Aus dem Land raus kommen & realistisch bleiben


Interview mit Clean State
Modern Thrash Metal aus Luxemburg - Differdange
CLEAN STATE gehören mit ihrer langen Geschichte quasi zu den Urgesteinen der noch immer aktiven Bands in unserem Nachbarland Luxemburg und auch SCARRED sind bereits längere Zeit aktiv und konnten 2009 durch Auftritte in Wacken & auf dem Metalcamp bei einem größeren, internationaleren Publikum punkten. Wenn man dann die jeweils aktuellen CDs der Bands vorliegen hat und sie an einem Abend beide live sehen kann, auf dem Bang Your Head Luxembourg IV, bietet es sich geradezu an, im Gespräch ein wenig in die Geschichte der Bands einzutauchen und dabei gleichzeitig etwas mehr über die Metalszene des kleinen Landes zu erfahren, welche Rolle die drei Nachbarn Frankreich, Belgien und Deutschland spielen und in welchen Punkten diese sich unterscheiden. Sowohl Marc, der Schlagzeuger von CLEAN STATE, als auch Jeff, der Bassist von SCARRED, haben dabei nicht mit offenen Worten gespart, und so entwickelte sich eine längere, offene Unterhaltung, die hier in großen Teilen nachzulesen ist.

Beginnen wir bei den Bands selbst. Wie lang habt ihr jeweils am Album gearbeitet und wie lang war die Vorlaufzeit? Ihr seid ja nun keine Bands, die seit 15 Jahren zusammen arbeiten und auf einen riesigen Backkatalog zurückschauen können...

Jeff (SCARRED): Naja, 15 Jahre kommt bei Marc schon hin.
Marc (CLEAN STATE) lacht: Ich fasse das jetzt kurz: wir haben angefangen in der ersten Besetzung 1994. Aber damals in einer ganz anderen Besetzung als heute. Das einzige Anfangsmitglied, was noch übrig ist, ist der Mackel (git.). Und ich mache seit 1997 mit. Damals haben wir auch Konzerte gespielt & CDs aufgenommen, aber es war eine ganz andere Sache. Irgendwann haben wir dann neue Leute reingenommen, einen neuen Sänger und so, und im Grunde genommen ist es eine ganz neue Band geworden. Wir haben aber den Bandnamen behalten, weil egal wer da spielt, wenn Mackel & ich zusammen Musik machen, auch bei uns im Keller und so, ist das CLEAN STATE. Das ist die Erklärung, warum wir nicht den Bandnamen gewechselt haben. Um auf die Frage zu kommen: Wir haben ziemlich lang an dem Album gearbeitet, da wir auch alles selbst aufgenommen haben und das ein Lernprozess war. Nach und nach haben wir angefangen, an den Stücken zu arbeiten, Stücke zu überarbeiten, uns in Studiotechnik reinzuknien.

Also zum ersten Mal selbst aufgenommen und selber alles gemacht?

Marc: Naja, vorher haben wir auch alles selbst aufgenommen, aber das war noch nicht digital, sondern alles analog. 10 Jahre später ist das eine ganz andere Welt, da haben wir uns eben reinarbeiten müssen, und deshalb haben wir ziemlich lang, ich glaube so gut 2 Jahre, an dem Album selbst gewerkelt, aber vor allem am Aufnehmen & an der Produktion. Alles selbst abgemischt, ins Mastering gegeben in Schweden, in die Cutting Room Studios, weil wir wussten, wenn wir sonst alles selbst machen, dann nehmen wir das Geld, was wir gespart haben, zumindest für ein Mastering Studio. Das Album ist Ende 2008 rausgekommen, die Release Party in der Rockhal war ganz nett. 300-400 Leute hatten wir da.

Also ungefähr so viele wie heute Abend?

Marc: Ich weiß jetzt nicht, wie viele heute drin sind, aber es wird so in die Richtung kommen. Ich weiß jetzt gar nicht, hab ich jetzt die Frage beantwortet, haha.
Jeff: Bei uns war es etwas anders. Wir sind in ein Studio gegangen, wo wir aber den Produzenten schon seit langem kennen, weil der auch ein Luxemburger ist. Das ist der Gitarrist von LE GRAND GUIGNOL, die vorher VINDSVAL hießen, der macht sehr gute Produktionen (Patrick Damiana & die TidalWave Studios -mba). Vorbereitungszeit würde ich sagen so 2-3 Jahre fürs Songwriting, weil wir immer Besetzungsprobleme hatten, das Übliche halt. Rein für Aufnehmen, Mixen und Mastering haben wir ein Jahr gebraucht, auch weil wir noch alle Studenten sind, und dann kamen da die Examen dazwischen und all der normale Lebensscheiß.

Da denkt man immer, Studenten haben so viel Zeit...

Jeff: Aber wir haben das schon gut durchgezogen. Wir hatten im Februar 2009 unseren Release, auch in der Rockhal. Da waren so 400-500 Leute, es war schon sehr voll. Seitdem rollt es für uns eigentlich ganz gut. Nachdem wir das Album rausgebracht haben, haben wir den Metal Battle hier in Luxemburg gewonnen, haben dann auf Wacken gespielt und da den 2. Platz gemacht. Jetzt sind wir schon sehr viel unterwegs.

Wie viele Leute waren denn da in Wacken bei dem Auftritt bzw. wo war das da?

Jeff: Wir haben auf der Wet-Stage gespielt, das ist die einzige überdachte Bühne. Die fasst ungefähr so 1.500 Leute, aber bei uns wars ungefähr halbvoll, also so 700 Leute. Wir haben mittags um 14 Uhr gespielt, gleichzeitig mit GAMMA RAY, glaub ich, das war schon gut für uns. Ich glaube, all die, die GAMMA RAY zu langsam und zu... finden, die sind dann zu uns.

Also langsam sind GAMMA RAY nun nicht... (großes Gelächter)

Jeff: Ok, nicht laut genug, sagen wir mal so.

