Chronical Moshers Open Air

Chronical Moshers Open Air

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Hauptmannsgrün, Mühlteich
13.06.2008
„Trinkwasserschutzgebiet!“ - Bei manchen Festivals lässt sich aufgrund dezenter Hinweise bereits erahnen, dass staubige Wüsteneien und verschlammte Traktor-Teststrecken im Bauzaunmantel nicht das Nonplusultra der Unterbringung sein können. Aus selbigem Grunde findet das alljährliche Treffen der Chronical Moshers wohl im vogtländischen Hauptmannsgrün statt, wo man auf saftigem Wiesengrund zwar leicht geneigt, aber dafür umso idyllischer zelten darf. Dass es dieses Jahr etwas kühler ist und die Tourbusse der ganz großen Bands wohl im schmal gehaltenen Straßennetz verschollen sind, bleibt somit zu verschmerzen – familiärer als beim CMOA dürfte es hierzulande kaum mehr gehen.

FREITAG

Der Freitag beginnt gegen 20 Uhr mit COMING FALL aus Zwickau, die nicht zuletzt aufgrund der personellen Parallelen etwas vom Geiste AEVERONs verbreiten. Musikalisch ebenfalls im melodischen Death verwurzelt, verzichtet man jedoch auf Keyboards und wagt sich bisweilen durchaus in schwarze Gefilde, wo AEVERON eher dem epischen Element frönen – Klargesang ist dementsprechend Mangelware.
Insgesamt kann die etwas statisch agierende Band vor Allem in spielerischer Hinsicht überzeugen und sollte sich mit ein wenig Entwicklungszeit durchaus etablieren können.

Durchaus etablieren sollten sich auf jeden Fall die nun folgenden STEELCLAD, deren absolut kultiger Heavy Metal zunächst aus dem Rahmen des Billings fällt.
Nach einem etwas versoffenen Gig im Skullcrusher entpuppen sich die Dresdner heute jedoch als stahlgewordene Retro-Kuttentiere vom Feinsten und wissen zudem, wie man im überwiegend erwartungsfreien Raum für Bewegung sorgt – zu Perlen wie „Hellraisers“, „Descending Archangels“ oder „Iron Law“ gehen Minuten später jedenfalls auch Leute ab, die RUNNING WILD, GRAVE DIGGER, OMEN oder frühe MANOWAR ansonsten eher schwul finden (müssen) und Spandexhosen nebst Kettenhemdlätzchen nur von YouTube kennen.
Dass der Dudelsack etwas untergeht, wiegt die Band mit einer gitarregewordenen Kutte samt Patches und Lebensweisheiten des Kalibers „...das heißt nicht Prost, sondern Priest!“ mühelos auf; glückliche Gesichter und eine verdiente Zugabe sind logische Folge dieser grandiosen Darbietung.

Nach STEELCLAD kann es eigentlich nur noch die zweitbeste Band des Festivals geben, und um diesen Titel bewerben sich anschließend erst einmal PURGATORY. Die Sachsen genießen im Untergrund einen guten Ruf und haben mit „Cultus Luciferii“ zudem eine recht starke Platte im Rücken – auf der Karte steht folglich solide bolzender Oldschool-Beschuss, der im sich mehrenden Publikum offene Türen einrennt und dem Schreiber zumindest ins Gedächtnis ruft, dass die Band doch eigentlich gar nicht mal so schlecht ist. Das ist subjektiv natürlich noch nicht ganz das Limit, reicht jedoch zuverlässig für den GRAVE-Effekt: Platte anhören geht nicht, aber live wird ab dem dritten Song durchgängig der Nacken bearbeitet.

Den Abschluss des ersten Tages besorgen dann die Lokalmatadoren ARTLESS, die aufgrund einer Shirtdichte von gut 50 % reichlich Zuspruch finden und den beliebten vogtländischen Klassiker „Gehacktes am Stück“ servieren. Da sich dieser über weite Strecken genauso kunstvoll wie der Bandname ausnimmt, gewinnen später andere, oftmals unterschätzte Beschäftigungen die Oberhand: Trinken, angetrunkene Konversation, sowie reichlich betrunkene STEELCLAD-Beweihräucherung sind schließlich akzeptable Alternativen zu einer solide abgefeierten Hausband, von der man sich jedoch nicht unbedingt einen Patch auf die Kutte nageln würde.

