann nämlich weitaus mehr als nur nach vorne zu rumpeln. Zahllose progressive und tempodrosselnde Elemente sorgen für Abwechslung, einige cleane Gesangsparts klingen zwar noch etwas schräg, aber das wird schon noch.

Obwohl die Italiener SILENTIUM NOCTIS sicher keine Freunde der Sonne sind, müssen sie nun gegen ebenjene mit ihrem melodischen Black Metal antreten. Als allzu problematisch stellt sich das aber nicht heraus, denn wie man an den musikalischen Einflüssen erkennen kann, sind hier keine treuen Baumliebhaber am Start. Ordentlich in gotischen bzw. Keyboard-Gefilden wildernd ist die Band ein weiterer Eckpunkt der Theorie, dass in Südtirol irgendwo ein Nest für diese Art von melodischem Düstermetal zu sein scheint. Sehr ansprechend und sicher noch einen zweiten oder dritten Blick wert – nicht nur wegen der Keyboarderin.

EXOTOXIN spielen Thrash Metal. Oder besser gesagt: EXOTOXIN spielt Thrash Metal. Denn das Kuriosum des Festivals besteht nur aus einer Person. Mit voller Absicht und schon seit einer ganzen Weile, da gibt’s auch keiien Stress mit den Kollegen. Protagonist Reini kam vor 5 Minuten angedüst, hat schnell noch seinen Drumcomputer angeworfen und frickelt und kreischt sich in bester 80er Jahre Thrash-Manier nun einen vom Ast. Manch einer mag jetzt von Beschiss reden, aber wer live erlebt hat, wie sich dieser sympathische Mensch in der prallen Sonne einen abrackert (und zudem auch die Drumparts vorher selbst eingespielt hat), der kann einen gewissen Anflug von Respekt nicht verbergen.

Aus Thüringen kommt mit UNTAMED sicher die bewegungsfreudigste Band des ganzen Wochenendes auf die Bühne. Selbige beginnt bei den wüsten Sprung- und Moshattacken der beiden Vokalisten bedrohlich zu wackeln an, hält aber auch beim gleichzeitigen Einsatz der gesamten Band gerade noch so stand. Aber bei dem gezockten Thrashcore mit jeder Menge MACHINE HEAD und SOULFLY-Einflüssen kann man wohl auch nicht wirklich anders. Die Musik geht direkt in die Fresse ohne vorher groß rumzulabern, da fällt es wirklich schwer, noch rechtzeitig auszuweichen.

Und wer ist nun an der Reihe? Hmm, irgendwie ist da eine Lücke in der Playlist. Da wird sich doch nicht etwa einer beim Zusammenstellen verrechnet haben? Nun ja, wird halt die gewonnene Stunde für Essen, Trinken und Schwatzen genutzt…

Ist es bei den vorangegangenen Bands immer noch erschreckend leer vor der Bühne gewesen, ändert dich dies nun schlagartig. Sei es durch die langsam verschwindende Sonne oder durch den mitgereisten Fanblock von MIGHT OF LILITH, jedenfalls können sich nun mal mehr als eine Handvoll Leute von Bierstand, Schattenbank oder Würstchengrill losreißen. Vielleicht ist aber auch die Band selbst nicht ganz unschuldig am plötzlichen Menschenauflauf, denn die Stuttgarter können die bereits auf ihrem Demo überzeugenden Songs sehr gut auf die Bühne übertragen. Black Metal mit Keyboard mag zwar nicht jedermanns Sache und schon gar nicht wahnsinnig originell sein, aber selten wird er so professionell, ansprechend und mitreißend rübergebracht.

ABROGATION reihen sich leider in die lange Liste der kurzfristig abgesagten Bands ein, als Ersatz springen aber freundlicherweise die Leipziger Black Metal Aufsteiger von GRABAK ein. Wem es zuvor zuviel Melodie und Schmulerei gab, der wird nun bestes mit einem kompromisslosen Schwarzmetall-Geballer zugedröhnt, bis ihm das umgedrehte Kreuz einmal durch den Darm gewandert ist. Viel Platz bleibt nicht, aber gelegentlich drängeln sich auch ein paar ruhigere Parts dazwischen. Für manch einen Geschmack vielleicht etwas zu wenig, aber Pandafreunde können an diesem Tag nichts Ansprechenderes finden.

Da DAWN OF FATE wegen eines fehlenden Schlagzeugers ebenfalls nicht spielen können, werden kurzerhand PHILOSOPHER aus Chemnitz eingeflogen. Die Lovecraft-Liebhaber haben einen störrischen Death Metal Bastard im Gepäck, der aufgrund seiner technischen Ausrichtung sicher nicht jedem Zuschauer auf Anhieb ins Gehör kriecht. Freunde von angefrickeltem Todesmörtel bekommen aber eine solide Grunzparade voller kleiner Überraschungen vorgesetzt.

Ebenso überraschend enterten dann doch noch die Jungs von DAWN OF FATE die Bühne, um zwischen Tür und Angel drei ihrer bekanntesten Songs vom Stapel zu lassen. Der Schlagzeuger der Torgauer Lokalmatadoren konnte sich doch noch von den Omis im Pflegeheim losreißen und so spielt man wenigstens einen Aushilfsgig. Kurz, aber schmerzhaft.
MOSHQUITO hingegen haben wieder alle Zeit der Welt, um die Massen mit ihrem Death Thrash zu heftigen Wutattacken anzutreiben. Unsereins treibt sich aber lieber am Grill herum, um sich eine Wurst reinzutreiben…

Mittlerweile ist es nämlich schon recht spät und da braucht man auch die letzten Kraftreserven, um noch bis zum Schlusspfiff durchhalten zu können. Die interessante Frage, was AGATHODAIMON nämlich in letzter Zeit so getrieben haben, wartet zwingend noch auf eine Antwort. Besetzungswechsel jedenfalls scheint es im Sonderangebot gegeben zu haben, unter den zwei Neuzugängen ist auch ein neuer Frontmann und ohne bereits im Vorfeld alles zu verteufeln: der Gig ist schlicht und einfach Mist. Obwohl bereits vom Vortag bekannt ist, dass Punkt 2 Uhr die Bude dicht gemacht werden wird, bequemt man sich erst nach einer Dreiviertelstunde Soundcheck gemeinsam auf die Bühne. Professionell wollen sie wirken, schick haben sie sich angezogen, aber furchtbar aufgesetzt, distanziert und uncharismatisch kommen sie letztlich rüber. Teilweise wirken sie wie eine Coverband von sich selbst. Verspieler und Aussetzer kann man mit einem lapidaren „das soll so sein“ auch nur überspielen, wenn man sich selbst einfach nicht so verdammt ernst nimmt. Dazu noch der schiefe Klargesang und die gewöhnungsbedürftigen Songs der letzten Scheibe – nein meine Herren, das ist einfach nichts. Und da braucht ihr auch nicht so verdattert aus der Wäsche zu kucken, wenn plötzlich eure Zeit rum und der Ofen aus ist.

www.in-flammen.com
Fotos von Madlen Krell

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