Ok, dann mal eine Frage, die oft nicht wirklich gerne beantwortet wird oder der ausgewichen wird: Wo würdet ihr euch einsortieren, zwischen anderen Bands oder auch genretechnisch?

Marc: Ich beantworte das am liebsten mit Bandinfluenzen. Wir versuchen nicht zu klingen wie Band X oder Band XX, aber ich weiß halt, wer in unserer Band was hört, und irgendwie kommt dabei die Musik, die wir machen, raus. Einerseits stehen wir sehr auf die Schwedenmucke wie IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY und Sachen, die eben melodischer sind. Andererseits haben wir auch, v.a. Mackel & ich, gerne Sachen, die mehr verzwickt sind. Im Moment hören wir wirklich haufenweise so MASTODON Zeug, diese speziellen Sachen halt, auch MESHUGGAH. Die Musik der Band entsteht so durch die einzelnen Einflüsse. Wenn jemand mich fragt, sage ich immer: Wir machen modernen Metal. Wir versuchen mit der Zeit zu gehen. Um da auch die Brücke zur ersten Frage zu schlagen: das, was wir damals gemacht haben, hieß zu der Zeit Hardcore Metal und dann auf einmal New Metal, usw. Das sind so Trends. Wir haben immer versucht, modernen Metal zu machen und mit dem, was wir hören, zu arbeiten. Du nimmst halt das, was du gut findest, wirfst alles in einen Topf, rührst einmal und fertig ist das Produkt! lacht Das ist oft auch der schwierigere Weg. Wenn du eine Band hast, die sich auf eine andere Band fixiert, hast du natürlich viel schneller Songs und viel schneller ein Publikum. Uns ist wichtig, dass die Musik, die wir machen, optimal ist, wenn die CD, die du selbst gemacht hast, dir auch gefällt und genau das ist, was du machen willst. Das ist meine Meinung, und die Linie, wie wir in der Band arbeiten.
Jeff: Bei uns ists eigentlich das Gleiche, nur dass die Einflüsse etwas härter sind. Obwohl wir sehr oft im Thrash Metal Bereich unterwegs sind, sind unsere Haupteinflüsse doch im Death Metal Bereich, Bands wie MORBID ANGEL, BLOODBATH.

Das hätte ich nicht unbedingt erwartet.

Jeff: Genau. Und auch eine Band wie MESHUGGAH. Wir hören alle in der Band auch MESHUGGAH. Wir wollen natürlich irgendwie versuchen, einen eigenen Sound zu finden, aber ich glaube, man muss auch so realistisch sein, dass man nach so vielen Jahren Metal nichts wirklich Neues mehr machen kann. Man findet aber schon immer noch eine eigene Nische.

Sonst muss man vermutlich auch so viele Tabus brechen, dass die Leute, die lange dabei sind, sagen: Das ist kein Metal mehr!

Jeff: Wir hatten bis jetzt immer das Glück, dass wir sowohl von alten Thrashern als auch von Death Metal Fans oder auch von Hardcore Fans gemocht werden, weil wir irgendwie von allem was in unsere Musik einbauen. Wir jammen in der Probe, und das, was gut klingt, nehmen wir. Wir limitieren uns da nicht irgendwie in Form von: Nein, das muss jetzt ein Thrash Metal Beat sein. Sowas ist uns eigentlich egal. Die Hauptbands, die uns beeinflussen, sind eigentlich neben den genannten noch GOJIRA, auch Thrash Bands wie MACHINE HEAD, PANTERA, noch einige davon.

Was für Ziele habt ihr mit den Bands? Oder, anders gefragt, geht es in die Richtung: Man hat einen Beruf und in den Bands spielt man, um sich zu entspannen & weil es was anderes ist, oder ist es schon das Ziel, mit den Bands noch 1-2 Level aufzusteigen?

Jeff: Ich glaube, das jetzt gilt für beide Bands: Wir haben sehr viel Zeit & Geld in die Bands investiert, und wir versuchen da schon immer, auf das nächste Level zu kommen. Ein Traum wäre es natürlich, von der Musik leben zu können, aber ich glaube, das Musikbusiness ist da doch sehr sehr hart. Die beiden Bands, wir machen schon unser Ding, spielen sehr viel im Ausland.

Als Band aus Luxemburg liegt DAS nun, sagen wir mal, auch nicht so fern.

Marc: Ja, das ist aber schwierig. Das Schwierigste hier in Luxemburg ist halt, wenn du gut bist als Band, gut im Konzerte organisieren & im Networking, hast du Luxemburg nach einem Jahr durch. Da sind immer die gleichen Festivals jedes Jahr, immer die gleichen Leute und für uns ist die Challenge eben aus dem Land rauszukommen und auch Gigs zu bekommen, wo du beachtet wirst. Das ist im Moment das für mich, und für euch (an Jeff gerichtet, der zustimmt) ist das nicht anders, was die meiste Arbeit bereitet. Entspannend ist es für mich auf jeden Fall nicht. Also ich mach jetzt bei uns das meiste, und ich geh 40h die Woche arbeiten, danach setz ich mich nochmal ca. 20h die Woche etwa hinter die Band, ohne die Musik.

Gut, aber ich hab mit der Entspannung schon nicht die Promotion übers Netz usw. gemeint, sondern nur das Zocken.

Marc: Ja, ok, aber das ist auch die Erklärung für vorher. Es ist so viel Arbeit in der Band, und so viel Geld steckt auch in der Band, was unser privates Geld ist, weil wir kein Label oder so im Rücken haben, und man muss realistisch bleiben. Gerade in der Zeit jetzt muss man realistisch bleiben. Was ich mir für CLEAN STATE vorstelle, ist, dass wir uns den Arsch aufreißen, spielen spielen spielen und versuchen, eben im Ausland immer mehr und mehr Gigs zu bekommen und …

Also auch auf eine interessante Tour aufspringen, wo viele Leute kommen...

