Von Fettnäpfchen über Running Gags bis hin zu zukünftigen Eheschließungen


Interview mit Misery Signals
Metalcore aus USA - Milwaukee / Wisconsin
Interview vom 15. April 2009 mit Kyle Johnson von MISERY SIGNALS, im Rahmen der „Through The Noise Tour“, im Substage in Karlsruhe.
Nachdem ich nach Betreten des Substage erstmal kräftig ins Fettnäpfchen getreten bin, konnte das Interview ja nur gut laufen. Fragte ich doch - im stockdunklen Eingangsbereich des Ladens - den Erstbesten der mir zwischen die Finger kam nach: „dem Tourmanager, weil ich ein Interview mit MISERY SIGNALS habe“. Zurück kam mit einem Lächeln: „Ah MISERY SIGNALS, das dürften dann wohl wir sein.“ Bei genauerer Betrachtung meines Gegenübers stellte sich heraus, dass es sich um Karl Schubach, den Sänger der Formation, handelte.
Nachdem diese Hürde gemeistert war, setzte ich mich mit Bassist Kyle in die wunderschöne Abendsonne von Karlsruhe und los ging es…


Zuerst mal danke dafür, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Also wie läuft die „Through The Noise Tour“ bisher?

Es läuft toll, es ist bisher die beste Europatour, die wir gespielt haben. Bisher waren es drei Shows, und alle liefen super. Wir kennen alle Bands bereits persönlich, da wir schon mit allen vorher getourt sind. Es ist also eine absolute Traumtour.

Du sagst, dass ihr bereits mit allen Bands der Tour gespielt habt, wie versteht ihr euch mit ARCHITECTS, die euch schon das ganze Jahr an der Backe hängen. Zuerst bei der UK-Tour, jetzt bei der Europa-Tour und später in diesem Jahr geht ihr noch zusammen auf Kanada-Tour?

Wir verstehen uns toll mit ihnen. Wir haben sie letztes Jahr auf einem Festival in Belgien kennen gelernt und Pläne geschmiedet für eine gemeinsame UK-Tour, und danach hat sich alles weitere ergeben.

Ihr seid bereits seit Jahresbeginn und noch bis Ende Juni ununterbrochen auf Tour. Ist es möglich jeden Abend eine konstant gute Show abzuliefern?

Ja, solange man von der Sache nicht genervt ist. Du wirst zwar nach so einer langen Zeit müde, aber auch besser mit jeder Show. Und solange man das liebt, was man macht, sehe ich darin kein Problem.

Variiert ihr die Setlist auf solchen langen Touren um der Monotonie vorzubeugen oder stellt das kein Problem für euch dar?

Es kommt darauf an, wir haben eine Basis Setlist aber wir schauen immer danach, was die Kids hören wollen, was bei ihnen auf der jeweiligen Tour ankommt und passen die Songs dementsprechend an. In Amerika spielen wir eigentlich jeden Abend dieselbe Setlist. Aber wenn wir nach Europa kommen, wo wir noch nicht so bekannt sind, spielen wir ein anderes Set und wenn dieses funktioniert, bleiben wir dabei, wenn nicht, ändern wir das Set während der Tour bis es passt.

Am Ende von 2009 habt ihr innerhalb eines Jahres alle Kontinente bespielt, mal abgesehen von Afrika. Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Shows oder zwischen den Leuten die zu den Shows kommen?

Ja, die gibt es definitiv. Wir waren in Südostasien und das war etwas komplett anderes, als alles was wir bisher erlebt haben. Selbst Kanada ist etwas komplett anderes, als in Amerika zu spielen. Ich würde sagen, egal wo man hingeht, alles hat seine Vor- und Nachteile.

Du hast gerade Südostasien erwähnt, war das positiv gemeint oder negativ oder einfach generell komplett anders also ohne eine Wertung?

Das war absolut positiv gemeint. Es gibt eine Menge Unterschiede zu anderen Kulturen. Vor allem die Tatsache, wie sie die Bands behandeln. Sie sind sehr dankbar. Auch wenn es oft kleinere Shows sind, behandeln sie dich immer gut, weil sie einfach froh und dankbar sind, dass du in ihr Land kommst um dort zu spielen. Denn es sind immer noch nicht viele Bands, welche die Gelegenheit nutzen dort zu spielen.