SONNABEND

Rührei mit Schinken, frische Brötchen, heißer Kaffee – nicht nur DEFLORATION-Fronthühne Uwe weiß die Vorteile eines reichhaltigen Frühstücks zu schätzen, wenn es um die Fütterung des morgendlichen Katers geht. Auch den Rest der Bewohner von gut 50 Zelten zieht es nach und nach gen Festplatz, um sich für einen weiteren Tag zu wappnen und dem ersten musikalischen Häppchen eine kulinarische Grundlage zu schaffen.
Auf selbiger schlagen in der Folge dann HIAM auf, die es heute jedoch verdammt schwer haben: Ihr grundsätzlich reizvolles Gemisch aus Death und Doom ist einfach zu zähflüssig, zu fordernd, als dass es im mäßig gefüllten Auditorium auf Resonanz stoßen würde. Daran ändern auch die gefällige Performance der Band und ein paar schöne Steigerungen im dramatischen Bereich nur wenig – HIAM wären eher ein Fall für die Nachtstunden gewesen, in denen diese Form der Musik vielleicht andere Wirkung zu erzielen vermag.

Umso erfrischender spielen die Thüringer MORTJURI auf, welche die letzten Wochen nach eigener Aussage vorrangig damit verbracht haben, einen Bassisten und einen Zweitgitarristen anzulernen. Musikalisch gibt es Schwarzmetall mit effektiv eingesetzten Keyboards, der sich hörbar an die zweite Hälfte der 90er anlehnt und bisweilen ein paar forsche Blicke in Richtung Death Metal wagt – nicht unbedingt innovativ also, aber mit einem stimmigen Gesamtbild gesegnet und vor Allem sympathisch transportiert. Gerade der Sänger kann durch seine lockere Art ebenso begeistern wie mit frostig-fiesem Gekeife, während der geborgte Zweitgitarrist aufgrund seiner Liveerfahrung bei FALL OF SERENITY recht bewegungsfreudig die Bühne erkundet.
Klasse Songs, vereinnahmende Band und reichlich Spielfreude – MORTJURI machen heute eigentlich alles richtig, auch wenn der etwas undifferenzierte Sound (Keyboard, Stimme) dem Material leider nicht vollauf gerecht wird.

Das ändert sich anschließend bei RECAPTURE, deren urige Thrashgranaten fast schon physisch einschlagen und manchmal vergessen lassen, wie lange die Hallenser schon im Geschäft sind. Unermüdlich holzen sich Frontfrau Michelle und Band durch ein Best Of der eigenen Geschichte, posen das Blaue vom Himmel und fordern als erste Protagonisten des Abends wirklich das Publikum, welches dem musikalischen Moshbefehl dann auch in steigendem Maße nachkommt. Man mag zur Musik stehen wie man will: Bei soviel Herzblut fliegt irgendwann auch der faulste Schopf und RECAPTURE zementieren ihren Ruf als unkaputtbares Metalkommando ein weiteres Mal.

Nicht ganz so unkaputtbar sind heute SPAWN, die neben ihrem gewohnt deftig walzenden Riffgewitter auch eine angeschlagene Kehle mitbringen. Musikalisch jedenfalls liegt beim bisweilen arg zerbreakten, aber stets saftigen Material alles im grünen Bereich, als man ankündigt, dass von den drei noch geplanten Songs mit viel Mühe einer zu schaffen sei: Eine nicht vollständig verheilte Stimmbandentzündung macht dem sichtlich kämpfenden Fronthühnen das Singen zur Tortur, was die bis dahin überaus tight agierenden Berliner zu dieser unglücklichen Entscheidung zwingt. So lässt sich das folgende „Hammer Smashed Face“ denn auch nur mit geschlossenen Augen genießen – auf der Bühne wird vermutlich bereits Blut gespuckt...

Da ABROGATION meinerseits leider einem Auftrag als Empfangskommando weichen müssen, sind DISREPUTE die nächste Station, und selbige gehen bei der Releaseshow zur neuen Scheibe „Hunting The Scum“ auch gleich ordentlich in die Vollen. Der spielfreudige Death Metal mit Thrashkante gibt sich bangerfreundlich und kommt herkunftsbedingt sehr gut an – bis im dritten Song aus heiterem Himmel das Fell der Bassdrum kollabiert. Ein paar Minuten und spätpubertäre Belanglosigkeiten später hat sich allerdings auch dieses Problem erledigt, so dass dem Vergnügen nichts mehr im Wege steht: Ein guter Gig auf hohem Undergroundniveau, der zudem durch den knalligen Sound punkten kann.

„Satan's Soldiers Syndicate“ als Einstieg - DESASTER wissen längst, dass der Titelsong der letzten Scheibe eines jener Stücke ist, die man nur ein einziges Mal – und dann für die Ewigkeit – schreibt. Dementsprechend werden die Thrasher von der ersten Note an abgefeiert, was sie jedoch nur als Anreiz nehmen, mit „Teutonic Steel“, „Tyrants Of The Netherworld“, „Hellbangers“, oder dem abschließenden „Metallized Blood“ stetig weiteres Öl in ein nie verlöschendes Feuer zu gießen. Keine Ahnung, wie diese Band noch besser werden soll, aber in puncto Publikumsbindung, Spielfreude und der Verbindung aus Qualitätsware und dem Verkauf derselben sind DESASTER auch weiterhin eine der ganz großen Hausnummern.