Jeff & Marc: Ja, Moment!

so dass sich Labels für die Band interessieren?

Jeff: Das Problem ist da auch das Buy-In System. Wir bekamen eine Tour mit SIX FEET UNDER angeboten, wo wir 1.000 Euro pro Datum zahlen sollten. Es waren 20 Daten, also 20.000 Euro, und das Geld haben wir nicht.
Marc: Und du weißt dann auch nicht, wie viele Leute da sind. So wie wir, als wir als Opening Act für HATESPHERE gespielt haben, da waren vielleicht 10-20 Leute um 19 Uhr.

Das mit dem dünnen Besuch war bei DER Tour in Bonn nicht anders.

Marc: Und wenn du dann bezahlt hast, 1.000 Euro pro Datum, wo 20 Leute kommen. Das ist blöd.
Jeff: Und man kann nicht für 20.000 Euro Merch verkaufen, nicht als unbekannte Band.
Marc: Das, was wir versuchen, ist schon, realistisch zu bleiben. Momentan verändert sich alles in dem Business. Es werden nicht mehr viele CDs verkauft, außer von großen Bands. Man muss halt das Beste daraus machen. Ich lese viel über das Thema, beschäftige mich viel mit dem Thema Musik, Musikindustrie & Musikbusiness. Irgendwie kommt das zurück, was in den 70ern oder Anfang der 70er da war, wo keine Plattenindustrie bestand, wo die Bands selbst rausgegangen und getourt sind, gespielt haben. Mit Freunden und Bekannten ein Netzwerk aufgebaut haben. Was ich mir so vorstelle mit der Band ist, spielen spielen spielen, nächste CD machen, Songs aufnehmen.
Jeff: Mit der nächsten CD sind wir auch schon im Gange. Wir waren jetzt im Studio, drei neue Songs aufnehmen, die werden jetzt in Amerika gemischt, von Neil Kernon, dem Produzent von NILE & CANNIBAL CORPSE. Bei uns ist es sonst auch ähnlich. Es geht darum, jede Menge Konzerte zu spielen, hauptsächlich im Ausland. Da spielen wir auch Sachen, wo wir auf Gage verzichten oder so. Hauptsache wir können uns vor einem neuen Publikum präsentieren, damit unser Name ins Gespräch kommt. Da haben so Festivals wie das Wacken oder das Metalcamp schon sehr geholfen. Wir sind auch Touren am organisieren, sollten im August vielleicht eine zweiwöchige Tour in Amerika machen mit einer anderen luxemburgischen Band. Wir knien uns organisatorisch sehr rein, da steckt doch sehr viel Arbeit dahinter. Die meisten, die so ne Band anfangen, wenn man denen sagen würde, wenn man auf ein anderes Level kommen will, was da für Arbeit drinsteckt. Ich glaube, das würde viele abschrecken.
Marc: Man lebt sich so da rein.
Jeff: Wenn man es so lange macht... Ich kanns mir auch nicht vorstellen, das nicht zu machen.
Marc: Am Anfang und gerade heute geht das auch. Das, was du heute machst, konntest du früher nicht machen. Als wir angefangen haben in der 1. Formation von CLEAN STATE, zu der Zeit hattest du keine E-Mails. Da hast du alles über das Telefon gemacht. Das war halt viel mehr beschränkt, aber die Sachen waren sicherer. Es war nicht so schnelllebig. Das heißt, wenn du einen Kontakt hattest, dann hattest du ihn. Dann hast du da gespielt, das Jahr danach hast du auch wieder da gespielt. In der Zeit hatten wir Kontakt mit Amibands, die in Bitburg oder so stationiert waren, und das waren Kontakte, die waren da. Da waren Leute, und weil das ganze auch nicht so überfüllt war wie heute. Heute hast du Hunderte von Bands. Du hast heute fast so viele Musiker wie Leute, die auf die Konzerte gehen. Vor allem hier in Luxemburg, wenn ich mir das so ansehe, glaube ich, dass mehr Leute Musik machen als Leute einfach so auf ein Konzert angehen, um die Musik nur anzuhören.
Jeff: Das Problem ist auch irgendwie generell, dass die Szene überschwemmt wird von Bands, die spielerisch & songwritingtechnisch gar nicht so gut sind. Früher, als die Aufnahmetechnik noch nicht so weit vorne war, musste man ein guter Musiker sein, um etwas aufzunehmen.
Marc: Und man musste auch die Eier haben, das selbst zu machen. Zum Beispiel wie wir. Wir waren quasi die einzigen, die Do-It-Yourself zu Hause mit 8 Spuren eine CD aufgenommen haben. Die anderen haben es irgendwie versucht, und dann sind auf einmal alle gekommen: Ja, kannst du uns aufnehmen? Damals war das viel schwieriger. Heute kann fast jede Band mit einfachen Mitteln ne halbwegs gute CD aufnehmen.

Wobei ich finde, dass viele Bands, die heute live auftreten, technisch fitter sind. Beim Songwriting nicht unbedingt, aber technisch sind die fitter als vor 10-15 Jahren.

Jeff: Da mach ich auch einen Unterschied. Es gibt technisch sehr gute Bands, aber das Songwriting spricht mich eben nicht an. Es gibt Musiker, auch klassische Musiker, die sind technisch super drauf, die können alles spielen, aber keine Songs schreiben. Die sind nicht inspiriert, um Songs zu schreiben. Leider Gottes gibt es jetzt auch viele Bands, die technisch sehr gut sind, die dann auch Songs schreiben, die aber voller Technik sind und irgendwie fehlt ein Hook oder eine Melodie, die das Ganze irgendwie interessant macht.

Ok, dann hab ich noch eine allgemeine Frage, bevor wir zum Thema Metal & Luxemburg kommen. Wie seid ihr zum Metal gekommen und was gehört für euch auf jeden Fall zum Metal dazu? Also gibt es ein Element, wenn man das wegnimmt, dann „ist“ eine Band, eine Person oder irgendwas kein Metal mehr?

