Iron Maiden - A Matter Of Life And Death

Iron Maiden - A Matter Of Life And Death
Heavy Metal
erschienen am 25.08.2006 bei EMI
dauert 71:58 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Different World
2. These Colours Don't Run
3. Brighter Than A Thousand Suns
4. The Pilgrim
5. The Longest Day
6. Out Of The Shadows
7. The Reincarnation Of Benjamin Breeg
8. For The Greater Good Of God
9. Lord Of Light
10. The Legacy

Die Bloodchamber meint:

So, nach Blind Guardian wird mit IRON MAIDEN direkt die nächste Szene Legende mit „nur“ 6 Punkten abgewatscht. Und das nicht, weil wir es bei der Bloodchamber irgendwie total crazy finden, besonders anti oder übertrieben kritisch zu sein, sondern weil es einfach der Wahrheit entspricht. Ich bezeichne mich selbst als riesiger IRON MAIDEN Fan, habe alle regulären Alben im Schrank stehen (und sogar vieles, was unter „Abzocke Produkt“ läuft) und war auf allen Konzertreisen seit der 99er Reunion Tour anwesend. Sogar dieses Jahr wäre ich hingepilgert, aber leider war das Konzert in Dortmund schon frühzeitig ausverkauft.

Das aber nur am Rande und zur Verdeutlichung, dass mir hier das Herz blutet, wenn ich auf einer meiner All Time Top Five Bands herumhacken muß. Und das ist leider mehr als angebracht, denn „A Matter Of Life And Death“ (ab jetzt „AMoLaD“) ist wirklich keinen Deut besser als der äußert schwache Vorgänger „Dance Of Death“, welcher bei uns vom Kollegen Wagner mit völlig übertrieben-albernen 10 Punkten in den Himmel gejubelt wurde. Aber auch dies soll hier nicht Thema sein, also gehen wir bei AMoLaD ein wenig ins Detail.

Zuerst mal das Positive: was den Sound angeht, hat sich Produzent Kevin Shirley endlich in die richtige Richtung bewegt. Tönte „Dance Of Death“ noch sehr klinisch und trocken, hat er hier ein sehr „organisches“ Klangbild geschaffen, welches beinahe schon analog-warm rüberkommt und somit an die großen Zeiten der Band erinnert. Vielleicht liegt es daran, dass große Teile der Platte live im Studio aufgenommen wurden, vielleicht aber auch daran, dass Shirley endlich gemerkt hat, dass zu einer MAIDEN Platte auch ein ordentlicher Bass Sound gehört. Eventuell hat es ja sogar mit dem bewussten Verzicht auf ein abschließendes Mastering zu tun. Wie auch immer, es ist ihm jedenfalls recht ordentlich gelungen, auch wenn er natürlich von den Referenzwerken eines Martin Birch nach wie vor Lichtjahre entfernt ist. Insgesamt fehlt der Produktion nämlich etwas der Druck und die Transparenz, aber darüber kann man sicherlich hinwegsehen.

Tja, und damit wäre eigentlich auch schon so ziemlich alles zu den positiven Aspekten gesagt, denn was sich die wohl immer noch größte Metalband der Welt (Metallica zähl ich nicht mehr) hier bei den Songs erlaubt hat, ist in meinen Ohren ne echte Frechheit. Ich habe ja nichts dagegen, dass die Band jetzt in progessivere Gefilde steuern möchte, das sei ihr ohne Umschweife gestattet. Ich habe allerdings ein ganz großes Problem damit, wenn man die Tracks von AMoLaD als „progressiv“ bezeichnet, denn das stimmt einfach nicht und ist reine Augenwischerei. Sie sind nicht progressiv, sondern einfach nur lang. Und das ist nun mal nicht das Gleiche.
Bei all diesen Epen ist nach maximal vier Minuten alles gesagt, der Rest besteht aus endlosen Wiederholungen und dem üblichen Gedudel; eine Unart, die Steve Harris spätestens seit „The X Factor“ unumstößlich in sein Songwriting integriert hat. Ich behaupte: mit mehr Pfeffer im Arsch hätte man dieses Album locker um fünfzehn überflüssige (!) Minuten kürzen können. So muß man sich aber durch ein über siebzig Minuten langes Ungetüm quälen, was zumindest bei mir nicht nur einmal den Wunsch aufkommen ließ, die Fast Forward Taste an meiner Stereoanlage gedrückt zu halten. Dies betrifft insbesondere die beiden Totalausfälle „Brighter Than A Thousand Suns“ und „Lord Of Light“, aber auch „The Longest Day“, „The Legacy“ (keine Ahnung, warum das alle so toll finden) und mit Abstrichen sogar „For The Greater Good Of God“, wobei dieser Song sicherlich noch ein kleines Highlight darstellt.
Ebenfalls ganz gut gefallen mir „The Pilgrim“ aufgrund der mitreißenden Lead Gitarre, die sich stetig steigernde erste Single „The Reincarnation Of Benjamin Breeg“ (die ich zu Unrecht anfangs verdammt habe) sowie die schöne Dickinson Halbballade „Out Of The Shadows“, auch wenn diese den Vergleich mit „Tears Of The Dragon“ oder „Man Of Sorrows“ zu keiner Zeit Stand hält.
Bleiben noch die beiden Opener der Platte, die durchschnittlicher kaum sein könnten. Zwar gehen „Different World“ und „These Colours Don’t Run“ irgendwie als „ganz nett“ durch, aber vom Hocker hauen sie mich zu keiner Zeit.

