Children of God Ancst Crevasse

Children of God, Ancst, Crevasse

AncstChildren Of God
Köln, Privat
29.03.2015
Als ich erfuhr, dass der heutige Abend eine Matineeveranstaltung sein würde, musste ich mir zwangsläufig ein paar Gedanken über das Altern machen. Punk – Hardcore – Metal – Sonntagsmatinee? Was ist hier eigentlich los? Naja, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, heißt es im Volksmund und genau das sollte sich an diesem Sonntag bewahrheiten. Zu loben gab es nämlich eine ganze Menge, doch hätte das Konzert nicht so früh geendet, dann wäre wohl kaum der Raum dagewesen, noch eine Reihe Kontakte zu knüpfen, bzw. Wieder aufzufrischen. Und das sollte man bei aller Musikbegeisterung nicht vergessen: Es geht eben nicht bloß um Musik, es geht auch um Menschen.
Doch eins nach dem anderen. Die Menschen, die heute für mich im Mittelpunkt stehen, kommen aus Berlin und ich freue mich schon eine ganze Weile darauf, sie live erleben zu dürfen. ANCST sind zusammen mit CHILDREN OF GOD aus den USA auf Tour und schlagen am späten Sonntagnachmittag in Köln auf. Den kleinen, aber überaus charmanten Club Privat lerne ich auf diesem Wege auch einmal kennen, eine Location, die den Geist des DIY wie kein anderes mir bekanntes Etablissement in dieser Stadt atmet.

Matinee heißt auf gut Deutsch, dass es irritierend früh losgeht, also gibt es in einem der unzähligen Imbisse Ehrenfelds noch eine Mahlzeit zwischen Mittag- und Abendessen, um dann pünktlich um 17 Uhr am Ort des Geschehens aufzulaufen. Dort ist noch nicht allzu viel los, es wird ein wenig geplaudert und ein erstes Bier getrunken, bis gegen sechs die erste Band startet. CREVASSE sind eine niederländisch-kölsche Mixtur, die sich kompromisslosem Crust gewidmet hat. Die Musik bewegt sich zwischen heftigem emotionalen Ausbrüchen und ruhigen Momenten, die vor allem von geflüsterten Vocals bestimmt werden. Die Dame am Mikro bewegt sich dabei vor der Bühne wie eine gefangene Tigerin im Käfig. Auch wenn das Set recht kurz ausfällt, stimmen CREVASSE ordentlich auf den Abend ein. Nur wäre es ihnen, wie auch den restlichen Bands, zu wünschen gewesen, wenn noch ein paar mehr zahlende Gäste den Weg hierher gefunden hätten. Gedrängel sieht anders aus und wenn man Musiker und Veranstalter abzieht, ist die Zahl der Besucher den ganzen Abend lang sehr überschaubar.

Der Umbau geht schnell über die Bühne und kurz vor sieben Uhr beginnen ANCST bereits zu spielen. Die fünf Herren bieten einen etwas ungewöhnlichen Eindruck auf der Bühne, sofern die Anwesenheit von zwei Sängern und das Fehlen eines Drummers zu irritieren vermögen. Aber das tut ihrer Performance keinen Abbruch. Die Band wirkt insgesamt hervorragend eingespielt, ihre Show ist inbrünstig, was durch das flüssige Wechselspiel der zwei Vokalisten noch einmal deutlich verstärkt wird. ANCST gehören wohl zu den spannendsten Bands überhaupt, die sich an der Schnittstelle von Black Metal und Crust bewegen und es gelingt ihnen, diese beiden Stile zu einem gelungenen Ganzen zu verbinden und den Anwesenden zu beweisen, dass sie die Essenz beider Stile im Herzen tragen. Der Sound ist ordentlich geraten, wenngleich die Gitarren noch etwas lauter und druckvoller hätten sein können. Insgesamt ist es aber bemerkenswert, dass der technische Minimalismus im Club Privat ein gelungeneres Hörerlebnis bietet, als es in so mancher großen Halle zu finden ist. Leider ist das Set von ANCST gefühlt viel zu kurz, ich hätte dieser sympathischen Truppe noch einer Ewigkeit weiter zuhören können. Aber an dieser Stelle lässt sich somit bereits verbuchen: Mission erfüllt, der Abend ist gelungen und was jetzt noch kommt, ist Bonus.

Die Headlinerposition auf dieser Tour bekleiden CHILDREN OF GOD, eine Band, die der Hardcoreszene entstammt, dabei aber auch metallische Einflüsse in ihren Sound integriert hat. Nachdem ihre Vorgänger ein monumentales Brett abgeliefert haben, ist der Sound von CHILDREN OF GOD von einer stärkeren Dynamik zwischen laut und leise geprägt. Allein der immer wieder gezückte Geigenbogen, mit dem der Gitarrist die Saiten seiner Les Paul bearbeitet, beweist, dass hier nicht nur rohe Gewalt, sondern auch eine spezielle Atmosphäre erzeugt werden soll. Das gelingt aber leider nur in Teilen, denn manches Mal wirken die ruhigen Passagen ein wenig orientierungslos und unstrukturiert. Allerdings verstehen CHILDREN OF GOD dies dadurch wieder wettzumachen, dass sie den so geschaffenen Kontrast nutzen und die musikalischen Ausbrüche um so wirkungsvoller und heftiger gestalten. Auch diese Band besticht dadurch, dass sie unheimlich freundlich wirken und als der Sänger dazu aufgefordert wird, einen Witz zu erzählen, kommt er dem ein wenig verlegen, aber mit großer Treffsicherheit nach. Gelungen ist allerdings der Abschluss des Sets, zu dem die Gitarre beiseite gelegt wird und stattdessen eine Trommel dazu genutzt wird, den letzten Song mit Tribaldrumming ausklingen zu lassen, wie man es beispielsweise von NEUROSIS kennt. Das könnten CHILDREN OF GOD ruhig noch ein wenig ausbauen und gerade, als ein richtig guter Fluss entstanden ist, ist die Show leider auch schon vorbei.

Wie es sich für eine Matinee gehört, ist um viertel nach acht Feierabend mit der Musik, was aber nicht bedeutet, dass damit der Abend gelaufen ist. Vielmehr sammelt sich unter dem Vordach des Clubs noch eine Gruppe aus Zuschauern und Musikern, die die Zeit nutzen, um sich kennenzulernen und über alles mögliche zu plaudern, während der Regen des ersten Frühjahrssturmes auf das Wellblechdach trommelt. Und so findet ein gelungenes Konzert einen gelungenen Abschluss. Es hat alles gestimmt, lediglich der Umstand, dass die Besucherzahl sehr gering ausgefallen ist, schmälert den Eindruck dieses Abends ein bisschen. Den Bands ist zu wünschen, dass der Rest ihrer Europatour gut verläuft und dass sie an den weiteren Orten auf Menschen treffen, die ihnen ein wenig Zeit und Aufmerksamkeit widmen. Denn diese Musiker haben sich das redlich verdient.

Einer dieser Menschen hat sich ebenfalls die Mühe gemacht und einen schönen Bericht zum Abend verfasst. Mein Dank für die gemeinsame Zeit und die gegenseitige Unterstützung geht hiermit an Chris vom Necroslaughter-Magazin , das ebenso lesenswert ist wie die Bloodchamber!
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