Gleiches gilt in eingeschränktem Maße auch für MANOS, welche zumindest die Performance-Seite unter Haben verbuchen können. Das macht Songs wie „Hol mir 'ne Bockwurst“, „Komm in den Garten“ und andere Geschmacksexperimente nicht besser, doch wenn sich fünfzig Biene-Maja-Metaller auf der Bühne tummeln, bis das Mikro von selbiger fällt, dann hat das zumindest einen gewissen Schauwert.
Ebenso regelt die 5-Meter-Bockwurst natürlich (wir haben aufgegessen), wie auch die zum Spielen mitgebrachte Kinderrutsche von der Bühne ins Auditorium, die etwa 100 rutschwütige Langhaardackel zum Grinsen bringt, und nicht zuletzt das grüne Aufblaskrokodil, welches die Gitarre leider schon nach dem vierten Song verlassen muss.
MANOS sind also eigentlich wie immer: Irgendwie grenzwertig, aber gegen alle Wahrscheinlichkeit amüsant. Und das sorgt immerhin für das vollste Zelt des Festivals.

Amüsant sind LAY DOWN ROTTEN dann lediglich in den Zwischenansagen, ansonsten wird standesgemäß alles ausgebombt, was auch nur ansatzweise wagt, dem Soundorkan entgegen zu treten. Im ausgewogenen Set der Wessis findet sich dabei nicht nur der Titeltrack der letzten Scheiblette „Reconquering The Pit“, sondern auch hochkalibrige Abrissbirnen von älteren Scheiben wie „Bleeding Insanity“ oder dem Erstling, die allesamt sehr agil dargeboten werden.
Überhaupt hat die Band im Bühnengebaren einen großen Schritt nach vorn gemacht und vermittelt durch stete Bewegung und den propellerbangenden Drummer nun ein sehr lebendiges Gefühl – Respekt daher nicht zuletzt vor diesem beeindruckenden Reifeprozess in puncto Präsentation.

Sowohl Songwriting als auch Präsentation fallen dann bei MASTER etwas puristischer aus, wenn man denn diesen Begriff strapazieren möchte: Drei Männer, ein Song – macht was draus. Machen wir jedoch nicht allzu lange, da nach dem ersten Knüppelsturm (Ankündigung: „So you want an intro – take this...“) und „Slaves To Society“, sowie der rührenden Familiengeschichte der Speckmanns samt Scheidung und bösem, gläubigem Stiefpapa nur ein Eindruck Bestand hat: MASTER haben mit MOTÖRHEAD nicht nur die Songstrukturen gemein, sondern auch die Affinität zu schmerzhafter Lautstärke. Letztere ist dann auch der größte Kritikpunkt an einem notorisch stumpfen, aber ansonsten durchaus sympathischen Gig, den man sich vielleicht in fünf Jahren wieder mit neuem Enthusiasmus antun könnte.

Was heißt das nun für das CMOA als Ganzes? - Nun, zunächst bleibt festzuhalten, dass STEELCLAD leider nur einmal auftreten durften: Gerechterweise und im Sinne der allgemeinen Grundbefindlichkeit müsste man diese Band als obligatorische Lockerungsübung an jedem Festivaltag bringen.
Desweiteren sollte man auf Seiten des Veranstalters natürlich darüber nachdenken, das Treffen an einen anderen Ort (Anregungen siehe Einleitung) zu verlagern: Müllfreie Zeltplätze, saubere Luft, Wald- und Wiesenromantik, sowie ein Badesee scheinen dem gemeinen Fan nicht nur unvermittelbar zu sein, sondern stehen bei moderaten Preisen dem Grundbedürfnis nach asozialem Luxusvergnügen diametral entgegen.
Sollten diese kleinen Kanten ausgemerzt werden und die Securities beim nächsten Mal etwas ungerechtfertigten Biss mitbringen, könnte aus dem CMOA bald etwas ganz Großes werden. Ansonsten darf man sich auch 2009 auf ein entspanntes Underground-Event freuen, das neben Musik und Natur eine Menge Charme bietet, den man andernorts offenbar fein säuberlich mit den blauen Säcken auf Parkfläche G 71 entsorgt hat.


Riesendank für die Fotos an M. Egert - www.friendsofmisery.de

Bildergalerie

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