Eine Band, mit der man rechnen muss


Interview mit RAM
Heavy Metal aus Schweden - Göteborg
Zu einem zünftigen Blutbad gehört natürlich auch ein zünftiges Interview. Aufgrund von Schusseligkeit und Terminproblemen meinerseits folgen leicht verspätet die Antworten von Harry Granroth, die der Gründervater von RAM, der aufgrund des geschriebenen Worts enorm sympathisch wirkt, am Tag der Releaseparty zum neuen Album zu Papier gebracht hat. Dem Format geschuldet ist die ein oder andere nicht wahrnehmbare Gelegenheit zur direkten Nachfrage, doch liefert das gleichzeitig mögliche Anknüpfungspunkte für ein nächstes Mal... „Death“ is on!

Soweit ich weiß war einer der Gründe, vielleicht der Hauptgrund, für die Gründung von RAM deine Unzufriedenheit mit dem, was Ende der 90er Metal genannt wurde. Wie zufrieden bist du mit dem aktuellen Zustand des Metal?

Ja, das stimmt. Ich war vor RAM nur in einer anderen Band und es war unmöglich, eine neue Band, der man sich anschließen konnte, zu finden und fast unmöglich, Musiker für eine Bandneugründung zu finden. Das lag natürlich an der Szene zu der Zeit. In Göteborg hat sich niemand für Heavy Metal interessiert, es gab den Göteborg Sound und Death Metal, PANTERA-artiges oder Nu Metal damals. Heute ist es viel besser, es gibt jetzt eine echte Metalszene und eine Menge Bands, mit denen man die Bühne teilen kann, was eine tolle Sache ist. Ich hoffe, dass die Szene nicht von zu viel Hype getötet wird. Metal verdient mehr, als Underground zu sein, aber ich bin nicht sicher, ob ich ihn als Mainstream sehen will.

Was sind deiner Meinung nach die Gründe für diese Entwicklung?

Ich bin nicht sicher, aber ich denke, alles funktioniert in Kreisläufen. Vielleicht hat die Hörer die Ausrichtung auf „reine Aggressivität“ gelangweilt – du muss ebenso Lieder anbieten. Außerdem glaube ich, dass die Heavy Metal Bewegung zeitlos ist, sie wird niemals verschwinden. Sie versteckt sich im Underground, und hin und wieder erhebt sie sich. Hoffentlich wird sie sich dieses Mal länger halten.

Obwohl Schweden wahrscheinlich immer noch am bekanntesten dafür ist, eine Führungsrolle in der Death Metal Szene einzunehmen, zählt das Land auch zu den stärksten Kräften im Revival des traditionellen Heavy Metal, mit Bands wie IN SOLITUDE, PORTRAIT, ENFORCER oder eben RAM. Ist da etwas Besonderes in der schwedischen Luft bzw. dem Bier und gibt es engere Beziehungen zwischen den (genannten) schwedischen traditionellen Metalbands?

Ich weiß wirklich nicht, warum das Revival so stark ist in Schweden. Die Undergroundszene war vor wenigen Jahren noch nicht so ausgeprägt im Vergleich zu zum Beispiel Deutschland, Italien oder Spanien. Und am Bier oder der Luft kann es nicht liegen. Im Allgemeinen haben wir in Schweden großartige Möglichkeiten, um Bands zu starten, Proberäume zu bekommen…
Wir waren mit allen genannten Bands mindestens einmal auf dem gleichen Festival. IN SOLITUDE waren mit uns auf der „Lightbringer“ Tour, da haben wir sie näher kennengelernt, und die Jungs von PORTRAIT sind alte Freunde.

Zeit, auf RAM selbst zu sprechen zu kommen. Weil die Band so etwas wie dein Baby ist: Wie würdest du die Entwicklung von den frühen Tagen, der „Sudden Impact“ EP zum ersten, dann zum zweiten Album und schließlich „Death“ beschreiben? Wie zufrieden bist du damit, wie alles für und mit RAM gelaufen ist?

