WinterfestEVIL - "Mourning Friday"

WinterfestEVIL - "Mourning Friday"

DoomedLone WandererOfficium TristeSomnus Aeternus
Leipzig, Bandhaus
05.02.2016
Die Bandcommunity eröffnet das Konzertjahr im Leipziger Westen traditionell mit dem WinterfestEVIL – zwei Tage Stahlwolle verschiedenster Knüpfung, die neben regionalen Eigengewächsen auch bekanntere Acts auf die Bretter schicken. Heute schleifen wir uns zum „Mourning Friday“ und das heißt für’s geneigte Publikum: Doom, und zwar in etwas größeren Häppchen.

Erste Band des Abends und bei unserem Eintreffen bereits schwer am Leiden sind SOMNUS AETERNUS aus Tschechien. Der Fünfer hat sich für die Schlachteplatte Exquisit entschieden und sucht offenbar noch nach einem Genre, auf das sich alle Beteiligten einigen können.
Während der sehr fähige Schlagzeuger jede sich bietende Gelegenheit nutzt und mit technisch-progressiven Einlagen Todesflair versprüht, sind die Gitarristen noch unentschieden: Hipster-Kalle schrammelt für sein Leben gern postrockig rum und guckt auch so (schüchtern, hinter den Boxen verborgen, in sich gekehrt); sein Kollege hingegen bewegt sich lieber wie ein absoluter Shred-Maniac, ganz egal, was für ein Tempo gerade angesagt ist.
Klangliches Resultat ist eine Mischung aus bodenständigem Death Doom samt Growls und kurzen Klargesangsversuchen, Prog Death-Anleihen (Rhythmik), gelegentlichen Black Metal-Attacken (Stimmung!) und etwas 90s-Alternative-Flair. Kann man insgesamt sicher so machen – wirklich umreißen will die Mischung hier und heute allerdings keinen der Anwesenden.
Mit etwas musikalischem Feinschliff und Fokus könnte sich das vielleicht ändern und da die Tschechen wirklich sympathische Menschen zu sein scheinen, schauen wir mit etwas Abstand vielleicht noch einmal vorbei.

LONE WANDERER sind beim obligatorischen Youtube-Check die Band gewesen, die mir bei weitem am unspektakulärsten und, ähem, langweiligsten vorkam: Funeral Doom Kaliber early AHAB, nur ohne Schleifchen, dafür ultralange Nummern mit hohem Instrumentalanteil – ist bekanntlich genau mein Ding. Wie ungünstig für mein Urteilsvermögen, dass die nun folgende Dreiviertelstunde in Sachen Intensität der frühe Höhepunkt des Abends ist und mit vordergründig eher grob behauenen Felsen musikalische Kathedralen zu errichten vermag.
Die dazu nötigen Mittel sind schnell aufgezählt: Zähes SloMo-Riffing, präzises Schlagwerk mit ebenso seltenem wie passendem Hang zum Ornament, abgrundtiefes Growling mit leichten Schwächen (die aber keinen negativen Einfluss auf die Qualität des Gebotenen haben), rezitierende Passagen, dazu harmonisch eingefügte Ruhephasen mit reduzierten Saitenklimpereien – fertig ist die Bude.
Funktionieren und mitnehmen kann das Ganze, weil LONE WANDERER vor allen anderen Aspekten ein wunderbares Gespür dafür haben, wie lange ein und dasselbe Riff willkommen ist, ohne die Gastfreundschaft der Hörer über Gebühr zu strapazieren. Die fast ohne Unterbrechung dargebotenen Songs geben sich diesbezüglich zielsicher und steuern über willkommene Trampelpfade immer wieder genau den Punkt an, an dem die fragile Balance aus zermürbender Einseitigkeit und Trance zu kippen droht, warten noch ein wenig, und noch ein wenig, und liefern dann erbarmungslos organisch drückende Riff-Katharsis aus dem Bilderbuch.
Magie, geschaffen für ein Konzertumfeld, das die Ablenkungen des Lebens ausschaltet und den Fokus bedingungslos auf das richtet, was Funeral Doom-Rohdiamanten wie LONE WANDERER ausmacht: Musikalischen Eskapismus vom Feinsten.

Mit DOOMED folgt eine der momentan angesagteren Death Doom-Kapellen aus regionalem Anbau, welche mir beim letzten IFOA durch die Lappen gegangen sind. Die Zwickauer stehen bei den renommierten Solitude Productions unter Vertrag und haben dort mittlerweile drei Alben im Spannungsfeld aus ultralangsamen NOVEMBERS DOOM, leadschwangerem Schönerleiden und zuletzt auch jüngerer finnischer Schule veröffentlicht. Zudem ist man während des Gigs gar nicht so weit vom heutigen Headliner entfernt, denn wie OFFICIUM TRISTE zehren auch DOOMED von einer gewissen – beinahe steif zu nennenden – Eckigkeit, die ich normalerweise vor allem mit holländischen Bands verbinde.
Davon abgesehen stricken die Sachsen jedoch zwischen knalligem Erlöser-Riffing und Zeitlupe-trifft-Sorrowlead immer mal wieder an interessanten rhythmischen Variationen, die manche Rezensenten gerne im Prog-Genre verortet sehen würden. Mit solchen Zuordnungen tut man DOOMED jedoch keinen Gefallen, denn deren Rezept ist eigentlich ziemlich bodenständig: Wenn MOURNING BELOVETH das eine, das hässliche und fiese Ende des Death Doom sind, dann rangieren DOOMED (zusammen mit etwa 11th HOUR) irgendwo im zugänglicheren Drittel – und das kommt dank qualitativ ansprechender Ausarbeitung zurecht an, wie das zunehmend lebendiger werdende Publikum zeigt. Schöner Gig, wenngleich mir persönlich LONE WANDERER heute ein wenig die Maßstäbe versaut haben.

Daran ändern abschließend auch OFFICIUM TRISTE nicht mehr viel – kein Wunder, so ganz ohne „Burning All Boats And Bridges“. Dafür gibt es mit „Your Fall From Grace“ und dem in meinen Augen wenig livetauglichen „Your Heaven, My Underworld“ mindestens zwei Stücke der aktuellen Scheibe, bevor das „Charcoal Heart“ zu schlagen beginnt. Die Band selbst ist in positivem Sinne routiniert und zockt ein gut gemischtes Set, bei dem jedoch der Kontrapunkt aka. Klargesang etwas humpelt: Wer auf Albumqualität oder vergleichbar beseelte Performance spekuliert hat (...bin dabei), kann mit dem Gebotenen heute leider nur bedingt warm werden. Für mich ein minimal gespaltener Headliner, der beim Gros der noch Anwesenden jedoch recht gut abschneidet.

Insgesamt hat das Bandhaus für schmale 10€ einen abwechslungsreichen Abend auf die Beine gestellt, der für Anhänger der gerade nicht angesagten Subgenres (also kein Sludge/Drone/Post/Beard/Okkult Doom...) eine willkommene Abwechslung gewesen sein dürfte. Und da die Heimfahrt ebenfalls glücken sollte, fiel sogar der ewige Hauptgrund für Bandhaus-Abstinenz flach – in der Konstellation kommen wir nächstes Jahr doch gerne wieder.

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