Tja und das war’s dann eigentlich auch schon. AMoLaD ist nichts mehr als ein weiteres aufgeblähtes IRON MAIDEN Album, das zu keiner Zeit an die Glanzzeiten der Band anknüpfen kann und nicht einmal EINEN richtig herausragenden Song am Start hat. Betrachtet man die Platte losgelöst vom Backkatalog und dem großen Namen, kann man sicherlich noch immer von einer gelungenen Scheibe sprechen und vielleicht sogar zwei Punkte dazu addieren, aber wer mit Longtracks wie „Rime Of The Ancient Mariner“, „Alexander The Great“, „To Tame A Land“ oder meinetwegen sogar „Fear Of The Dark“ groß geworden ist, kann über dieses Songmaterial nur erschrocken den Kopf schütteln. Für mich auf jeden Fall jetzt schon die Enttäuschung des Jahres.

Die Bloodchamber meint außerdem:

Dass Iron Maiden in den letzten Jahren mehr durch "Abzockeartikel" auf sich aufmerksam gemacht haben als mit irgendwelchen anderen Heldentaten, liegt irgendwie auf der Hand und ist auch nicht zu bestreiten.
Auch dass "Dance of Death" auf lange Sicht nicht der Überbringer ist, der 10 Punkte verdient hat, habe ich nach einiger Zeit auch feststellen müssen, doch war ich beim Verfassen meines Reviews mehr als überzeugt von dem Material, das uns die Jungfrauen geboten haben.

Sei´s was drum, jetzt geht’s um "A Matter of Life and Death", zu dem ich eine etwas andere Meinung habe als Kollege Hauptmann. Was Sound und Produktion angeht, stimme ich meinem Kollegen allerdings zu. Dass der Sound diesmal, nach drei Anläufen, endlich wieder vertrauter wirkt, liegt wirklich an der Abmischung des Basses, der bei einem Maidenalbum einfach beim Anschlag LAUT klackern muss. Meiner Meinung nach hätte er auch noch ein wenig aufdringlicher sein können, aber das Gesamtbild passt diesmal jedenfalls. Sehr erfreut bin ich zudem von dem für Maiden außerordentlich harten und kantigen Geamtsound, der auf "AMoLaD" vorhanden ist. Der Appetizer "Benjamin Breeg" überraschte in dieser Hinsicht ja schon und liess es erahnen.
Eine Sache die ich Maiden bei vorliegender Scheibe hoch anrechne ist, dass sie diesmal nicht auf Nummer sicher gegangen sind und für sich eher ungewöhnliche Arrangements verarbeitet haben. So z.B. im Opener "Different World": Bis zum Refrain scheint der Song eine 08/15 Maidennummer zu sein und ändert dann von jetzt auf gleich komplett seine Richtung. Für mich als alten Maidenanhänger ein etwas sehr ungewöhnliches, doch nach einigen Durchläufen sehr angenehmes Gefühl beim Hören, welches sich - wie bei den meisten anderen Songs - erst nach mehrmaligem Durchlauf einstellt.
Diese Art und Weise des Umbruches zieht sich eigentlich durch das gesamte Album. Die Band hat an einigen Stellen für sich etwas Neues versucht und dies ist es vermutlich, was meinem Kollegen ein wenig übel aufgestoßen ist. "Brighter than a thousand Suns" ist für mich mit seiner emotionalen Steigerung z.B. eines der Highlights des Albums.
Klar, das Album ist nicht progressiv sondern einfach nur lang, daran gibt’s nichts zu rütteln, doch wurden die Intros interessanter als noch auf "Dance of Death" gestaltet, so dass man später nicht immer spulen muss. Auch sind einige (manchmal zahlreiche) Wiederholungen vorhanden, die nicht so oft gebracht hätten werden müssen, jedoch spricht mich bis auf "Lord of Light", welches ich auch als absoluten Verlierer der Platte sehe und dem eher überflüssigen, weil schon arg bekannt vorkommenden, "Out of the Shadows" jeder einzelne Song an. Alte Glanztaten erreichen die meisten Songs nicht, das stimmt schon, doch bringt ein sehr entspannt und kontrolliert wirkender Bruce Dickinson die sehr guten Texte fantastisch atmosphärisch rüber.
Fast jeder Song schafft es so, Bilder im Kopf des Hörers zu erschaffen, welche teilweise sehr zum Nachdenken anregen. Das wären da mal herausgesucht "These colours don´t run", "The Reincarnation of Benjamin Breeg", "For the greater good of God" und fast alle anderen Songs, bis auf die beiden schon erwähnten Gurken. Der Bonus, welcher "The Legacy" innewohnt, begründet sich wohl darin, dass andere Wege beschritten worden sind und er anders nach Maiden klingt als sonst. Ich finde es jedenfalls gut, dass sich die Band nicht einfach nur selbst kopiert und dadurch zum Lulli der Szene macht.

„AMoLaD“ ist definitiv kein Album für zwischendurch, wie "Powerslave" oder "Piece of Mind", aber auch kein zweites "The X-Factor" (welches ich mittlerweile auch sehr zu schätzen gelernt habe), sondern eine Scheibe, die aufmerksam und öfter gehört werden muss, um sich zu entfalten. Wenn man dies im Hinterkopf hat und mit dem vorliegenden Material etwas anfangen kann, so hat man ein Album welches sehr intensiv und langzeitmotivierend sein kann, jedenfalls mehr als "DoD".
Hoffen möchte man jedoch das auf dem nächsten, vielleicht ja auch letzten, Maidenalbum wieder ein paar kürzere Stücke vorhanden sind, wie "Different World" oder das kurzweilige "The Pilgrim".

Iron Maiden haben während ihrer Karriere einige Phasen durchlaufen, mal mehr und mal auch weniger beliebt, aber Maiden wären nicht Maiden, wenn das nächste Album nicht wieder einige Veränderung mit sich bringen würde.
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