Euroblast Vol. 6

Euroblast Vol. 6

AliasesBloodspotChimp SpannerEryn Non Dae.MonumentsProghma-CSyranicUneven StructureVildhjarta
Köln, Bogen 2
23.10.2010
Zum 6. Mal haben die Freunde der Bloodchamber vom Euroblast bereits eingeladen, den Tag mit Wirbelmusik aus dem Underground zu verbringen. Das Motto dieser Auflage lautet „got-djent?“, was sich auf den Gitarrenklang bzw. die Spielart bezieht und in der Wirkung grob so verstanden werden kann, dass die Eingeweide in polyrhythmischer MESHUGGAH-Manier noch mehr massiert werden als üblich. Wie der Tag zeigen wird, lässt dieser Ausgangspunkt viele verschiedene Djent Deutungen zu, zehn gleich klingende Bands wären ja auch langweilig.

Trotz leichter Startverspätung der Veranstaltung liegen BLOODSPOT fast schon in den letzten Zügen, als ich im gut geheizten Bogen 2 ankomme. Was ich zu der Zeit nur ahnen kann, ist der Fakt, dass es den ganzen Abend kaum noch geradliniger als gerade werden wird. Zum Glück für die Band und dank einiger kreuz und quer aus Europa angereister Djentlemen konnten sie dennoch vor so viel gut gelauntem Publikum eröffnen, wie wohl noch nie auf dem Euroblast vor 17 Uhr gesehen ward.

Es liegt an SYRANIC aus Aachen, ein paar Kohlen nachzulegen, um die Stimmung weiter anzuheizen. So ganz aus dem Quark kommen die Leute aber noch nicht. Einige ungewöhnlich, zum Teil auch unharmonisch getimete Breaks und der verbesserungsfähige doppelte Cleangesang sind allerdings auch Hindernisse, die in einer halben Stunde kaum überwunden werden können. Nach der unterhaltsamen Überbrückung von kleineren technischen Schwierigkeiten mit dem Bass geht deshalb auch der Plan nicht auf, beim letzten Lied ein Pit in Gang zu bringen.

Die Teilösterreicher DIVINE TEMPTATION versuchen daraufhin mit allen Mitteln, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen: Zu den Klängen von „Drop It Like It’s Hot“ werden kleine Schnapsfläschchen an diejenigen gereicht, die sich direkt vor die Bühne wagen. Die „Wes Schnaps ich trink, des Lied ich sing“ Taktik wirkt bei den ersten Reihen, dahinter bleibt der Funkenflug aber voerst gering, die Konzentration der Band während der Lieder fordert ihren showtechnischen Tribut. Dennoch wirken die Liedteile nicht immer greifbar miteinander verzahnt, der auf den Backgroundgesang angewandte Effekt irritiert und Fronter Marco braucht einige Zeit, bis er auch beim Cleangesang bei Luft bleibt. Ausbaufähig.

Ganz anders sieht das bei UNEVEN STRUCTURE aus. Vertrackt, verkopft und mächtig noisy wummern die Klänge der Franzosen durch die zuckenden Körper, während Fronter Matthieu den Krawallheinz am Mikro gibt und damit einen willkommenen Kontrast zu seinen sehr konzentrierten Mitmusikanten an den Instrumenten liefert, der den Bogen 2 zum ersten Mal brodeln lässt. Die Mixtur aus gegensätzlichem tiefem Gewummer und hohem PlingPlang – Wo wenn nicht beim Djent ist ein wenig Onomatopoesie erlaubt? – erzeugt eine erstaunlich homogene Welt. Als auf einmal das Licht angeht, ist die am weitesten verbreitete Reaktion ein von enttäuschtem Oh begleitetes „War es das wirklich schon?“ Leider ja.

Jetzt ist die Menge voll in Fahrt, die Polen PROGHMA-C sind dran und geben dem Namen Euroblast gleichzeitig mehr Inhalt. Der Aufprall auf die Geräuschlandschaft ist weniger frontal als bei UNEVEN STRUCTURE, die Innereienmassage fällt dafür noch intensiver aus. Zäh und wuchtig wabert die Musik, während Sänger Piotr sich als überraschend introvertiert und filigran agierender Hool-Lookalike entpuppt. Mit der Zeit wird daraus eine Gratwanderung zwischen Introvertiert- und Selbstverliebtheit, ein wenig mehr Ansprache ans Publikum könnte das in Zukunft vielleicht zum allgemeinen Wohlgefallen eindeutig auflösen. Ob die Texte den letzten Kegelabend oder etwas Gehaltvolleres beschreiben bleibt unbeantwortet, ist bei der Ausstrahlung der Musik aber nebensächlich. Wirklich schade, dass man dazu kaum mehr als wogen kann.

