Screamer Attic & Eliminator

Screamer, Attic & Eliminator

AtticEliminatorScreamer
Köln, MTC
04.03.2013
Üblicherweise begrüßt man es mittlerweile freudig, wenn ein Konzert tatsächlich erst zur annoncierten Zeit beginnt und der Opener nicht bereits gleich nach dem Öffnen der Türen verheizt wird. Üblicherweise kommt aber auch die Mehrzahl der Zuschauer wegen dem Headliner und hat meistens nicht ein mehr oder weniger hartes Wochenende in den Knochen, was sich heute noch zum Pferdefuß entwickeln wird. Aber zäumen wir den Gaul von vorne auf.

Als die Uhr sich schon gen 21 Uhr neigt, dürfen ELIMINATOR endlich mit dem Rumtigern im Raum aufhören und gemeinsam die Bühne entern. Die besten Freunde der Nieten- und Patronengurtindustrie im Großraum NRW widmen sich rasend schnellem Thrash, der allerdings ob mangelnder Feinabstimmung in den zahlreichen Hochgeschwindigkeitspassagen bedeutende Defizite beim Punch hat. Ein gewichtiger Grund dafür ist in meinen Augen, dass der (erst) seit letztem Jahr auch für den Gesang verantwortliche Leadgitarrist Pete mit seiner Doppelaufgabe in den die Konzentration an die Saiten bindenden Tempi so viel zu tun hat, dass es seiner Stimme bei aller Wu(ch)t an Ausdruckskraft mangelt. Die Durchschlagskraft des martialischen Kriegsthrash ist entsprechend in den etwas gedrosselteren Passagen wesentlich höher, weil alles besser ineinandergreift – auch das gemeinsame Bangen wird plötzlich synchron(er). Mit ausreichend Leidenschaft für mindestens zwei Bands punkten ELIMINATOR dennoch ordentlich, selbst wenn noch einige Luft nach oben ist.

ATTIC gehören aktuell zu den meistgelobten Bands des (deutschen) Undergrounds, nachdem der selbstbetitelten EP im Dezember das Debüt „The Invocation“ folgte, das die hungrige KING DIAMOND/MERCYFUL FATE Gemeinde überzeugt hat. Und die mittlerweile ungefähr 60 Nasen bekommen neben feiner Musik auch was fürs Auge geboten: Geschwärzte Augenpartien, Schädel und Kerzenständer sorgen für das mysteriöse Etwas, das lediglich leicht konterkariert wird von ein paar blanken Hühnerbrüsten unter den Lederjacken. Das Zusammenspiel und die Kompositionen der Band überzeugen nicht nur die Die Hards vor der Bühne, Anerkennung wird ATTIC in allen Reihen gezollt. Trotz der urtümlichen Kraft, insbesondere von „Join The Coven“, kann die Band mich aber nicht komplett für sich einnehmen. Zum einen liegt das daran, dass in meinen Ohren die „normale“ Gesangsstimme von Meister Cagliostro der Musik mehr Fülle und Charakter verleiht als die schrille „Imitation“ der dänischen Ikone, die anders als bei PORTRAIT dauerhafter und nicht nur für Akzente eingesetzt wird. Zum anderen wirken ATTIC zwar von der Musik besessen, machen auf mich aber den Eindruck, dass das Brimborium drumherum für sie eher notwendige Maskerade als tatsächliche innere Überzeugung ist. Das mag auch in der Bewertung Ansichtssache sein, doch führt man sich im Vergleich den (auf der Bühne) völlig Wahnsinnigen Pelle Åhman von IN SOLITUDE vor Augen, ist das hier eher Theater – allerdings gutes Theater.

Damit sind wir bei SCREAMER und dem Grund für die Einleitung angelangt, denn binnen weniger Lieder spielen die energiegeladenen Schweden praktisch das MTC leer, so dass die geplante letzte Zugabe „No Sleep Till Hamilton“ den verbliebenen
15 Gestalten vorenthalten wird. Immerhin gewährt der Metalgott zuvor eine Lektion in schwungvollem und gut gelauntem Heavy Metal, bei der die Lieder des Debüts einen knappen Punktsieg gegen die vom taufrischen Zweitwerk vor allem deshalb erringen können, weil sie schon länger in Mark und Bein übergegangen sind. Ungeachtet der sich lichtenden Reihen wird deshalb auch vor der Bühne bei „Keep On Walking“, „All Over Again“ oder dem abschließenden „Rock Bottom“ so viel Gas gegeben, dass die Gesichter dort mutmaßlich kein bisschen weniger leuchtend rot vor Anstrengung sind als das von Frontmann und Bassist Christoffer Svensson, nur anders ausgeleuchtet. Nach zwölf Liedern ist schließlich um Punkt Mitternacht Schluss und trotz der äußeren Umstände darf jeder Anwesende mit einem wohlig-warmen Gefühl der Zufriedenheit den Heimweg antreten, denn bevor jemand auf die Idee kommt, SCREAMER hätten auch nur leise Züge von Rittern der traurigen Gestalt gehabt, sei ihm respektive ihr versichert, dass die Band auch vor 1.000 Leuten kaum mehr Gas hätte geben können. Das geht auf deine Kappe, Köln.
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