Death Obscura & DarkRise

Death, Obscura & DarkRise

DarkriseDeathObscura
Essen, Turock
29.11.2013
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass wir heute einen denkwürdigen Abend erleben werden. DEATH sind schon lange Geschichte, doch das Vermächtnis dieser Band lebt ungebrochen weiter. DEATH wird es nie wieder geben, da Chuck Schuldiner gleichermaßen Kopf und Herz dieser Band war. Und doch wurde vor einiger Zeit eine ganz unglaubliche Tour angekündigt, bei der sich der Name DEATH ganz oben im Lineup fand. So etwas darf man sich auf keinen Fall entgehen lassen, besonders wenn zweite große Act der Tour allererste Headlinergüte besitzt. Dass bereits etliche Wochen im Vorfeld das Turock komplett ausverkauft war, ließ nichts Gutes ahnen. Niemand will dem Betreiber dieser Institution Böses unterstellen, aber wenn der Laden ausverkauft ist, dann kann man als Mensch, der aus Prinzip keine Kuschelparties besucht, schon mal die Krätze kriegen. Für so einen Abend muss derlei allerdings klaglos in Kauf genommen werden und so finden wir uns noch deutlich vor acht Uhr in Essen ein, wo sich das Bild direkt bestätigt und das Turock schon in beinahe beängstigendem Maße gefüllt ist.

Als wir den Saal betreten, sind DARKRISE bereits in vollem Gange. Rein optisch wirken einige Mitglieder der Band deutlich mehr nach Hardcore, doch der Sound ist ganz eindeutig Death Metal. Und beim Thema „Sound? drängt sich direkt ein weiterer Eindruck auf: Für gewöhnlich ist das akustische Erleben um diese Uhrzeit beim ersten Act nur wenig freudvoll, doch hier haben sich die Tontechniker ins Zeug gelegt und DARKRISE einen brillanten Klang beschert. Die zocken auch ganz munter vor sich hin, doch Stimmung will nicht im Übermaß aufkommen. Zwar ist das technische Niveau mehr als nur akzeptabel, doch wird nichts wirklich Mitreißendes dargeboten. Dazu steht der Frontmann noch einigermaßen hüftsteif da, ohne in irgendeiner Form Akzente zu setzen. So bin ich nicht traurig, als der Auftritt pünktlich um acht Uhr endet. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt diese Band nicht.

Zwar ist heute wohl fast jeder wegen DEATH hier, doch wenn OBSCURA mit unterwegs sind, dann ist das mehr als eine bloße Dreingabe. Und als die Herren aus Deutschlands Süden mit freundlichem Lächeln die Bühne betreten, zeigt sich, dass das Publikum gekommen ist, um auch diese Band zu feiern. Die Stimmung ist sofort hervorragend, der Konzertsaal rappelvoll und die vier Jungs hochmotiviert. OBSCURA sind ein echtes Erlebnis. Die Verbindung von unglaublich virtuosem und rasanten technischen Death Metal voller Hitpotenzial mit Musikern, die reine Freundlichkeit und Laune an der Musik ausstrahlen, ist immer wieder beeindruckend. Weiterhin haben sie trotz ihrer überschaubaren Diskographie so viel tolles Material im Gepäck, dass es ihnen mühelos gelingt, ein Set ohne einen einzigen schwachen Moment zu spielen. Wenn dann noch ein ausgedehntes Solo von Drummer Hannes Großmann und ein neuer Song dazu kommen, ist alles perfekt. Auch OBSCURA scheinen sich zu freuen und Steffen Kummerer betont in seinen Ansagen immer wieder, wie sehr ihn diese ganze Tour beeindruckt. Und beeindruckt ist auch der Zuschauer, nur gibt es am Ende keine Chance auf Zugabe, da der Headliner wartet.

In der Umbaupause wird die Frage gewälzt, wer denn da nun eigentlich auf die Bühne treten wird. Es prangt ein riesiges Backdrop mit dem Logo von DEATH im Hintergrund und auch drei Viertel der Musiker, die beim Intro zu ihren Instrumenten greifen, waren zumindest für einige Zeit Teile der Band. Auch wenn der offizielle Name manchmal mit DEATH TO ALL angegeben wird, bleibt dennoch das Gefühl, dass man es mit mehr als einer Coverband zu tun hat. Und mit einem immer noch ausgezeichneten Sound, für den man die Verantwortlichen des heutigen Abends loben muss, geht es los.
„The Flattening of Emotions? eröffnet den Reigen und schnell zeigt sich, dass der kritischste Posten gut besetzt wurde. Max Phelps, der am wenigsten bekannte Herr dieser Runde, hat die übergroßen Fußstapfen von Chuck Schuldiner zu füllen und sowohl in stimmlicher wie auch in spieltechnischer Hinsicht schlägt er sich sehr gut. Da verzeiht man es ihm sogar, dass er jenseits des Musikalischen höchst blass wirkt und kaum eine Regung zeigt. Die spärlichen Ansagen werden von Steve DiGiorgio erledigt, der eigens hierfür über ein Mikro verfügt.
Es ist ein kaum zu beschreibendes Erlebnis, wenn man eine Band so lange kennt, sie nie live sehen konnte und dann findet man sich 23 Jahre nach dem Kauf des ersten Albums mitten in einem solchen Ereignis wieder. „Leprosy?, „Crystal Mountain?, „Spiritual Healing?, die Klassiker nehmen kein Ende. In der Mitte des Sets gibt es jedoch einen Bruch, nach einer längeren experimentellen Instrumentaleinlage wird das Backdrop heruntergelassen und auf einer Leinwand wird ein Potpourri aus Fotos und Videoaufnahmen von Chuck Schuldiner dargeboten. Nur leider fehlt bei aller Rührung über diese viel zu früh verstorbene Legende ein wenig der rote Faden, was der mehrminütigen Einspielung etwas von ihrer Wirkung nimmt. Als dem Publikum im Anschluss „Zombie Ritual? um die Ohren geknallt wird, ist alles wieder perfekt. Bei „Spirit Crusher? bekommen die Amerikaner noch Unterstützung von OBSCURA und es zeigt sich, dass Steffen Kummerer, der den Part von Max Phelps übernimmt, eindeutig der charismatischere Frontmann ist.
So kurzweilig die ganze Show ist, so schnell ist sie auch leider vorbei. Das Publikum im bis zum Bersten gefüllten Turock fordert eine Zugabe, die auch gegeben wird, sich allerdings auf „Pull the Plug? beschränkt. Und so endet die Show pünktlich um kurz vor elf und noch ganz benommen, von der Tatsache, dass man grade tatsächlich DEATH gesehen hat, auch wenn es die Band gar nicht mehr gibt, geht es ins Gedrängel Richtung Ausgang. So ambivalent sich das auch anfühlen mag, so grandios war es und egal, was nun historisch korrekt ist, bleibt bei mir vor allem eines hängen: Ich habe DEATH gesehen! Klar, Chuck hat gefehlt, niemand kann ihn ersetzen und viele vermissen ihn und seine Kreativität. Trotzdem war es ein toller Abend und es ist definitiv keine Coverband aufgetreten.
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