Marc: Ich persönlich mag nie in Klischees denken. Für mich ist Metal eine Lebenseinstellung. Das hat nichts damit zu tun, ob du über MAIDEN oder heute über BLACK DAHLIA MURDER reingekommen bist. Es ist für mich eine Lebenseinstellung. Metal hat mit den Klischees, ich bin da selbst vielleicht das beste Beispiel für, die so gängig sind, nicht immer was zu tun, vor allem auch bei den Musikern und den Bands. Du kannst nicht jeden Tag Rock'n'Roll machen, saufen, kiffen UND noch gute Musik machen. Du fragst jetzt, was macht es aus?

Die Essenz sozusagen.

Marc: Die Essenz des Metal? Schwierige Frage.
Jeff: Also ich würd sagen,...
Marc lacht: Ein Lifestyle.
Jeff: Joah, ein Lifestyle, aber es hat auch so einen Hauch von Religion. Aber die Szene ist mittlerweile so groß, dass man auch nicht mehr sagen kann, man ist nicht wie die anderen. Ich glaub, die Szene ist mittlerweile so groß, dass sie ihre eigene Bewegung hat, ihre eigene Bewegung ist, aber für mich kann ich mir auch nicht vorstellen, einer von den Leuten zu werden, von denen man so hört, die mal Metal gehört haben und dann damit aufgehört haben. Ich persönlich kann mir das nicht vorstellen. Es macht auch einen Unterschied, wenn man selbst mal eine Band hatte und sehr viel für diese Musik macht & die Musik quasi lebt.

Ich glaube, der Knackpunkt ist dabei oft das Ende der Pubertät. In der Pubertät machen das viele als zusätzlichen Ausdruck der Rebellion gegen die Eltern und das Establishment meinetwegen und, wenn dann die Pubertät vorbei ist und sie kommen selber über Ausbildung oder Studium in ein gesetzteres Leben, dann denken sie, es ist jetzt auch angebrachter, gesetztere Musik zu hören. So nach dem Motto: „Ich rebelliere nicht mehr, da brauche ich auch keine rebellisch Musik mehr zu hören.“

Marc: Auch wenn du selbst Musik machst, bist oder wirst du mehr gefestigt in dem Bereich. Wenn du dich da vertieft hast in die Musik, die Metalmusik, spielst in einer Metalband... Also mir könnte jetzt nicht einfallen heute, kein Metal mehr zu spielen oder zu hören. Ich höre zwar oft auch gerne andere Sachen, ich bin da nicht das Klischeebeispiel. Oft wenn ich nach Hause fahre... Ich bin nicht der Typ, der immer nur Metal im Auto hört. Ich hör manchmal sogar Radio, muss ich zugeben, weil irgendwann hast du genug. Wir sind auch nur Menschen.

Um die Übersättigung zu vermeiden.

Marc: Genau. Was ich sagen wollte, ist, wenn du in einer Band spielst, wird das so ein Lifestyle. Ich geh zur Probe, ich schau mir Bands an, ich sehe etwas in den Bands, das hab ich bei den ganzen Popsachen oder so nicht. Es ist auch emotional. Metal hat für mich viel mit Emotionalität zu tun. Verschiedene Bands, auch wenn ich die heute noch sehe, große Namen wie z.B. bei nem MAIDEN Konzert sind 40.000 Leute, die schreien miteinander den gleichen Refrain. Das sind dann die Momente, wo ich sage, das ist ein Lifestyle. Das berührt mich.

Da gibt’s immer noch den kalten Schauer.

Marc: Genau, den kalten Schauer. Du schaust dir z.B. so ne DVD an und denkst: Fuck, das ist so gut. Ich glaube, das ist das, was Metal ausmacht. In vielen anderen Musikstilen hast du das nicht, du entwickelst nicht diese Bindung zu der Musikrichtung.
Jeff: Auch als Musiker. Metal ist einfach interessant, weil man eine sehr große Palette von Emotionen in den Songs rüberbringen kann. Es gibt traurige Songs, wütende Songs, es gibt sogar romantische Songs im Metal.
Marc: Auch wenn der Standardmensch das jetzt nicht verstehen wird. „Ja der schreit ja nur.“

Wobei romantische Songs... Aber gut, kommen wir zum Thema Luxemburg. Glaubt ihr oder bemerkt ihr Unterschiede in der Fanstruktur im Verhältnis von Luxemburg zu den Ländern drumherum, Frankreich, Deutschland? Also ist z.B. in Luxemburg die Szene so überschaubar , dass immer die gleichen Leute zu den Konzerten kommen und die kommen dann unabhängig von dem, was sie zu Hause hören, immer, weil sie froh sind, wenn ein Konzert stattfindet?

Marc: Bei der Größe des Landes ist es schon normal, wenn immer die gleichen Leute kommen. Ich glaube, das ist im Ausland auch so, nur da ist es halt regional begrenzt. Wenn du nach Trier oder nach Saarbrücken gehst, sind auch immer die gleichen Leute. In Frankreich haben wir auch schon einige Male gespielt und da ist das z.B. in Straßburg oder der Lorrain (eine Region im nördlichen Osten von Frankreich - mba)auch so, dass im Grunde immer die gleichen Leute auftauchen auf den Konzerten.

Ok, aber was ich eben auch meinte, ist, ob das die Genregrenzen überspringt. Also ich sehe zum Beispiel in Köln oder Bonn die gleichen Leute auf Power Metal Konzerten, aber andere gleiche Leute auf Metalcore oder Hardcore Konzerten.