Dass sich alle Auftrittszeiten mittlerweile noch weiter verschoben haben, ist deutlich leichter zu verschmerzen als der krasse Wechsel, der dank ERYN NON DAE. ins Haus steht. Bis über die Schmerzgrenze auf Krachkrawall gebürstet zerren die Franzosen mit dem sich wie ein Hardcoreshouter gebärenden Mathieu an meinen Nerven. Die verstörende Atmosphäre durch fehlende Lichteffekte, die mindestens einen Musikerkopf ständig im Dunkeln lässt, und die selbst zwischen den Liedern nicht pausierende Lärmkaskade tragen dazu bei, dass die frische Luft vor der Tür wesentlich freundlicher wirkt als der musifikalizierte Kopfschmerz auf der Bühne. Das reißt auch die kuriose Negligé-Frisur von Basser Mika nicht raus, die nur aus einem Pony bestehend weniger verhüllt als zeigt.

Umso erfrischender klingen die folgenden ALIASES, die vorhandene und gen Ende der eigenen Lieder selbst erzeugte Knoten im Hirn mit Schmackes zerschlagen. Endlich eine Band, die ordentlich nach vorne geht! Selbst in den anspruchsvolleren Teilen sieht man, dass die Briten den Unterhaltungswert heute höher werten als den Anspruch, das Set absolut fehlerfrei darzubieten. Gerade am vor lauter Vertrackung und Rhythmentrommelfeuer überlaufenden heutigen Tag eine willkommene Abwechslung, die sich erst gen Ende etwas abnutzt, weil die Riffs und der Gesang auf die Dauer doch etwas unspeziell klingen. Dennoch ein gelungener Auftritt, der Lust auf mehr macht.

Knapp, aber am Ende doch eindeutig, geht der Preis für den am schlechtesten auszusprechenden Namen an VILDHJARTA, die sich mit zu Beginn an den Saiteninstrumenten (wie meistens heute übrigens mit mehr als den üblichen vier bzw. sechs Saiten ausgestattet) befestigten Deutschland Fahnen weniger anbiedern wollen als sich für die ausführliche Huldigung des Djent zu bedanken. Die stark auf Einschläge durch Wucht- und Hämmermomente ausgelegte Musik der Schweden mit den etwas anderen Gitarrenklängen überzeugt allerdings nicht vollständig. Der Slot nach ALIASES ist sicher nicht der dankbarste, aber auch an anderer Position sollte man meinen, dass mehr herauszuholen sein müsste, erst recht wenn man zwei nur mit Singen beschäftigte Mitglieder im Boot hat. Insgesamt deutlich weniger besonders als vorher angenommen.

Sicher auch wegen der fortschreitenden Uhrzeit – 0:30 Uhr zeigt sie mittlerweile - haben sich die Reihen spürbar gelichtet, als CHIMP SPANNER loslegen. Auf Platte ein Soloprojekt von MONUMENTS Hexer Paul Antonio Ortiz, wird er live von einigen Kollegen seiner Hauptband unterstützt. Im ersten Moment scheint es mutig, fast schon übermütig, nach dem langen Tag jetzt ein Instrumentalprojekt auf die Bühne zu stellen, doch CHIMP SPANNER können über derlei profane Befürchtungen nur schmunzeln, viel zu fetzig, liedweise unglaublich fesselnd gestaltet sich die Musik. Live habe ich wohl noch nie einen derart intensiven, mitreißenden und spannenden rein instrumentalen Auftritt erlebt. Klasse!

Der Headliner MONUMENTS füllt zum Abschluss seine Rolle von Anfang bis Ende aus. Eine Menge Leben und Lust steckt drin und wird prima transportiert von den zwei Sängern, die die Briten deutlich besser einsetzen und nutzen als VILDHJARTA eben noch. Bei der zehnten Band des Tages funktionieren die Publikumsanimationen so spielend, als ob es vorher den ganzen Tag keine gegeben hätte und die Meute voller gierigem Hunger nach Bühnenworten wäre. Alles, was noch da ist und noch stehen kann, schwoft und wogt zu den zwischen Stakkatofeuer und langgezogenen, atmosphärischen Klängen pendelnden MONUMENTS, weil ihre Musik nicht nur durchdacht ist, sondern erstaunlicherweise auch so gut wie keine Eingewöhnungszeit braucht und sofort zündet. Herausragend!

Die beste Band zum Schluss aufzubieten, das nennt man wohl die Kirsche auf dem gelungenen Organisationskuchen, bei dem die Erfahrung der bisherigen Euroblast Auflagen sichtbar war. Gutes wurde beibehalten, wie die jungen Damen, die mit Tabletts voll mundgerecht präpariertem Obst Runden durch den Konzertraum drehen, der Grillstand wurde verbessert und Drumherum lief, soweit ersichtlich, alles völlig reibungslos. Wieder eine sehr gelungene Veranstaltung, selbst wenn der Gedankenkrug der Musikaufnahmefähigkeit dank der Komplexität und Menge der auftretenden Bands nachher so randvoll war, dass ich am nächsten Tag nur EDGUY hören mochte.

Sehr vielen Dank für die Bilder an Thorsten von ShodanDesign!

http://www.myspace.com/bloodspot
http://www.myspace.com/syranic
http://www.myspace.com/divinetemptation
http://www.myspace.com/unevenstructure
http://www.myspace.com/proghmac
http://www.myspace.com/end1freefr
http://www.myspace.com/aliases
http://www.myspace.com/vildhjarta
http://www.myspace.com/chimpspanner
http://www.myspace.com/thisismonuments

http://www.euroblast.net/

Bildergalerie

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