Ragnarok Nervochaos Vermin

Ragnarok, Nervochaos, Vermin

NervochaosRagnarokVermin
Leipzig, Stö
24.03.2011
Zu den wirklich großen Bands haben RAGNAROK selbst zur goldenen Zeit des Black Metals nicht gehört, obwohl man Mitte der 90er Jahre mit "Nattferd" (1995) und "Arising Realm" (1997) zwei starke Alben veröffentlichte. Ein Grund dafür mag - neben reichlich Labelquerelen - die stilistische Gratwanderung er Norweger gewesen sein, die im Gegensatz zu ihren Landsmännern stets hörbar der schwedischen Tradition verhaftet waren und so vielleicht ein wenig zwischen den Stühlen saßen. Nach Lineupschwierigkeiten und ein paar obskuren Folgewerken war 2004 dann erst einmal Schluss, bevor die Band 2008 in komplett neuer Formation wieder auftauchte: Vom Gründungsteam war nur noch Schlagzeuger Jontho an Bord, dazu kamen SVARTTJERNs Hans Fyrste als Sänger, sowie zwei Überläufer von CARPTICON.
Die 2010 in dieser Aufstellung eingespielte Scheibe "Collectors Of The King" wiederum ist es, die uns heute Abend in den Genuss eines intimen Gastspiels bringen soll, denn die Leipziger Stö fasst mit gutem Willen vielleicht 70 Leute - angesichts des mindestens doppelt so groß wirkenden Tourliners kann man sich ein Grinsen schwer verkneifen. Davon abgesehen verspricht das Ambiente samt unverputztem Mauerwerk und stählerner Schutztür aber einen angenehm ursprünglichen Abend, also rein in die gute Stube.

Den ersten Slot bestreiten gegen 22 Uhr die Bayreuther VERMIN, die sich der Verbindung von Oldschool Death amerikanischer Prägung und leicht progressivem Thrash verschrieben haben. Liest sich auf dem Papier schon etwas anstrengend und ist auch live zumindest mit Einarbeitungszeit verbunden, denn zahlreiche Breaks haben neben musikalischer auch stilistische Bedeutung. Das in relativ ausufernde Songs verpackte Material wirkt demnach oft sprunghaft, walzt im einen Moment in bester Florida-Manier durchs Gehölz, um Sekunden später technisch versierte Kost mit hörbarem Bay Area-Einschlag zum Besten zu geben. Sollten MONSTROSITY irgendwann mal das nie angekündigte MEGADETH-Coveralbum veröffentlichen, dann sind VERMIN-Fans zumindest theoretisch sehr gut vorbereitet. Praktisch indes fehlt der Band derzeit noch ein wenig die Intuition, will sagen: das Bauchgefühl, mit dem man aus hörbar unterschiedlichen Einflüssen ein schlüssiges Ganzes erschafft.
(Spiel-) Technisch hingegen gibt es absolut nichts zu bemängeln: Der Sound ist für nur eine Gitarre ziemlich fett, das Schlagzeugspiel abwechslungsreich und mit einer Prise Humor dargeboten, die Band wirkt aufeinander eingespielt und das Klangpaket insgesamt überraschend ausgewogen und für die Räumlichkeiten exzellent abgemischt. Gratulation dem Soundmann, für die Band heißt es dranbleiben und das Publikum in Zukunft vielleicht noch offensiver mitnehmen - gemosht wurde in den vorderen Reihen nämlich durchaus.