Jeff: Das hat sich hier in Luxemburg so langsam auch rauskristallisiert. Aber eher mit den Deathcore Bands. Es gibt hier so eine Welle von neuen Deathcorebands, wirklich neuen Bands, die von SUICIDE SILENCE oder CARNIFEX oder wie die noch alle heißen, beeinflusst sind. Die kommen auch auf die Konzerte von CLEAN STATE und SCARRED, aber irgendwie entwickelt sich da eine Szene in der Szene. Die spielen sehr viele Konzerte untereinander. Man sieht die zwar auch auf vielen anderen Konzerten, man kann aber doch sagen, dass da mittlerweile ne Trennung zwischen Old School und den neuen Metalstilen schon gemacht wird.
Marc: Vor allem, glaube ich, von den Jüngeren.
Jeff: Ja, genau. Also wir beide, wir sind auf allen Konzerten unterwegs. beide lachen.
Marc: Ich geh mir alles ansehen, ich hab meine Meinung zu allem. Ich finde die einen Sachen gut und die anderen schlecht. Aber ich sehe das auch, dass viele Jüngere kommen, die kennen dann 2-3 Bands. Das ist, was du vorhin gesagt hast, mit dem Trend. Wenn sie sich dann einmal selbst gefunden haben, sind die Leute entweder voll im Metal drin oder raus. Das ist das, was im Moment passiert. Du hast auch gefragt nach Frankreich und Deutschland und so?

Ja, weil das halt die Nachbarländer sind. Ok, Belgien gibt’s auch noch.

Marc: Es gibt da ganz große Unterschiede! Als Luxemburger siehst du das, glaube ich, am besten, weil wir die Position haben, dass wir ein bisschen nach Frankreich, ein bisschen nach Belgien und ein bisschen nach Deutschland spielen gehen. In Frankreich gehen die Leute oft richtig ab, denen ist das wurscht, wer du bist. Wenn die Musik gut ist, gehen die ab. In Deutschland hast du oft so ein reserviertes Pubklikum, wenn die dich nicht kennen. Wir haben einmal vor PRO-PAIN gespielt, die Leute standen da, so apathisch, und ich hab gedacht: ja, die finden das nicht gut, weil PRO-PAIN ist halt was ganz anderes als das, was wir jetzt machen. Aber als ich nachher mit den Leuten gesprochen hab, fanden die das gut, aber sie waren eben ruhig.
Jeff: Zum Beispiel das Konzert in Köln, wo du auch warst (Euroblast Vol. 5 - mba): Erstens bleiben die Leute nicht wegen uns, weil sie uns einfach nicht kennen, und zweitens standen die meisten Leute schon etwas statisch da, es hat ihnen aber gefallen. Es gibt so viele Bands, die in Deutschland auf Tour sind... Ich glaube, die Deutschen werden etwas übersättigt vom Angebot. Wenn dann eine neue Band spielt, dann schauen sie sich die Band an, machen sich ihre Meinung und kommen dann vielleicht nochmal wieder. Wenn man in Frankreich oder in Belgien spielt, ist das auch eine Sache von den Finanzen, würd ich mal sagen. Wenn man in Belgien z.B. in der Wallonie spielt, das ist die ärmste Region von Belgien, wenn man da ein Festival spielt, wo der Eintritt 25 Euro kostet, dann sind die Leute mittags um 14 Uhr da. Dann ist der Saal komplett voll, und die gehen ab wie... Das kann man sich gar nicht vorstellen! Die bezahlen das Geld, um Party zu machen. Ich will nicht unbedingt sagen, es ist denen egal, wer spielt, aber...
Marc: Es ist eine Einstellungssache. Die gehen nicht hin, um Bands zu sehen; die gehen hin, um Party zu machen. Vor allem in Belgien sieht man das. Wir haben oft in Belgien gespielt. Da kommst du an, da stehen die ersten schon da und sind so hackebreit, dass sie kaum noch stehen können. Das hast du in Deutschland weniger, da hast du eher ein Publikum, das dir zuhört.

Also hat es im Endeffekt in den verschiedenen Ländern immer positive und negative Seiten.

Jeff: Ich finde, das deutsche Publikum ist auch ein Publikum, was motiviert werden muss. Wir haben jetzt in Aachen gespielt, und wenn man den Leuten einheizt und die dazu bringt mitzugrölen und was auch immer, dann kocht die Stimmung auch. Auf Wacken wars das gleiche. Da haben wir versucht, die Leute mit einzubinden. Und wenn der Funken überspringt, dann geht’s auch. In Frankreich ist sowas schon leichter.
Marc: In Frankreich gehst du manchmal auf die Bühne, hast noch keine Note gespielt und es gibt schon die ersten Stagediver. Das ist die Einstellung.

Wenn bei Deutschland bei einer unbekannten Band sofort der erste versuchen würde, von der Bühne zu springen, würde er garantiert auf dem Boden landen...

Marc: Ja, entweder das oder, je nach dem wo du bist, kommt schon der erste Security Mann und sagt: Du darfst nicht stagediven! In Frankreich hatten wir auf Konzerten schon die verrücktesten Sachen. Da kommt z.B. ein Typ auf die Bühne gesprungen und kippt ein Bier über den GitarrenAmp und so Szenen. Das ist halt viel chaotischer. Aber auf der anderen Seite, ich will nicht sagen, dass die Szene besser ist. Es gibt auch andere Seiten. In Frankreich, die machen halt Party, aber die Franzosen sind, was das Konzerte organisieren angeht, oft viel unzuverlässiger. Du hast wirklich chaotische, undurchsichtige Organisationen, wo du keinen Durchblick mehr hast. Wer ist jetzt ein Booker, wer ist jetzt ein Promoter, wer macht ne Show und wer hat was damit zu tun. In Belgien hast du das auch oft. In den Ländern ist das enorm schwierig. Und außerdem haben die Franzosen so eine geschlossene Szene.
Jeff: Ja, es ist sehr schwierig, schwieriger als in Deutschland. Wir haben in unserer ganzen 9-jährigen Karriere, glaube ich, vier Gigs in Frankreich gespielt. Einmal als Opener von DEVILDRIVER, ok, das war schon größer, aber das andere... Es ist sehr schwierig da Konzerte zu kriegen. Die Szene ist sehr sehr eng verbunden, auch unter sich. Eine Band, die aus der Lorrain kommt, die spielt fast schon nicht in Paris.
Marc: Es ist ein ganz anderes Land, die haben eine ganz andere Aufteilung. In Frankreich hast du verschiedenen Zentren, wo die wirklich guten Bands herkommen. Paris, Lyon, Marseille, die verschiedenen Großstädte, wo wirklich eine Szene existiert. Und dann hast du alles so dazwischen. Das sind Riesendistanzen, wo nichts läuft, oder nur die ganz kleinen Sachen. Da ist es dann so, wie wir von Belgien erzählt haben. Da gehst du hin, da gehen die Leute ab, weil die Party machen wollen. Da ist sonst nix, keine Dorfdisko, keine Party. Die gehen zum Konzert: Ja, wir wollen trinken, wir wollen Musik hören, wir wollen Party machen. Die sind nicht übersättigt, weil oft nichts läuft.

