Sigh - Gallows Gallery

Sigh - Gallows Gallery
Avantgarde Metal
erschienen am 31.10.2005 bei Baphomet Records
dauert 45:38 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Pale Monument
2. In A Drowse
3. The Enlightenment Day
4. Confession To Be Buried
5. The Tranquilizer Song
6. Midnight Sun
7. Silver Universe
8. Gavotte Grim
9. Messiahplan
10. untitled
11. The Tranquilizer Song (David Harrow Mix)

Die Bloodchamber meint:

Japanesen sind schon ein ulkiges Völkchen; die einen ziehen sich benutzte Damenunterwäsche an Damenunterwäscheautomaten wie unsereins seine Kippen, andere wiederrum gehen in Anzug und Krawatte zu einem Metalkonzert, ein Wort für Arbeitsurlaub scheint nicht zu existieren und statt eines Strampelanzugs schenkt Omi ihrem neugeborenen Enkel erst mal eine Sony-Digicam. Und während die einen ihre knapp bemessene Freizeit zu Fotoexzessen in Europa nutzen, machen andere wiederrum Musik, und zwar meistens ziemlich seltsame. Und hier kommt der Name Sigh ins Spiel. Wie andere ihrer japanischen Kollegen, beschränken sich diese nicht einfach aufs Musik machen allein; was zählt sind Dinge wie Originalität und verdammt hohes spielerisches Können.

All die 15 Jahre ihrer Karriere haben die Japaner es immer verstanden, sich von allen anderen Acts abzuheben, immer war ihr Black Metal einige Spuren origineller als alles, was sonst so aus der europäischen Hölle das Tageslicht betrat. Was sie jedoch mit „Gallows Gallery“ abliefern, verdient erstmal nur einen Ausdruck: Wahnsinn! Mit Black Metal hat das Material des Four-Piece nicht mal mehr am Rande was zu tun. Hier regiert der absolute Wahnsinn, irgendwie progressiv, mit jazzigen Anleihen versehen. Metal ist auch genug dabei, aber so dermaßen anders als bei allem, was man als gemeiner Metaller so kennt. Könnte man es vielleicht teilweise als eine japanische Antwort auf die Spanier Mägo De Oz beschreiben? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht! Kann man die Musik überhaupt mit irgendeiner anderen vergleichen? Wohl eher nicht! Schnelle Parts im ständigen Wechselspiel mit epischen Parts, klarer Gesang, Siebziger Jahre Orgel-Overkill, alles dabei! Zwischendurch gibt es mit dem abgedrehten „Tranquilitzer Song“ noch eine Verrücktheit, die perfekt zum Songtitel passt. Ach ja, den Iron Maiden-Part bei „Silver Universe“ hätte ich beinahe vergessen! Song Nr. 8, das 7minütige „Gavotte Grim“ verbindet dann tatsächlich alle Trademarks mit japanischer Musik und lässt einen noch ratloser zurück. Und – bevor ich’s vergesse – manchmal klingt alles ein wenig nach einem Musical („Messiahplan), besonders die Vocals tragen fast schon dramatische Züge…

Jetzt kommt die Frage nach einer abschließenden Bewertung, bei der ich mich dann doch etwas schwer tue. Auf die Einzigartigkeit angesprochen, würde ich sofort eine 10 aus dem Ärmel ziehen. Ob ich mir das Album aber immer anhören könnte, steht auf einem ganz anderen Blatt. Leute, die auf etwas andere Musik abfahren, werden das Album lieben, andere hingegen dürfte das Material zum barfüßigen Marathon über die Alpen treiben. Ich jedenfalls habe selten ein wahnsinnigeres Album gehört, das mich mit eineinhalb minütigem Glockenklang und einem Ambient-Remix des ruhigen „Tranquilizer Songs“ als Rausschmeißer fast reif für die Klapse hatte. Mr. Bungle auf Metal? Das geht in Japan tatsächlich!
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