Aufmarsch der großdeutschen Witzparade

Aufmarsch der großdeutschen Witzparade

Special
26.02.2006
Dem Deutschen reichen vier Jahreszeiten wohl nicht, denn er erfand sich schwuppdiwupp noch eine fünfte dazu. Doch diese wurde nicht Fußballbundesliga genannt, was eigentlich logischer wäre, sondern den „Sarg des deutschen Humors“, abgekürzt Karneval. Jetzt dürfen wenigstens auch Frauen mitmachen.
Der Frohsinn beginnt am 11.11. 11:11 Uhr. Hihi, lauter schweinelustige Einsen. Doch nur kurz zeigt der Karneval hier seine hässliche Fratze. Eigentlich weiß niemand mehr so genau, warum die Deppen schon so früh anfangen mit dem lustig sein. Dem glücklichen Umstand, dass sich mit Karneval alleine kein Lebensstandard aufbauen lässt, und man jeden Tag ins Büro muss, um den Plagen zu Weihnachten die neue X Box unters Bäumchen legen zu können, ist es zu verdanken, dass die Jecken erst mal ein knappes Quartal ruhig bleiben.
An einem Donnerstag im Februar geht der Terror dann weiter. Ich weiß schon, warum ich den Monat hasse. Altweiber oder Weiberfastnacht wird dieser Tag verharmlosend genannt. Frauen rennen den ganzen Tag mit der Schere im Anschlag herum und schneiden den Männern die Krawatten ab. Natürlich muss auch mit Nichtträgern das Beschneidungsritual vollführt werden. Dann müssen Schnürsenkel oder Hemdkragen das Zeitliche segnen. Wütenden Protesten zum Trotz wird die Dolce & Gabbana abgesäbelt und mit Worten wie „Brauchtum“ und „verdammter Karnevalsmuffel“ ziehen die Damen wieder aus dem Büro ab. Je niedriger die Stellung in der Firma, desto höher der Trieb der Frauen und desto mehr Krawatten werden ein halbes Jahr lang am Monitor drapiert.

Spätestens Mittag halb 12 ist das Büro eine frauenfreie Zone, denn alle sind unterwegs zur Altweiberfeier, je nach Größe des Orts des Geschehens in die Stadthalle oder irgendeine Scheune. Ab diesem Zeitpunkt fluten sich die Frauen mit Sekt und Kümmerling um eine Rechtfertigung zu haben, zu vorgerückter Stunde schlimmer als die Mongolen seinerzeit wüten zu können. Da wird auch gern mal in die U-Bahn gereihert; so was machen normalerweise nur Fans von Rot-Weiß Essen. Und was machen die Männer? Nun, die normalen freuen sich, abends in Ruhe Europapokal im Fernsehen zu schauen, ohne dass das Walkie-Talkie zum wiederholten Mal die Abseitsfalle erklärt haben möchte, einem vorhält, dass man selbst nicht aussieht wie „der da mit der Nummer 9“ und einen überzeugen möchte, doch lieber zu „den grünen“ zu halten, denn die haben die schöneren Trikots. Auch kein dauerndes Generve ereilt einen, weil Madame doch lieber die Arztserie im Ersten oder die Quizshow im Zweiten sehen will. Die bekloppten unter den Schwanzträgern finden es allerdings als erstrebenswert, sich zwei Medizinbälle unter den Pulli zu klemmen, sich eine alte Schürze anzuziehen und sich als Frau verkleidet Zutritt zur Veranstaltung zu erkaufen. Arme Irre!
Rosenmontag gibt’s dann den so genannten Umzug. Zumindest in den Regionen Deutschlands, deren Sprache mit dem Deutschen so viele Gemeinsamkeiten hat, wie Joschka Fischer mit einem Kriegsgott im fernen Kongo. Dann zieht sich der ganze Ekel durch die deutschen Innenstädte und gleicht einer Aneinanderreihung sämtlicher Baumarkinhalte. Auf den Wagen stehen lokale Semiprominente und schmeißen den Leuten am Wegesrand abgelaufene Bonbons aus dem REWE-Hauptquartier an die Köppe. Diese wiederum blasen sich vor lauter Frohsinn Papierschlangen an die Geschlechtsteile und kippen sich ab 8 Uhr morgens Pils, oder als dessen unwürdigen Ersatz Kölsch, in die heiteren Jeckenschädel. Das alles könnte ja ganz lustig sein, wenn die Umzüge nicht den Charme einer Steuererklärung hätten. Hin und wieder hat sich ein Karnevalsverein was besonderes ausgedacht und veralbert Politiker, die sie überlebensgroß und mit tollen selbstgereimten Witzen auf ihre Umzugswagen nageln. Harhar, nageln, ihr versteht schon.

Das Beste am Karneval sind aber die Prunksitzungen. Dort öden Feierabendhumoristen die Trottel im Publikum, die auch noch für den Unsinn blechen müssen, mit den immergleichen Witzen an. Um sich neue einfallen zu lassen, blieb keine Zeit mehr, denn der Umzugswagen musste ja auch rechtzeitig fertig werden. Egal, wird einfach das Zeug vom letzten Jahr genommen und einmal am Laptop auf die Randomtaste gedrückt, um die Gags wenigstens in anderer Reihenfolge ins Publikum zu rülpsen. Die Deppen müssen ja sowieso auf Befehl, den so genannten Tusch, lachen. Dutzende junge Mädchen in Reichswitzuniformen tanzen dazu auf der Bühne und gewähren dem ein oder anderen sabbernden Lokalpolitiker in der ersten Reihe Einblick in den Schritt. Hin und wieder werden auch Lieder in die Umwelt krakelt wie „Mer lasse den Dom in Kölle, denn da jehört er hen“. Als ob sie Angst haben, dass sich die rechtmäßigen Besitzer melden und ihn wieder haben wollen.
Wahrscheinlich ist es nur der schieren Masse an Teilnehmern zu verdanken, dass die Jecken nicht in die wohlverdiente Klapsmühle verfrachtet werden. Am Aschermittwoch ist der Trübsinn auch vorbei, denn die von 5 Tagen Alkoholkonsum gezeichneten Körper schreien nach Erholung, ähnlich wie normale Menschen nach Wacken.
Was wird wohl ein Ausländer denken, der diesem Treiben zusehen muss? Sieht so die Hölle aus?
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