Vielleicht ist das auch mal eine Erklärung dafür, warum es aus Frankreich ganz wenige weltweit bekannte, einflussreiche Metalbands gibt. Ok, jetzt gibt’s GOJIRA, aber sonst gibt’s echt wenige.

Jeff: Ja, es gab vorher noch LOUDBLAST (alteingesessene Thrash / Death Band - mba), die waren mit CANNIBAL CORPSE auf Tour, aber ich glaube, die waren hauptsächlich auch national, also in Frankreich, auf Tour. GOJIRA sind die ersten, die wirklich durchgestoßen sind, ich glaub auch zurecht. Man hat noch DAGOBA, die mit IN FLAMES in Deutschland unterwegs waren. Die französische Szene hat auch ihren eigenen Sound, ein wenig. GOJIRA sind da schon die Vorreiter. Ich glaube, die machen das auch schon ewig.
Marc: Die Franzosen hören auch die französischen Bands. Früher, also vor ein paar Jahren, ich spreche noch nicht von GOJIRA, haben die oft auch noch auf Französisch gesungen. Die Franzosen waren immer heiß auf die französischen Bands. Als Luxemburger geht das noch, weil du Französisch sprechen kannst. Aber ich kann mir vorstellen, dass es echt hart ist für ne deutsche Band, in Frankreich anzukommen, da überhaupt einen Gig zu bekommen, ohne ein Wort Französisch zu sprechen.
Jeff: Außer es ist ne größere Band, mit den Labels da geht das.
Marc: Ja, aber ich spreche von den Bands wie unseren.
Jeff: Ja, als deutsche Undergroundband in Frankreich, das kann man, glaub ich, vergessen.
Marc: Bei CENTAURUS-A, da geht’s, weil die bei Listenable sind.
Jeff: Die haben in Paris vor GOJIRA und HACRIDE gespielt, zwei französische Bands, die auch bei Listenable sind. Da geht’s noch, weils labelintern geregelt wird.
Marc: Die haben dann jemanden, der sich drum kümmert, der die Sprache spricht, denk ich mal. Aber oft scheiterts halt an der Sprache.
Jeff: Da haben wir in Luxemburg einen Vorteil.
Marc: Das ist das, was ich immer sage. Es gibt viele Leute in Luxemburg, die sich immer beklagen: ja, es geht nicht. Wir im kleinen Luxemburg, wie sollen wir hier raus kommen? Und ich sage immer: Halt, wir haben doch die besten Möglichkeiten! Du lernst Deutsch sprechen in der Schule, du lernst Französisch sprechen, du kannst Englisch. Wo ist das Problem? Du musst nur auf die Leute zugehen, du musst eben deinen Arsch bewegen!
Jeff: Es gibt viele luxemburgische Bands, die so alles auf sich zukommen lassen, anstatt selber den Arsch hoch zu bewegen.
Marc: Gut, aber das gibt es auch in den anderen Ländern. Wenn du jetzt nach Deutschland rübergehst, in der Grenzregion, da hast du genau das Gleiche. Ich glaube, das gibt’s überall, in Frankreich, in Belgien... Diese Bands, die spielen ihre zwei bis drei Konzerte im Jahr, und das reicht denen, die sind dann zufrieden.

Wenn hier die Ausrede kommt, wir sind im kleinen Luxemburg, kommt dann da die Ausrede, wir sind in der kleinen Eifel.

Marc: Ja, oder wie er sagte, wir sind in der Wallonie. Ja, ok. In der Wallonie gibt’s auch keine Konzertsäle, da ist auch alles immer so provisorisch in einer Mehrzweckhalle, im Jugendzentrum oder so.

Ok, kommen wir zu einem anderen Thema: Kann man Metal auf Letzebuersch singen?

Jeff: Metal nicht, aber Rock ja.
Marc: Ich weiß nicht, es hat noch nie jemand versucht, Metal auf Luxemburgisch zu singen.
Jeff: Ok, das stimmt auch.
Marc: Ich könnte es mir vorstellen, aber das Problem ist, Luxemburgisch versteht ja kein Mensch außerhalb von Luxemburg. Du bist ganz schnell an der Grenze und als Metalband hast du auch noch so eine Sparte, die in Luxemburg selbst dann nicht zündet, und du machst ja nur was für die Luxemburger dann. Wir haben verschiedene Rockbands in Luxemburg, die singen in der Sprache.

Es folgte ein kurzer Austausch über luxemburgische mehr oder weniger Kultbands, der hier auch wegen der sprachlichen Barriere nur schwer wiedergegeben werden könnte.

