Therapy? & Sixxxten

Therapy? & Sixxxten

Therapy?
Köln, Underground
29.03.2012
Ein Glück, dass Schalke und Hannover Fans in Köln eher dünn gesät zu sein scheinen, denn wer weiß, ob sich an diesem Donnerstagabend sonst so viele Menschen zum Underground bewegt hätten, um das Konzert zu sehen, statt nebenan im Kneipenraum die Europa League zu verfolgen. So herrscht schon recht zeitig passabler Betrieb, der beim Mainact des Abends noch deutlich zunehmen wird.

Vorher gilt es SIXXXTEN zu überstehen, die einen gewöhnungsbedürftigen Rock spielen, der in einer trunkenen Orgie von unter anderem Neo-NDW, SPORTFREUNDE STILLER und Punkrock beim Überlegen kurioser Liedtitel wie „Commodore Jihad“ oder „Der sympathische Prototyp“ entstanden sein könnte. Dafür braucht man nicht nur als Rheinländer etwas Anlaufzeit – man bewegt sich ja sonst eher im Dunstkreis von „Rut un Wiess“ oder „Verdamp lang her“-, obwohl der Animationsversuch mittels des Vergleichs mit dem angeblich viel enthusiastischeren Berliner Publikum am Abend vorher ziemlich amüsant ist, wenn während des eigenen Auftritts ungefähr so viele Leute gehen wie kommen. Ab der Mitte des Auftritts kippt die Stimmung ins Gute, weil die Musik schneller, dreckiger und vor allem weniger prätentiös anmutend wird. „Let The Good Times Roll“ ist der Zündfunke für ein zumindest mittelgroßes Feuer der Begeisterung im Publikum, das den Schlagzeuger der Band gleich dazu animiert, sein Blech zu demolieren. Wegen der deutlich stärkeren zweiten Hälfte geht der Auftritt in Ordnung und andere Frontmänner könnten sich ruhig ein Beispiel am Beklettern der Bassdrum mitten im Lied nehmen.

Bis auf den noch kurz davor stehenden Schlagzeuger Neil Cooper sind THERAPY? mittlerweile in den Vierzigern angekommen und entsprechend gediegen kleidet sich das Trio in dunkle Anzüge, wobei Neil aus praktischen Gründen auf das Sakko verzichtet und Bassist Michael McKeegan sich nach kurzer Zeit ebenfalls des Sakkos und der Krawatte entledigt. Das hat den so einfachen wie wunderbaren Grund, dass die Band nahezu Funken sprüht auf der Bühne. Die Vertrautheit mit Köln und das gerechtfertigte Vertrauen in das zahlreiche, ihnen gewogene Publikum spielen sicher eine nicht unbedeutende Rolle, aber die Herren sind heute Abend auch davon abgesehen in erstklassiger Form. Andy und Michael springen und wuseln über die Bühne wie nach einer Frischzellenkur, speziell das Bassspiel ist gleichermaßen fesselnd wie unterhaltsam. Und für den zusätzlichen optischen Kick sorgt ein Crewmitglied, das am Bühnenrand von Zeit zu Zeit Gitarren- und Gesangsunterstützung einbringt, mit Schlägermütze und einer Mischung aus Seebär- und Lemmybart.
Da macht es überraschenderweise überhaupt nichts aus, dass die Setlist sich ausschließlich mit den letzten zehn Jahren beschäftigt und zur Feier des neuen Albums alle zehn Titel von eben jenem gespielt werden. Was vor der heimischen Box interessant aber teilweise doch recht sperrig ist, entpuppt sich in dem bisweilen fast schon entfesselten Vortrag zum Teil als pure Magie und echter Stimmungskracher, auch weil ich mir trotz Aufforderung von Andy nie hätte vorstellen können, dass eine größere Gruppe Nicht-Muttersprachler in diesem Tempo „Living In The Shadow Of The Terrible Thing“ rufen kann. Einzig das elektronisch beruhigte „Ecclesiastes“ gibt kurzzeitig den Stimmungskiller. Als das quasi reguläre Set nach „Marlow“ zu Ende ist, bewegt sich denn auch niemand von seinem Platz, bis nicht wie ein Motherfucker gelebt und gestorben wurde - natürlich stammt der Track von „Never Apologise Never Explain“ - und der Eisbär getobt hat, selbst wenn es uns umbringt…
Ganz großer Sport - Danke Neil, Michael und Andy!

Setlist THERAPY?
Why Turbulence?
Plague Bell
Exiles
Rust
The Buzzing
Ecclesiastes
Enjoy The Struggle
Before You… With You… After You
Get Your Dead Hand Off My Shoulder
Stark Raving Sane
Living In The Shadow Of The Terrible Thing
Ghost Trio
Marlow
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Die Like A Motherfucker
Polar Bear
If It Kills Me
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