Natürlich hat es eine Entwicklung gegeben, aber ich denke nicht, dass wir uns wirklich viel verändert haben. Die EP war ziemlich direkt und geradeaus, das waren die Lieder, die zuerst fertig waren. Wir haben einfach alle Lieder, nur sechs, auf eine CD gepackt und das war’s.
„Forced Entry“ sollte unser erstes komplettes Album werden, deshalb wollten wir, dass es ein „Schlag ins Gesicht“ wird. Zu der Zeit hatten wir viel mehr Ideen, aber wir denken immer in Albumform, weshalb wir die Lieder ausgewählt haben, die den gewünschten Effekt erzielen.
Bei „Lightbringer“ hatten wir eine Menge alter (aber auch neuer) Ideen und dieses Mal wollten wir mit ihnen arbeiten. Es war in etwa so wie bei diesem Buch, das du immer lesen wolltest, oder diesem Film, den du immer sehen wolltest, aber nie die Zeit dafür hattest bzw. sie dir nicht genommen hast. Also haben wir uns mit all den Ideen beschäftigt, die auf unseren früheren Veröffentlichungen nicht berücksichtigt wurden. Mancher mag denken, wir hätten unseren Stil oder unsere Ausrichtung geändert, aber dem kann ich nicht zustimmen, weil die Ideen die ganze Zeit schon da waren.
„Death“ ist der Beginn einer neuen Ära für RAM. Es ist das erste Album mit unserem neuen Bassisten Tobias, obwohl er schon seit einiger Zeit in der Band ist, seit dem Winter 2009. Außerdem ist es unser erstes Album bei Metal Blade.
Ich bin ziemlich zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Natürlich würde es uns nichts ausmachen, weiter herumzukommen und noch mehr live zu spielen, aber alles in allem war es eine großartige Reise bisher. Vom Selbstaufnehmen und –pressen unserer Alben am Anfang haben wir eine Menge über das Geschäft gelernt. Wir haben kleinere Festivals gespielt und unsere Auftritte selbst organisiert. Musikalisch wissen wir heute wesentlich schneller, wie wir das von uns gewünschte Ergebnis erzielen.

Die visuellen Elemente um RAM sind eher harsch und einfach gehalten: Das Logo sieht aus wie ein Rammbock in Bewegung, es gibt keine extravaganten Cover und die Bilder der Band zeigen immer eine Menge Leder, Patronengurte etc. Es scheint euch ein wichtiges Anliegen zu sein, begleitend zur Musik den Metal auch visuell auf den Kern zu reduzieren. Warum?

Das ist einfach das, was sich für uns richtig anfühlt. Wir tragen schwarzes Leder auf der Bühne, also fühlt es sich natürlich an, das auch für eine Fotosession zu tragen. Das etwas reduzierte, vereinfachte Artwork passt zur Mentalität der Band. Wir würden niemals Bandfotos im Stile eines Hochglanzmodemagazins machen. Manche „Metal“bands machen das, wir nicht. Ich bezweifle auch, dass du jemals Heroen beim Drachenschlachten oder halbnackte Frauen auf einem RAM-Cover sehen wirst. Unsere Anhänger tragen Jeans und Leder, genau wie wir.

“Death“ als Albumtitel passt zum Gedanken der Reduktion, ist aber auch ein vieldeutiges Wort. Es kann unter anderem als Drohung gesehen werden, eher profan als Ende des Lebens oder bildlich als Tribut an Gevatter Tod. Wie ist deine Sicht auf den Albumtitel?

Ich mag den Titel. Es ist ein kurzes und sehr direktes Wort. Da vier der Lieder sich mit dem Thema beschäftigen, macht es für mich Sinn, das Album so zu benennen, zumal es auch der Name eines Songs ist.

Und was ist deine persönliche Einstellung zum Tod?