Jeff: LE GRAND GUIGNOL haben auf ihrem letzten Album ein Lied, das heißt „Lucilinburhuc“, wo es um die Burg Luxemburg geht, das ist auch komplett auf Luxemburgisch. Normal ist es eine Black Metal Band, aber das Lied ist komplett in Chören gesungen, weil man sonst überhaupt nichts verstehen kann.
Marc: Es gibt verschiedene Bands, die auch versucht haben, Volkslieder auf Metal umzuschreiben. Das ist witzig, aber auch nur ein Joke.

An dieser Stelle muss Jeff uns verlassen, weil der SCARRED Auftritt kurz bevor steht. Alle folgenden Antworten sind also von Marc.

Gabs im Zuge der Kulturhauptstadt auch irgendeine Art von Förderung für Metal Bands? (Die Stadt Luxemburg war im Jahre 2007 Kulturhauptstadt Europas, gemeinsam mit dem rumänischen Hermannstadt.)

Es gab im Allgemeinen in Luxemburg Förderung für Bands & Festivals, jetzt aber nicht für Metal direkt. Es gab verschiedene Festivals, wo die ganze luxemburgische Szene, von Rock über Metal bis Indie etc., zusammen ein Riesenfestival machen konnten. Im Rahmen der Kulturhauptstadt wurde das unterstützt, und man konnte was größeres aufziehen. Das war auf die luxemburgische Musikszene allgemein bezogen. Weil Luxemburg so klein ist, ist das meistens so: Wenn etwas staatlich unterstützt wird, ist es egal, welche Art von Musik du machst. Du musst dich an die richtigen Stellen wenden, und es ist nicht so, dass die dann einen Stil benachteiligen. Aus unserer Sicht muss ich sagen, ich hab bis jetzt noch nicht viel Unterstützung für die Band als solches bekommen. Es gab mal Unterstützung, soweit ich weiß, wenn du eine Tour machen wolltest oder das Land vertreten hast als Band. Das ist aber durch etwas anderes ersetzt worden. Und durch die luxemburgische Version der GEMA gibt’s ein System, wo du Unterstützung bekommen kannst. Das ist schon nicht schlecht. Ich kann mich nicht beklagen.

Das sind dann aber doch Tantiemen, also wenn das irgendwo gespielt wird zum Beispiel, oder?

Jaja, aber hier die haben auch eine finanzielle Unterstützung, eine Subvention, wenn du eine CD rausbringen willst.

Also schon im Vorfeld, für die Produktionskosten oder so?

Ja, genau. Du sagst denen, ich will das und das machen, und dann wird der Betrag festgelegt. Die haben einen gewissen finanziellen Rahmen. Das ist eher bezogen darauf, wenn du als luxemburgische Band eine CD rausbringst, weil du damit das, was Luxemburg kulturell zu bieten hat, erweiterst, sozusagen. Aber es ist jetzt nicht speziell auf irgendwas beschränkt. Ganz ehrlich, ich find das gut, es wird kein Unterschied gemacht zwischen den Musikstilen. Wenn du da hingehst und du legst deine Produktionskostenkalkulation hin, wird das gleich behandelt, egal ob du jetzt ein Popact oder eine Metalband bist. Aber sonst irgendeine spezielle Unterstützung, evtl. auch für bestimmte Musiker, wie es das meines Wissens nach in anderen Ländern gibt, gibt es nicht.

Was mir noch einfällt: Ich glaube, ich hab mal von einer Schweizer Band gehört, dass da die Stadt kostenfreie Proberäume zur Verfügung stellt für junge Musiker, so dass dieser Kostenfaktor schon wegfällt.

In Luxemburg sind Proberäume extreme Mangelware, und nicht nur bei Proberäumen sondern auch bei Wohnraum allgemein sind die Preise sehr hoch. Da bezahlst du hier viel Geld. Wir haben Glück, dass unser Gitarrist ein Haus hat, wo wir im Keller proben, in einem selbst zusammengebastelten schallisolierten Raum. Hier bei der Kulturfabrik gibt es Proberäume, in der Rockhal (ein auf ehemaligem Schwerindustriegelände stehendes, 2005 eröffnetes modernes Musik(er)zentrum – mba) gibt es auch Proberäume. Aber es gibt so viele Bands, das nicht Platz für alle ist. Das ist schon seit Jahren ein großes Problem in Luxemburg. Es gibt auch nicht genug Räume, die man zum Proberaum umgestalten könnte. Einfach so einen Keller irgendwo zu mieten, das geht sofort so in die Kosten, das kannst du nicht bezahlen.

Das finde ich ziemlich erstaunlich, wenn ich bedenke, wie vergleichsweise feudal die Veranstaltungsorte wie das Atelier in Stadt Luxemburg, die Rockhal oder auch jetzt die Kulturfabrik im Vergleich zu vielem in Deutschland wirken.

Ja, das sind aber auch die drei großen Locations in Luxemburg, die du da aufgezählt hast. Das wir hier in der Kulturfabrik spielen, ist auch eher die Ausnahme. Genauso wie in der Rockhal.

Wie ist das mit der Konkurrenz in Luxemburg unter den Bands? Wie z.B. als SCARRED jetzt den Metal Battle gewonnen haben und dann in Wacken spielen konnten. Freut ihr euch da auch, dass da jemand spielt? Oder gabs einen eigenen Metal Battle Luxemburg, also war es klar, dass eine luxemburgische Band da spielt?

Ja, ich glaube es war jetzt auch schon das dritte Mal, das der Metal Battle stattfand. Wir haben beim ersten und zweiten Mal mitgemacht, hatten da aber nicht das Glück zu spielen. Ich bin allerdings im Allgemeinen kein Freund von Contests. Ich gönne den anderen Bands das, aber ich hab bei Contests immer das Problem, vor allem in Luxemburg, dass die Szene klein ist und wenn du aus der kleinen Szene die besten Bands aussuchst für einen Contest. Dann sind alle Bands immer gut.

