Darkness Over X-Mas Tour

Darkness Over X-Mas Tour

AnimaCallejónLay Down RottenLegion Of The DamnedNeaeraSonic Syndicate
Köln, Essigfabrik
25.12.2008
Eben noch hat man sich den Bauch mit Festtagsessen vollgeschlagen, da geht es auch schon los, um der weihnachtlichen Trägheit und Besinnlichkeit nachhaltig zu Leibe zu rücken beim Auftaktkonzert der diesjährigen Darkness Over X-Mas Minitour, das mit Beginn um 18 Uhr wirklich fast vom Esstisch ins Auto lockt um rechtzeitig anwesend zu sein.
Die überraschend leicht zu findende Essigfabrik kann den guten ersten Eindruck über den ganzen Abend bestätigen mit nettem Personal von Eingang bis Theke und der mehr breite als tiefe Raum vor der Bühne sorgt dafür, dass man sich die Bands auch noch aus der Nähe anschauen kann, wenn man sich nicht in den direkten Einzugsbereich etwaiger Pits begeben möchte.

Eröffnet wird der bunte Reigen im den ganzen Abend über streng eingehaltenen Zeitplan von ANIMA, die mit ihrem Deathcore samt Grindeinlagen auch den wenigen auszumachenden Nikolausmützenträgern gleich mal ordentlich die Bratenreste aus dem Gesicht blasen. Die häufig gezeigte Jesus-am-Kreuz Haltung von Sänger Robert ist zwar ungefähr so gewöhnungsbedürftig wie der Einstieg in den Abend mit der heftigsten Musik für längere Zeit, aber nachdem sich die Gehörgänge auf das Gemetzel eingestellt haben, kann ANIMA vor allem gen Ende überzeugen, als die Lieder eine Spur mehr Groove haben. Besonders der Titeltrack des aktuellen Albums „The Daily Grind“ sorgt dann auch für Ovationen abseits der zahlreich vertretenen „Haare & Mütze müssen für den richtigen Style besonders merkwürdig auf und um den Kopf drapiert sein“ Fraktion.

Da sind die Old School Deather von LAY DOWN ROTTEN doch ein wenig anders gepolt und sogleich verändert sich die Zusammensetzung der Menge vor der Bühne drastisch, wobei der „Metalcore ist kein Metal und moderne Musik ist eh doof“ Anteil im Publikum zahlenmäßig nicht ganz so groß ist (und die Kuttenzahl gar nur bei 1). Auswirkungen auf die gelassene Stimmung der Band und die nicht ohne eine gewisse Ironie vorgetragenen Ansagen zwischen den Liedern hat das zum Glück aber nicht. Obwohl mir der Auftritt und die mit leichtem Groove versehenen Lieder gut gefallen und überhaupt das gesamte Auftreten der Band sehr sympathisch rüberkommt, zündet LAY DOWN ROTTEN noch nicht so richtig. Mit einer langsamen Steigerung der Stimmung fügt sich die Band aber passend in die Auftrittsreihenfolge ein.

Als die (Fast-) Lokalmatadore von CALLEJÓN mit dem neuen Album „Zombieactionhauptquartier“ im Gepäck die Bühne betreten, wird es erstmals so richtig laut im Publikum. Offenbar haben nicht nur ein paar Fans diesen Auftritt herbeigesehnt und so werden gleich sämtliche Arme und Beine vor der Bühne wild durch die Gegend geschleudert, und selbst die meisten neuen Lieder schon textsicher und hörbar mitgesungen. Ganz großartig auch die kurze Walzereinlage einiger Mosher im Pit zu den entsprechenden Klängen in „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Der Band scheint es genauso gut zu gefallen und so wird auf der Bühne genauso Vollgas gegeben. Passend zum „Zombiecore“ von CALLEJÓN hat sich Sänger Bastian, der auch für das gesamte optische Konzept der Band in den Booklets etc. verantwortlich ist, ein wenig dunkle Schminke ins Gesicht geschmiert, hat zum Glück aber ein deutlich höheres Energielevel und Bewegungspotential als der gewöhnliche Durchschnittszombie im Film. Nachdem ein Großteil der Lieder des neuen Albums in den Auftritt eingebaut worden ist, was auch für Menschen, die mit dem neuen Material noch nicht vertraut sind, an den deutlich signifikanteren Gitarrenleads erkennbar ist und sich besonders „Zombiefied“ als Mitsingkracher entpuppt, muss als würdiger Abschluss natürlich das „verdammte“ (O-Ton Bastian) „Snake Mountain“ herhalten und ein letztes Mal werden sämtliche Extremitäten munter durch die Walachei geschwungen.
Zu diesem energetischen und aus meiner Sicht sehr guten Auftritt bleibt zu sagen, dass einige der auf Platte manchmal etwas weichgespült klingenden und zu leichtem Fremdschämen animierenden Klargesangspassagen live zum Glück deutlich rauer und härter rüberkommen (ähnlich wie bei NARZISS), und die Band sich ihres zwiegespaltenen Images nicht nur bewusst scheint, sondern dass auch noch mit einer schnoddrigen Widmung von „Tanz der Teufel“ an „alle, die uns hassen“ zum Ausdruck bringt.

