Norther Amoral Drone

Norther, Amoral, Drone

AmoralDroneNorther
Leipzig, Hellraiser
19.10.2007
Obwohl ich den Begriff “Post” sowohl im Zusammenhang mit unserem gelben Zustellunternehmen als auch als Präfix vor diversen Genrebezeichnungen verabscheue, lässt mich die Reminiszenz an das hier zu besprechende Konzert alleinig den Begriff Post-Thrash-Metal als unverrückbaren mentalen Anker im Gedächtnis lokalisieren. Drei Bands, davon zwei aus Finnland und eine aus Celle, gestalteten den Abend mit jeweils individuellen Klängen, die aber alle auf einer gemeinsamem Basis beruhten: dem guten alten Thrash. Was die Herren der Schöpfung daraus gebastelt haben, dies sollen euch nun die folgenden Zeilen hoffentlich etwas näher bringen.

Ort der Vorführung war einmal mehr der Hellraiser am Rande von Leipzigs Außenbezirken. Da die zu erwartende Nachfrage doch eher spärlich ausfiel, wurde seitens des Veranstalters entschieden, das Konzert, statt in der üblichen großen Konzerthalle, lieber im kleinen gemütlichen Nebenraum abzuhalten. Bei anderen Bands hatte sich das auch schon als vorteilhaft erwiesen, und auch dieses Mal verführte es die angereisten Gäste zu ansonsten undenkbarer Verbundenheit und einem unerwarteten Zusammengehörigkeitsgefühl. Bier und Toiletten waren dort ebenfalls vorhanden, warum also nicht die Laufwege verkürzen?

Der anfangs erwähnte deutsche Beitrag formierte sich unter dem Namen DRONE und umfasste insgesamt 4 gutgelaunte Herren, die auch sogleich mit ihrer modernen Version des Thrashs loslegten. Anstatt aber, wie durchaus im Genre üblich, die Gitarren gen höher, schneller und weiter driften zu lassen, spielte sich hier die Musik eher im flotten, aber niemals sich selbst überholenden Tempo ab. Dies bedeutete vor allem sehr eingängige Riffs, welche das Publikum dankend in sich aufsog, aber auch einige Elemente, die von Gelegenheits-Core-Trinkern sicher wohlwollend aufgenommen worden wären. Über allem thronte aber die überraschend ungewöhnliche Stimme von Sänger Moritz, die stets eine gewisse Rauheit besaß, aber sowohl gebrüllt, als auch gesungen einen hervorragenden Eindruck machte. Er war es dann auch, der sich bereits im zweiten Song als der Entertainer der Band herausstellte und mit einem besonders lässig angedachten Gitarrenschwung selbige von diversen Saiten befreite und als Folge dessen den Song eher gitarrenlos absolvieren musste. Der emotional vernachlässigte Bass von seinem Nebenmann fiel daraufhin auch noch mehrere Male komplett aus, so dass der Song zwar total verkorkst wurde, der Band aber zusammen mit den anschließenden Bierspielchen locker ein paar Sympathiepunkte verschaffte. Der Funke war also definitiv da, die Band sehr spiel- und bewegungsfreudig, das Publikum fand’s toll.
Größte Errungenschaft des Abends: Der Sänger verpasst dem Kopf der Bassgitarre eine Perücke aus Echthaar, bekommt davon selbst aber nicht das Geringste mit…

AMORAL sind schon etwas länger im Geschäft und haben mittlerweile schon drei Alben voll bekommen. Da man in ihrer Heimat auch gerne einmal melodischen Death Metal spielt, ist ihre Variante des Thrashs mit ebenjenem reichlich vollgestopft. Merklich aggressiver, aber nicht weniger gut gelaunt, fitzelten sich die Jungs durch ihren Set. Es dauerte zwar etwas länger, bis der Funke übersprang, aber bei der stets besser werdenden Songauswahl wanderten Stück für Stück mehr Fäuste gen Deckenwand. Gesanglich mussten zwar deutliche Abstriche gemacht werden, da das monotone Gebrüll auf Dauer doch etwas ermüdete, dafür überraschte die Gitarrenfraktion immer wieder mit ungewöhnlichen Rhythmen und selbst traditionellere Heavy Metal Soli ließen sich entdecken. Geschwitzt wurde jedenfalls reichlich, sowohl auf Band- wie auch auf Publikumsseite, also auch hier ein dicker Pluspunkt.
Größte Errungenschaft des Abends: Der Sänger stellt überraschend fest, dass sich seine Rotze auch prima an die Decke kleben lässt, wo sie dann genüsslich wieder heruntertropft…

Um NORTHER war es in letzter Zeit eher etwas ruhiger geworden, vor allem wenn man bedenkt, in welchem Takt sie zu Beginn ihrer Karriere Alben veröffentlicht haben. Da kam ein Wiedersehen mit den kleinen, aber engagierteren Brüdern von CHILDREN OF BODOM gerade richtig, um die alten Erinnerungen an tolle Songs wieder aufleben zu lassen. Zunächst noch recht reserviert auftretend zwängte sich sie Band auf die keyboardverstärkte Bühne, um ihre landestypische Variante des Thrashs darzubieten, dessen Ursprünge dank des Tasteninstruments nur noch marginal vorhanden sind. Der Bediener dieses Instruments hielt sich aber über weite Strecken bis auf diverse Soli eher zurück, so dass sirrende Gitarren und schmackige Melodien das Publikum zum Köpfeschütteln anregen konnten. Zwar war nach wie vor die schiere Anzahl der anwesenden Personen nicht besonders erwähnenswert, aber im Grunde handelte es sich dabei um diesen kleinen Kern, der stets vorn am Bühnenrand komplett mitmacht. Heute fehlten halt alle diese Herumsteher, aber die Stimmung war deswegen nicht weniger ausladend. Dies merkte irgendwann auch die Band selbst und schien sich noch ein wenig mehr anzustrengen, über Dialoge wie „Ficken…Arschficken - Shut the fuck up, I know what you are saying!“ wurde kurz geschmunzelt und bei Verhandlungen gegen Ende über die Anzahl der zu spielenden Zugaben, wurde sich zu Gunsten des Publikums auf 2 geeinigt. Tolle Stimmung, tolle Band, gelungenes Konzert.
Größte Errungenschaft des Abends: Der Sänger besitzt solch eine überraschend tiefe männliche Stimme trotz seines eher weiblichen Gesichts…
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