Bei der Frage geht es mir nicht speziell um die Contestsituation. Ich formuliere es um. Wenn du sagst „kleine Szene“, dann kennt man sich ja untereinander. Wenn mal jemand ausfällt, hilft man sich dann gegenseitig gerne? Ist das Verhältnis also eher freundschaftlich, kameradschaftlich oder...?

Das hängt von den Bands ab. Ich glaube, das ist überall so. Es gibt Bands, da fährt man gut, und es gibt andere, die sehen da wirklich die Ultrakonkurrenz. Sagen wir mal, eine kleine Konkurrenz ist immer gut, aber in der letzten Zeit mit dem wachsenden Zulauf von Bands ist das besser geworden. Man arbeitet besser zusammen. Vorher hattest du so fünf Metalbands in Luxemburg, jeder hat in seiner Ecke irgendwas gemacht und da wurde das nichts. Heute gibt es das öfter, dass die Bands zusammenarbeiten. Aber eine kleine Konkurrenz bleibt natürlich immer. Wenn jetzt die Ultrakonkurrenz herrschen würde, hätte ich ja z.B. auch nicht mit Jeff hier zusammen hier gesessen und das Interview gemeinsam gemacht. Wir kennen uns ja alle schon lange, und ich glaube, wir fahren ganz gut so. Aber: eine kleine Konkurrenz bleibt immer, aber das ist auch normal. Das ist auch gut so.

Klar, kleine Konkurrenz muss auch sein. Man will ja selber auch mit der eigenen Band etwas erreichen.

Genau.

Gut, kommen wir am Ende mal zu eurem Album „Dead Angel Factory“. Im PressKit steht, das Album beschäftigt sich mit Massenmördern, aber der einzig zuordnenbare Titel ist der letzte Track „Gein“. Das Album beschäftigt sich dann doch eher weniger mit Massenmördern direkt als mit der Psychologie der Mörder bzw. dem Zusammenspiel Mörder – Opfer.

Ja, genau. Die Anfangsidee für die Thematik kommt daher, dass unser Gitarrist sich enorm viel damit beschäftigt hat. Filme gesehen, Bücher gelesen, der ist halt so ein Fanatiker. Aber wir haben von Anfang an versucht, das Klischee zu umgehen. Im Metal hast du ja oft Bands, die machen Klischeetexte, vor allem wenn es um solche Themen geht. Wir haben versucht, uns bei den Songs von den einzelnen Geschichten inspirieren zu lassen, dann aber unsere eigenen Deutungen daraus zu machen, ohne konkret zu sagen, das geht um den, das geht um den. Mit „Gein“ haben wir den einen Song gewählt, wo der Name im Titel steht, weil der Song eigentlich auch im Verhältnis der Platte etwas ganz anderes ist. So eine Akustiksache, weil wir das auch immer mal machen wollten. Es beschäftigt sich, wie du gesagt hast, mit der Psychologie. Wie kann ein Mensch so werden? Und wieso wird ein Mensch so?

Theoretisch, wenn man Serienkiller als Thema nimmt, kann es ja auch so sein: im ersten Lied geht es um den Kettensägenmörder, in der ersten Strophe fliegen die Arme weg, in der nächste fliegen die Beine weg...

Ja, das ist genau, was ich meinte. Wir versuchen wirklich die Klischees zu vermeiden, weil wir das nicht mögen. Ich mag das selbst auch nicht, wenn die Texte einer Band nur aus Klischees bestehen. Ich hab dann schon lieber was zum Nachdenken oder etwas, wo ich nicht den Text lese und genau weiß, worum es geht, sondern wo ich etwas reininterpretieren kann. Eine Zweideutigkeit der Texte. Ich glaube, jemand, der sich für Serienkiller interessiert, kann was mit den Texten anfangen, aber auch jemand, der gar nichts damit am Hut hat. Und das war unser Ziel bei der Sache. Bei „Sincerely Yours“ ist es Albert Fish, glaube ich, den wir da behandelt haben.

Es hat also schon jedes Lied einen konkreten Hintergrund?

Die meisten haben einen konkreten Hintergrund. Da haben wir uns dann auf eine Thematik konzentriert. Aber es gibt auch was mit fiktiv zusammengebastelten Situationen.

In gewissem Sinne leitet das zur nächsten & letzten Frage über. Mir gefällt die Gestaltung des Booklets eigentlich ziemlich gut, aber es hat irgendwie wenig Bezug zu Serienkillern für mich. Das, was wie ein altes Anatomiehandbuch aussieht am Ende und samt dem Mensch, der seine Haut in der Hand hält, ok. Aber das in der ersten Hälfte, was etwas von mittelalterlichen Darstellungen hat, mit den Skeletten usw. Da konnte ich wenig Verbindung herstellen, auch nicht zu den etwas abstrakteren Texten.

Das Cover und das Booklet sind von einem Freund gestaltet worden, der gar nichts mit dem Konzept am Hut hat. Der ist enorm talentiert und hat gesagt: Ich mag, was ihr macht. Ihr braucht ein Cover. Das Cover ist zur gleichen Zeit wie das Album entstanden. Es wurde parallel an beidem gearbeitet. Aber was du ansprichst, ist wahr. Er hat sich seine eigenen Gedanken gemacht, aber das eine hat das andere beeinflusst. Die Figur auf dem Cover hat den Albumtitel beeinflusst und auch einen Song, obwohl der nicht konkret davon ausgeht, sondern nur vom Thema daran anschließt. Wir haben ihm künstlerische Freiheit gelassen, und er hat dann das gemacht, was ihm gefallen hat. Er hat sich schon vom Thema inspirieren lassen, aber seine eigene Story draus gemacht. Das genau vorzugeben war auch gar nicht möglich, denn wenn man im Entstehungsprozess alles do-it-yourself machst, kannst du das nicht planen. Ein Label kann eine CD machen und beauftragt dann einen Graphiker für das Booklet usw., aber das geht bei uns halt nicht.

(Bild 1 & 3 zeigen CLEAN STATE, 2 & 4 SCARRED)
-