Nightwish After Forever Charon

Nightwish, After Forever, Charon

After ForeverCharonNightwish
Leipzig, Haus Auensee
07.09.2002
Das passte ja wie die Faust aufs Auge. Nachdem ich vor einigen Wochen erst NIGHTWISH und deren Alben wieder für mich entdeckt hatte, verabschiedeten sie auch noch zufälligerweise ihre aktuelle Europa-Tour mit einem Konzert in meiner Stadt Leipzig. Dies konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

So gings denn auf zum Haus Auensee und es setzte die erste Ernüchterung ein: Ich war zwar das letzte mal vor circa 4 Jahren in diesem Etablissement gewesen, aber an eines konnte ich mich noch genau erinnern: Diese schwarzgekleidete, von mir grob auf über 1000 Mann geschätzte Menschentraube vor dem Eingang würde da garantiert nicht ohne Verluste hereinpassen! Aber wie heisst es doch so schön: Was nicht passt, wird passend gemacht. Und deshalb blieb mir dann auch nichts anderes übrig, als mich brav am hinteren Ende anzustellen und in freudiger Erwartung körperlicher Nähe den Security-Flaschenhals anzusteuern. Da diese Herren besonders gründlich in der Ausübung ihrer Pflicht vorgingen (Warum wurden eigentlich keine Frauen abgetastet? Sind die etwa potentiell ungefährlicher??), war es auch nicht verwunderlich, dass bereits die ersten gedämpften Töne einer der Vorbands nach draussen drangen.
In mir kam aber was ganz anderes zum Vorschein, nämlich eine Stinkewut auf die Veranstalter. Wie kann man denn die Leute erst 5 Minuten vor Konzertbeginn hereinlassen? Da ist doch klar, dass da kaum einer rechtzeitig hereinkommt! Aber Hauptsache, der Bierwagen ist in Betrieb, so dass die draussen Wartenden auch schön ihr Geld abgeben...
Noch schlimmer wurde es aber, als ich dann nach einer Dreiviertel-Stunde endlich mal CHARON bei ihrem Abschiedssong livehaftig erspähen konnte. Denn bei meiner instinktiven Suche eines Erfrischungsgetränke-Standes (der Temperaturunterschied zur Aussenwelt betrug mindestens 15 Grad) ereilte mich der nächste Schock. Die wollten doch glatt 3€ für ein 0,3er Becher Bier haben! Ich dachte meine Brillengläser zerbersten, und schwor mir, dass ich denen keinen müden Cent mehr in den Rachen werfen würde, Durst hin oder her. Schliesslich war die Eintrittskarte mit 23,50€ auch nicht gerade ein Schnäppchen gewesen.

Meine Laune war wohl auf ihrem Tiefpunkt angekommen, und hätte wohl am treffendsten als "frustriert" bezeichnet werden können..

Nun, Ärger hin oder her, die Bands konnten wohl am wenigsten dafür, aber wie bereits erwähnt, bekam ich von CHARON, der einzigen mir nicht bekannten Band, nur das letzte Stück mit, und deren Stil erinnerte stark an HIM, nur nicht so schleimig und mit einer gehörigen Portion mehr Rock versehen. Schade, da hätte man sich durchaus noch was ansehen wollen. Ausserdem fiel mir hier bereits die gute Laune des Publikums auf, denn soviel Applaus bei einer Vorband hat man echt nicht alle Tage.

Meine Laune normalisierte sich zusehends, und hätte wohl als "ein bissel sauer, aber neugierig" bezeichnet werden können.