In drei Tagen spielt ihr das Groezrock Festival in Belgien. Was spielt ihr lieber, die kleinen Shows wie heute oder doch eher die großen auf Festivals und wie beeinflusst es eure Show? (Während der Frage läuft der Sänger von ARCHITECTS vorbei und bringt den scheinbaren Running Gag der Tour, welchen ich während des Interviews noch öfters hören werde, indem er meinen Interviewpartner mit einem lautstarken „Hey Kyle“ begrüßt, worauf dieser mit einem noch lauteren „Hey Kyle“ antwortet.)

Ich mag Shows wie heute Abend lieber, es sind 4 oder 5 Bands und eine Handvoll Kids kommen extra wegen uns. Wenn du hingegen ein Festival spielst hast du 20 bis 50 Bands und es ist alles ziemlich aufgesplittet. Man kann leicht in der Masse untergehen. Festivals haben zwar auch ihr Gutes, denn man kann sich einer großen Menge von neuen Leuten präsentieren, die möglicherweise bisher noch keine Notiz von uns genommen haben, aber ich bevorzuge das familiäre Umfeld auf diesen kleinen Shows wie heute.

Ihr seid, wie erwähnt, das halbe Jahr unterwegs, wenn keine Tour ansteht seid ihr zusammen im Studio, wünscht man sich da nicht auch mal Urlaub von den anderen Jungs?

(Lacht) Ja, überall wo ich hingehe, sind die anderen bereits. Deshalb ist es ja so wichtig sicher zu gehen, dass man es mit den richtigen Leuten macht, mit denen man gut klar kommt. Mit zweien der Junge lebe ich auch noch zusammen, sprich ich sehe sie sogar in meiner Freizeit. Aber man findet immer Mittel und Wege um etwas Freizeit von den anderen zu bekommen. Sei es im Bus oder während den Show am Merchandise Stand oder auch im Publikum, während man den anderen Bands zusieht.

Ok, lass uns über „Controller“ reden. Meiner Meinung nach ist „Controller“ ziemlich straight. Es ist weniger melodisch und weniger komplex als der Vorgänger „Mirrors“. Stimmst du mir da zu und wenn ja, woran liegt das?

Ja, da stimme ich dir absolut zu. Ich denke „Mirrors“ war nicht ganz so auf den Punkt, eben nicht ganz so fokussiert, wie wir es gerne gehabt hätten. Es war einfach ein komischer Zeitpunkt in unserer Bandgeschichte. Wir haben einen neuen Sänger bekommen. (In diesem Moment läuft Karl, der besagte Sänger, mit dem Skateboard an uns vorbei und brüllt lächelnd: „Neuer Sänger?, fick dich ich singe seit zwei Jahren bei euch“) und dadurch war es eine Zeit der Veränderung. Außerdem denke ich, dass es daran lag, dass bisher immer bestimmte Personen für das Songwriting zuständig waren, und diesmal wollten wir einfach alle daran beteiligen, so dass etwas entsteht, mit dem sich jeder von uns identifizieren kann. Und da die meisten von uns auch persönlich auf härteres Zeug stehen, wollten wir dies etwas mehr in unsere Musik einfließen lassen. Letztlich sind wir mit „Controller“ glücklicher und zufriedener als mit jeder anderen CD, die wir bisher veröffentlicht haben.

Das führt uns direkt zur nächsten Frage. Für viele Bands ist das dritte Album ja ein besonders wichtiges. Denkst du, ihr habt euren Stil jetzt gefunden, oder ist beim nächsten Album wieder mit einem komplett anderen Sound zu rechnen?

