Stone Sour - Audio Secrecy

Stone Sour - Audio Secrecy
Alternative
erschienen am 03.09.2010 bei Roadrunner Records
dauert 54:02 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Audio Secrecy
2. Mission Statement
3. Digital [Did You Tell]
4. Say You'll Haunt Me
5. Dying
6. Let's Be Honest (Explicit)
7. Unfinished (Explicit)
8. Hesitate
9. Nylon 6/6 (Explicit)
10. Miracles
11. Pieces
12. The Bitter End
13. Imperfect
14. Threadbare

Die Bloodchamber meint:

Nie Erwachsen werden und jeden Tag nach Nimmerland fliegen - auch im Leben eines Musikers funktioniert das nicht immer. Irgendwann will man raus aus den Flügelschuhen und sich Bodenständigerem widmen, neue Zielgruppen erschließen, die einem den neuen Fuhrpark finanzieren. STONE SOUR sind gerade dabei, ihr Nimmerland zielgerichtet abzufackeln. Das neue Album namens „Audio Secrecy“, sehnlichst von den zahlreichen Fans erwartet und von der Band als Essenz angepriesen, geht den Schritt zu mehr Radiotauglichkeit, lässt aber Fans der mit Zorn angereicherten musikalischen Treffsicherheit STONE SOURs im Regen stehen.

Das 2006er Album „Come What(ever) May“ ist so etwas wie eine Ausnahmeerscheinung, ein selten zu findender ungeschliffener Diamant zwischen glatt polierten Glitzersteinchen. Die beeindruckende Hitdichte, rohe Wut, gesunde Härte, mächtige Grooves, gepaart mit Melodien, die einem einfach nicht mehr aus dem Ohr gehen wollten, ließen einen fast atemlos zurück. Und über allem thronte die charismatische Gestalt Corey Taylors, gesegnet mit einer variablen Stimme, die jedem Gefühl glaubwürdig und berührend Ausdruck zu geben vermochte.

Natürlich kann man es da kaum erwarten, was das neue Album bringt. Hier also die Höreindrücke:
Das mit einem Klavier begleitete Intro „Audio Secrecy“ zeigt sofort, dass auf diesem Album eine andere Stimmung herrscht als auf „Come (What)ever May“. Der erste Song „Mission Statement“ ist ein flotter Rocker im gewohnten STONE SOUR-Format. „Digital (Did You Tell)“ funktioniert als toller Ohrwurm, bei dem das stimmliche Vermögen Corey Taylors perfekt zu Tragen kommt. Auf jeden Fall ist es einer der Songs auf dem Album, der einem, auch dank der gelungenen Soli, am meisten im Gedächtnis bleibt. „Say You'll Haunt Me“ ist ein dynamisches Liedchen mit Hitgarantie, aber leider harmlos und blütenweiß wie ein Osterlamm im Blumenbeet.

Den Anfang in der langen Balladenreihe macht „Dying“, das zwar eine schöne Melodie besitzt, aber etwas belanglos geraten ist. Aufmunternd ist der Uptempo-Part in der Mitte des Songs - also hält man tapfer durch und wartet auf den hoffentlich gleich kommenden Nackenbrecher. Mit „Let's Be Honest“ beweisen STONE SOUR wieder ihr Händchen für zwingende Melodien. Auch wenn Corey hier auch mal kurz brüllen darf, ist der Song doch zu zahm. Der Uptempo-Rocker „Unfinished“ stimmt da wieder versöhnlicher. Bei „Hesitate“ wird man langsam ungeduldig - für eine gute Ballade ist der Song einfach zu schmalzig. Bockiger ist da schon „Nylon 66“, das am Anfang Mut macht, durch den Rest aber mit angezogener Handbremse fährt.

Schmonzette Nr. 3: „Miracles“. Mit „Pieces“ neigt sich das Album langsam zum Ende, und man wurde immer noch nicht in den Arsch getreten oder über die Maßen berührt. „The Bitter End“ hätte auch auf „Come What(ever) May“ prima gepasst - Groove, Aggression, geile Melodien und Coreys Stimme vereinen sich hier zu dem typischen STONE SOUR-Sound mit Gänsehaut-Garantie. Verdammt, warum nicht mehr davon? „Imperfect“: Klar, mag ich auch gefühlvolle Songs, aber spätestens jetzt wird mir schlecht. Das abschließende „Threadbare“ zeigt, dass man langsame Songs auch interessant gestalten kann. So wird man hier noch mal mit Riffzauber und Melodien versöhnlich gestimmt.

Wie vermisst man doch die Rocksau-Attitüde, die Wutausbrüche und die Die-Welt-Ist-Scheiße-und-ihr-seid-alle-Arschlöcher-Stimmung? Wo sind die Nackenbrecher a la „30/30-150“, „Hell & Consequence“ oder „Reborn“? Die Balladendichte auf „Audio Secrecy“ ist für das hart rockende Herz definitiv zu groß, und auch die Qualität der Schnulzen hängt hinter den kantigeren Ohrenschmeichlern von „Come What(ever) May“ wie „Sillyworld“ oder „Cardiff“ arg hinterher.

Sicher sind die Erwartungen an einen würdigen Nachfolger bei dieser Vorlage immens und können nur schwer erfüllt werden. Nach dem großspurigen Versprechen seitens der Band hätte man hier aber zumindest ein Album erwartet, dass das Niveau der Vorgänger hält. Es überrascht auch nicht, dass eine Band mit den Jahren reift und sich die Mittel des musikalischen Ausdrucks verändern. Ein geschicktes Händchen für zwingende Hooklines und gute Arrangements haben STONE SOUR unbestritten. Ein derart unbefriedigendes, zahnloses und über weite Strecken leider auch unberührendes Gesamtergebnis stimmt aber doch traurig und verführt zum wehmütigen Genuss der alten Scheiben. Wenn Erwachsen werden immer mit dem Produzieren belangloser Musik einhergeht, dann bleibt man doch lieber kindisch und rockt zu den Klassikern.
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