Kurze Zeit später waren AFTER FOREVER am Start, bei denen ich eigentlich erwartet hätte, dass die wenigsten sie kennen dürften, aber im Gegenteil: Sie wurden bereits gefeiert, als sie noch nichtmal die Bühne betreten hatten. Die Menge war wohl einfach gut drauf an diesem Abend. Trotz Klassik-Elementen vom Tape, konnten die Holländer mit ihrem Gothic-Metal von Beginn an punkten, besonders beeindruckend war allerdings Sängerin Floor, die mit ihrer glasklaren Sopran-Stimme die eine oder andere Gänsehaut hervorruf. Das restliche Arrangement musste da zwar einige Abstriche machen, insbesondere die Gitarren waren viel zu leise, aber aufgrund der einfühlsamen und gleichzeitig kraftvollen Kompositionen (grösstenteils nur vom aktuellen Album "Decipher", aber es gab auch einen IRON MAIDEN-Coversong) wurde jeder Song mit gebührendem Applaus bedacht, was auch die Band sichtlich rührte. Ich glaubte zwar immer noch, dass der Grossteil der Fans keine einzige Note der Band gekannt hatte (Dies war an der allgemeinen Mitklatsch-Verwirrtheit bei unerwarteten Breaks zu erahnen), aber AFTER FOREVER dürften an diesem Abend eine Menge neuer Fans gewonnen haben.

Meine Laune war auf ihrem Höhepunkt angelangt und hätte wohl am besten als "ekstatisch" bezeichnet werden können.

Nach einer guten halbe Stunde Umbauzeit (Obwohl kaum jemand über die Bühne hirschte) erschloss sich das gewohnte Bild: Hunderte erwartungshungriger Fans geiferten nach ihrer Lieblingsband, und als NIGHTWISH dann endlich loslegten, waren sie kaum noch zu halten. Man stelle sich das ungefähr so vor: Es erklingt die erste Handvoll Töne eines Songs, und alle um dich herum ticken vollständig aus. Das ist einfach der Wahnsinn und wurde von mir in dieser Form während meiner ganzen Konzertkarriere noch nicht erlebt. Neben einigen älteren Stücken, konzentrierte man sich zwar grösstenteils auf das gesamte Repertoire der "Century Child"-Scheibe, aber selbst die dort vorhandenen (und mir nicht sonderlich gefallenden) männlichen Gesangsparts kamen live richtig gut rüber. Zwischendurch stürmte dann auch noch die Crew der anderen Bands die Bühne, wobei die eine Hälfte irgendeinen untypischen alten Song (vielleicht wieder MAIDEN?) zum besten gab, während die anderen mit weissen Windeln, nacktem Oberkörper und einem aufgeklebten umgedrehten Kreuz auf der Brust herumalberten. Leider konnte ich das nicht vollends geniessen, da plötzlich neben mir ein Typ aus ungeklärtem Grunde wie ein gefällter Baum einfach umkippte und dann erstmal an die frische Luft gebracht werden musste. Ich hoffe, ihm ist nichts weiter passiert, aber die Hitze war wirklich kaum zum aushalten gewesen.
Das Programm neigte sich dann so langsam aber sicher seinem Ende zu, und als mit "Over The Hills And Far Away" der angeblich letzte Song gespielt wurde, war bei dieser Begeisterung natürlich eine lautstarke "Zugabe"-Forderung zu erwarten. Und was für eine. Abgedunkelter Hintergrund, Sängerin Tarja mit Mikro im Vordergrund, ihre Silhouette von rückstrahlenden roten Scheinwerfern umhüllt und dazu die traumhafte Ballade "Sleeping Sun". Wer würde sich da nicht auf der Stelle verlieben? Auf jeden Fall kreisten die brennenden Feuerzeuge und die angereisten Pärchen rückten noch ein wenig näher zusammen.
Obwohl jedem klar war, dass auch das schönste Konzert einmal ein Ende haben muss, hatte sich wohl jeder vor diesem Augenblick gefürchtet. Nach einem dramatischen Bedankungsakt bei jedem Tourmitwirkenden wurde mit "Wishmaster" der letzte Song der "Century Child"-2002-Tour gespielt, alle versammelten Bandmitglieder lagen sich herzend in den Armen und ich glaube, ich lüge nicht, wenn ich behaupte, dass es den auftretenden Bands mindestens genausoviel Spass gemacht hat, wie den begeisterten Fans. Da bleibt mir nur noch zu sagen: Bis zum nächsten Mal!

Meine Laune war nicht mehr in Worte zu fassen...
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