Mit NEAERA betritt danach die Band die Bühne, auf die sich vermutlich die meisten Anwesenden am ehesten einigen könnten, sollte mal eine Jukebox nur mit Alben der an diesem Abend auftretenden Künstler zur Verfügung stehen. Von einer wirklichen Konsensband ist die Münsteraner Dampfwalze aber zum Glück noch weit entfernt und so drückt dem Publikum von Beginn an die gewohnt überwältigende Soundwand so wuchtig entgegen, dass man sich fast waagerecht nach vorne gebeugt dagegen lehnen könnte. Die hinzugewonnene Erfahrung der letzten Jahre spürt man deutlich und so wirken die Jungs heute deutlich präsenter und gleichzeitig lockerer als beim letzten Mal, als ich sie gesehen habe (Summerblast Festival 2006) und auch die Identifikation der verschiedenen Lieder fällt mir bei dem guten Sound heute deutlich leichter. Aufgrund der Intensität, dem großen Publikumszuspruch und der gut aufgelegten Band noch mal eine leichte Steigerung im Vergleich zu CALLEJÓN.

Nachdem man sich bisher ausschließlich in einheimischen Gefilden bewegt hat, wird es Zeit für unsere holländischen Freunde LEGION OF THE DAMNED dem Publikum zu zeigen, wo der Bartel den Most holt. Und mit der Erfahrung von Auftritten an jeder Steckdose, die bei Drei nicht auf dem Baum war, gelingt das der Truppe um Sänger Maurice Swinkels scheinbar spielerisch. Der geringere Publikumszuspruch als bei den zwei unmittelbar vorher auftretenden Bands und leichte Veralberungsversuche durch junge Frisurexperten können hier niemanden verunsichern, und wenn ich NEAERA als Dampfwalze tituliere, sind LOTD ein Fleisch gewordener Bulldozer. Mit Begeisterung, Präzision und Geschwindigkeit wird auf der Bühne der Thrash-Orkan entfesselt, der die Köpfe von vielen Zuschauern so ins Wirbeln bringt, dass die Haare erst Minuten nach Ende des Auftritts wieder zum Stillstand kommen.
Selbst wenn man manchmal den Eindruck gewinnen kann, dass die LEGION so etwas wie eine Brachial-Thrash Variante der RAMONES oder von MOTÖRHEAD ist, präsentieren sie sich live doch eigentlich immer als Macht und da wird es fast schon ein bisschen nebensächlich, ob man „Legion of the Damned“, „Sons of the Jackal“ oder „Werewolf Corpse“ wirklich während dem richtigen Lied mitgebrüllt hat.

Zum Abschluss gibt es dann die wohl streitbarste und meist diskutierte Band der letzten Zeit mit den schwedischen SONIC SYNDICATE, die sich bei ihren diversen Fotoshoots scheinbar für keinen VILLAGE PEOPLE Look-A-Like Wettbewerb zu schade sind. Ich würde jetzt gerne schreiben, dass sich die Band live von einer anderen, deutlich besseren Seite präsentiert hat, aber die Frisuren, die wie eine Mischung aus Emocore / Metalcore Chic und 80er Haarspray Look aussehen, sind im Endeffekt nur so etwas wie die Sahnehaube (erst recht, wenn man Melodic Death Metal spielen will). Denn gleich mehrere Kardinalsfehler sind keiner Band live zu verzeihen. Die, zugegeben, recht hübsche Bassistin darf sich in der Bühnenmitte und auf den Monitorboxen so viel präsentieren und produzieren, dass gleich zwei Sänger daneben erstaunlich unwichtig wirken. Und die Musik verfügt zwar über eingängige Melodien, plätschert aber gerade für einen Liveauftritt erstaunlich seicht am Hörer vorbei, und zusätzlich wirkt mehr als nur ein bisschen eher ab- als live gespielt (Keyboard, Backing Vocals, …). Mit so einem seelenlosen Auftritt wird man trotz aller verwandtschaftlichen Verbindungen in der Gruppe und gegenteiliger Interviewaussagen das Casting Band Image auf jeden Fall nicht so bald loswerden…

So geht ein unterhaltsamer Abend noch vor Mitternacht zu Ende und im Rückblick kann man sagen, dass dieses abwechslungsreiche und unterhaltsame Aufgebot zumindest für einigermaßen vielseitig interessierte Fans absolut gelungen war, erst Recht weil die Intensität und Qualität der Auftritte sich stetig steigerte, mit der unrühmlichen Ausnahme des, an diesem Abend, Headliners SONIC SYNDICATE. Aber das ändert nichts daran, dass die Darkness Over X-Mas Tour sich als gelungenes Geschenk an den Tagen zwischen den Jahren präsentierte, welches wahrscheinlich so manchen glücklicher gemacht hat als die zahlreichen Missgriffe, die schon ab dem späten Heiligabend bei einschlägigen Internetauktionshäusern zum Verkauf eingestellt wurden…
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