Ich denke nicht, dass wir jemals eine genaue Formel finden, bei der wir bleiben. Egal wie gut die letzte gepasst hat. Wir sind eine der Bands, die es genießt eine Platte zu machen, welche nicht wie das Bisherige klingt. Wir wollen uns natürlich immer weiter entwickeln. Wir haben eine Menge an verschiedenen Einflüssen aus allen möglichen Musikrichtungen und je länger wir das hier machen, umso mehr dieser Einflüsse möchten wir in unsere Songs einbauen. Allein schon, um das Interesse an dem was wir tun zu wahren. Wenn man das hier schon so lange macht wie wir, ist es nicht immer einfach das Interesse zu bewahren, und das Experimentieren hält uns und unser Interesse einfach frisch.

Aber ihr seid noch nicht beim Schreiben der nächsten Platte? (Wieder Zeit für den Running Gag: „Hey Kyle“, „Hey Kyle“, diesmal ist es der Tourmanager.)

Nein, sind wir nicht. Aber ich weiß, dass Stuart schon einige Ideen hat, die er gerne umsetzten möchte. Aber wir arbeiten noch nicht konkret an einem Nachfolger von „Controller“

Für viele Bands ist es der Todesstoß, wenn der Sänger das Handtuch wirft. Wie war das bei euch, war es immer klar, dass ihr die Band fortführt?

Nein, es war nicht von Anfang an klar, dass wir weitermachen. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Dinge schon eine ganze Weile nicht mehr so gut mit dem alten Sänger. Also war es eine Möglichkeit, etwas Neues zu beginnen und die Band wieder zu einem Punkt zu führen, an dem wir alle wieder Spaß daran haben. Wenn es nach unserem damaligen Sänger gegangen wäre, hätten wir uns damals aufgelöst, aber jeder von uns hat sein Herz und seine Seele dafür gegeben, und wir anderen waren einfach nicht an dem Punkt, wo wir aufhören wollten. Also haben wir dem Wandel eine Chance gegeben und es hat funktioniert.

Ihr spielt Songs wie z.B. „This Year Summer Ended In June“ nicht mehr. Kannst du uns erklären warum? War es eine Entscheidung der Band oder ging es mehr von eurem ehemaligen Sänger aus, da gerade der erwähnte Song doch einen sehr persönlichen Hintergrund für ihn hatte?

Es war eher das zweite. Ich hätte den Song gerne weiterhin gespielt, denn es war einer unserer bekannten Songs und auch einer meiner persönlichen Lieblingssongs. Aber er hatte Probleme, über die er erst hinwegkommen musste, was er mittlerweile auch geschafft hat. Und das haben wir natürlich respektiert. Vor ein paar Monaten hab ich ihn noch mal kontaktiert und ihn gefragt, wie er sich damit fühlen würde, wenn wir „This Year Summer Ended In June“ wieder spielen und er sagte, dass er kein Problem mehr damit habe.

Also kann ich erwarten, dass ihr den Song heute Abend spielt?

(Lacht) Ja, das werden wir, aber verrate es keinem. Das soll eine Überraschung werden.

Wo seht ihr euch in 5 Jahren, immer noch die ganze Welt betouren oder eher daheim mit einem Bier und der Frau im Garten?

(Lacht laut, wird dann aber eher nachdenklich) In 5 Jahren werden wir das Touren hoffentlich etwas reduziert haben. Wir touren 8 bis 9 Monate im Jahr zur Zeit und ich würde es gerne sehen, wenn wir das auf 5 oder 6 Monate reduzieren würden. Wir haben alle noch Sideprojects, denen wir unsere Zeit widmen, und ich würde auch gerne etwas mehr Zeit daheim verbringen. Auch wenn ich mich in den nächsten 5 Jahren noch nicht mit meiner Frau im Garten sitzen sehe, dazu und zur Ehe lass ich mir eher noch 10 Jahre Zeit.

Ok, letzte Frage, was können die Jungs und Mädels, die zu euren Konzerten kommen, erwarten?

Ich würde sagen, einfach eine verdammt gute Zeit, eine ganze Menge Energie und Emotionen und eine schweißtreibende Show, an deren Ende hoffentlich jeder froh ist, sie miterlebt zu haben.

Kann man ein Interview mit schöneren Worten beschließen, nein, ich denke nicht. Dann danke ich dir für die Möglichkeit des Interviews, und ich freue mich auf die Show nachher.
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