Nach einer guten halben Stunde wird es exotisch: NERVOCHAOS aus Brasilien sind der Einladung RAGNAROKs zum Gegenbesuch gefolgt (man tourte wohl in Südamerika zusammen) und schleudern in den kommenden Minuten satanistisch angehauchten Speed Metal der räudig-südamerikanischen Provenienz ins grob verputzte Auditorium: Unbehauener Gründerzeit-Thrash trifft streckenweise schwarzmetallisches Drumming trifft SEPULTURA zu "Morbid Visions"-Zeiten - das abgefeierte Cover von "Funeral Rites" ist als Richtungsangabe fast perfekt, auch wenn mir die bandeigenen Abrissbirnen des Kalibers "Total Satan" (Yeeeah!) fast noch einen Tick besser gefallen. Auch NERVOCHAOS profitieren zudem vom astreinen Sound, der auf der einen Seite die Vorteile zweier Gitarristen perfekt ausspielt, auf der anderen Seite aber genau dieses Kellerfeeling atmen lässt, welches für die 80er und deren Revival in der aktuellen südamerikanischen Szene so bedeutsam ist.
Angesichts dieser Eckdaten und der sympathischen Art der Band lässt sich das anwesende Volk dann auch nicht lange bitten und zollt dem stumpfen Trumpf mit reichlich Haupthaar Tribut, so dass die gut 30 Quadratmeter gegen Ende der 45 Minuten kaum noch ruhige Inseln aufweisen. Wunderbar stimmiger Gig einer Band, die man zumindest live nur jedermann empfehlen möchte und die für Oldschool-Fetischisten auch auf Band interessant sein könnte.

Nach weiteren 30 Minuten betreten dann schließlich RAGNAROK den steinernen Sockel, der die Welt bedeutet: Mit Corpsepaint, grimmigen Mienen und einer ansonsten aufs Wesentliche reduzierten Präsentation wird frostig dahinsiechender Black Metal in Reinkultur geboten, der von älteren Perlen wie "Searching For My Dark Desire" bis hin zum aktuellen Album alle Facetten der Norweger abdeckt. Auffällig ist dabei die etwas brutalere Ausrichtung des jüngeren Materials, welches bisweilen durchaus an MARDUK erinnert und sich diese Kompromisslosigkeit durch den Verzicht auf melodische Variation erkauft (der schwache Mix der zweiten Gitarre begünstigt das heute Abend). Schwedisch und schwarzmetallisch klingen RAGNAROK in dieser Form zwar immer noch, aber die brutalere Route könnte gerade für Freunde des älteren Materials ein wenig gewöhnungsbedürftig sein.
Einen Abbruch tut derlei Änderung im Detail der kompakten Vorstellung indes nicht, da die Band trotz fehlender Zugabe guter Laune zu sein scheint, Sänger Hans Fyrste angemessen misanthropisch durch den Abend führt, während der neue Zweitgitarrist Bolverk seinem Namen alle Ehre macht: Kompakte 2 Kubikmeter Mensch ohne Haare sind auf der Bühne durchaus beeindruckend, zumal sich sowohl Bolverk als auch Hans nach dem Konzert im Gespräch als umgängliche Zeitgenossen und Gesprächspartner entpuppen, die aus ihrer Vorliebe für kleine Clubgigs wie diesen kein Geheimnis machen. Nach gut 45 bejubelten Minuten bleibt somit kein Grund zur Beanstandung: RAGNAROK haben sich mit diesem durchweg hochklassigen und atmosphärisch stimmigen Konzert als Liveband empfohlen und sind vielleicht für den ein oder anderen auch in konservierter Form wieder interessant geworden - der schwedisch beeinflusste BM der zweiten Welle kann nach wie vor überzeugen und war an diesem stilistisch vielfältigen Abend ein mehr als verdienter Headliner.

Insgesamt bot die von den Metalheadz organisierte Veranstaltung eine schöne Mischung aus Zeitreise und Blick nach außen; aus brasilianischem Ursprungsrevival, experimentierfreudigem Underground und dem erprobt geradlinigem Schwarzwurzelsound von RAGNAROK, die ich zu deren Hochzeiten leider nicht abgreifen konnte. Umso schöner, dass es für 7 € dann nicht nur einen Lückenfüller, sondern ein rundum stimmiges Gesamtpaket samt gedruckter und handnummerierter Eintrittskarte gab - so muss das!


www.myspace.com/ragnarok
www.myspace.com/nervochaos
www.myspace.com/vermindeathmetal

www.myspace.com/markkleebergmetalheadz
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