Im Moment habe ich keine Angst vor dem Tod. Das könnte sich in Zukunft ändern, ich hoffe jedoch nicht. Ich denke nicht oft darüber nach, manchmal aber schon. Ich bin nicht religiös, deshalb glaube ich nicht an irgendeine Form von Leben nach dem Tod, der Gedanke mit allem eins zu werden ist mir jedoch sympathisch. Ob das passiert oder nicht… Naja, vielleicht findet es jemand heraus, der stirbt. Ich werde mich nicht zu einem bestimmten Glauben zwingen, ich kann es einfach nicht und brauche es auch nicht, um Angst vor dem Tod oder das Gefühl, das Leben hätte keinen Sinn, zu vermeiden.
Wenn der Tod einfach ein leere Bildschirm oder wie eine nutzlose, kaputte Festplatte wäre, wäre das sicher ziemlich langweilig, aber ich könnte es eh nicht ändern, warum soll ich mich also großartig damit beschäftigen? Entweder ist es Game Over oder es gibt möglicherweise eine andere Freifahrt… So sehe ich das.

Obwohl ich finde, dass es ziemlich logisch ist, einen sehr ruhigen Song auf dem Album nach Hypnos, dem Gott des Schlafs und Bruder vom Gott des Todes, zu benennen, frage ich mich, wer antike Mythologie bei RAM auf den Tisch und letztlich auf das Album gebracht hat.

Philosophie und Mythologie sind interessante Themengebiete und eine gute Inspirationsquelle. Oscar (voc.) kam damit an, das Lied dreht sich um die Massenhypnose der modernen Gesellschaft.

Das “Flame Of The Tyrants“ Video bedient sich einer apokalyptischen Mad Max Ästhetik, die mir sehr gut gefällt, aber warum habt ihr euch für die „böse Seite“ entschieden? Aus der Mitte der Gesellschaft gesehen, kann ich verstehen, dass ihr RAM lieber auf der bösen und gefährlichen Seite sehen wolltet, aber hätte es nicht auch Sinn gemacht, sich auf die Seite des einsamen Helden zu schlagen, der einen vermeintlich nicht zu gewinnenden Kampf austrägt und die Bühne dennoch siegreich verlässt?

Naja, es ist nicht unumgänglich die böse Seite, aber ich nehme an, dass die Gesellschaft es so sehen würde. In dem Video wäre aber wohl „gegnerisch“ oder „aufsässig“ ein besseres Wort. Die Gesellschaft ist verrückt geworden und jeder fühlt sich heutzutage nicht wohl darin. Sind diese Leute böse?
Ich bin nicht sicher, ob der Versuch von Nutzen ist, alles an dem Video zu erklären, oder ob es überhaupt in Gänze erklärt werden kann, doch so wie ich es sehe, sind die Bilder der deformierte Text des Lieds. Und es ist natürlich ein Feiern der Mad Max Filme der 80er.

Ist Heavy Metal noch immer gefährlich und rebellisch, trotz der ganzen Aufmerksamkeit des Mainstream und der Verkaufszahlen, die zwar im Vergleich zu den 80ern ziemlich klein sind, jedoch beachtenswert im Vergleich zum Niedergang der Majorlabel?

Ich hoffe, dass er eine Kraft und Stimme bleibt, mit der man rechnen muss. Wenn Bands „gefährlich und rebellisch“ sein wollen, ist das ihre Sache, aber etwas Rebellion wäre wohltuend in einer Gesellschaft, in der das System bestimmt, wie du dein Leben zu leben hast.

Welche fünf Bands führen heute den Metalspirit noch so weiter, wie er sein und klingen soll?

Ich hänge immer noch an meinen alten Helden, also sage ich HEAVEN & HELL (R.I.P. Dio), ACCEPT, die ein großartiges Comeback geschafft haben, und ausgehend von den Gerüchten, die ich gehört habe, sind KING DIAMOND dabei, wieder zu großer Form aufzulaufen.
Von den neueren Bands finde ich PORTRAIT und IN SOLITUDE interessant.

Müssen die deutschen Fans dieses Jahr zum Muskelrock fahren, um RAM live zu sehen, oder plant ihr bereits irgendwas, das nur noch nicht festgezurrt ist?

Wir sind immer am Planen, hoffentlich werden demnächst einige Termine gebucht. Zur Zeit verhandeln wir mit verschiedenen Booking-Agenturen.

Die letzten Worte gehören dir:

Seid bereit für „Death“ – wir sehen uns auf der Tour!
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