Helloween - 7 Sinners

Helloween - 7 Sinners
Melodic Speed Metal
erschienen am 29.10.2010 bei Sony Music
dauert 60:36 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Where The Sinners Go
2. Are You Metal?
3. Who Is Mr. Madman?
4. Raise The Noise
5. World Of Fantasy
6. Long Live The King
7. The Smile Of The Sun
8. You Stupid Mankind
9. If A Mountain Could Talk
10. The Sage, The Fool, The Sinner
11. My Sacrifice
12. Not Yet Today
13. Far In The Future

Die Bloodchamber meint:

Wenn eine etablierte Band ein neues Album veröffentlicht, gibt es neben der Vorfreude darauf oft auch die mehr oder weniger unterschwellige Sorge, ob die Band die Maßstäbe, die man persönlich an sie anlegt, erfüllen oder im besten Fall übertreffen kann. Bei Bands, deren Name den Status des Etablierten längst hinter sich gelassen hat und die – meist dank ihrer ersten Alben – mehr oder weniger spielende Legenden sind, sind die Erwartungen dagegen oft von einem anderen Erwartungshorizont geprägt: Man geht davon aus bzw. weiß, dass die Band ihre legendären Werke nicht mehr erreichen wird, und hofft vor allem, dass sie ein vernünftiges Album zustande bringt, das ihren Ruf („in der Szene“) intakt lässt. Neben METALLICA, an die vermutlich einige bei meinen Worten gedacht haben, gehören HELLOWEEN zu diesen Bands, denen man aufgrund zahlreicher kreativer Abenteuer und einiger diskussionswürdiger Taten in der Diskographie einiges zutraut, ja zutrauen muss. Deshalb begegnet man einem neuen Album wie der vorsichtige Schwimmer in unbekanntem Terrain und tastet sich behutsam mit den Zehen voran, statt sich blind in die einladenden Fluten zu stürzen.

Großen Erfolgsaussichten besitzt dieser Plan bei „7 Sinners“, das grob die Todsündenthematik als lockeres Gerüst nutzt, allerdings nicht, denn der überraschend frische und fetzige Drive, den HELLOWEEN an den Tag legen, entwickelt einen zu starken Sog, um es beim vorsichtigen Herantasten zu belassen. Das liegt zu einem nicht geringen Teil an dem Alarm den Dani Löble, der jetzt auch schon sein drittes HELLOWEEN Studioalbum eingetrommelt hat, an den Drums veranstaltet. Wie groß die Bedeutung des Verzichts auf den Click Track ist, vermag ich nicht einzuschätzen, aber so viel Action gab es am Schlagwerk der Hamburger lange nicht mehr. Auch die bekannteren Namen im Aufgebot der Band respektive ihre Leistungen und Ideen auf „7 Sinners“ können sich sehen lassen und es ist keinerlei Altersmüdigkeit oder Ideenarmut zu spüren. Wohl auch wegen der traditionelleren Herangehensweise bei den Aufnahmen ist der Biss mit großem Hallo zurückgekehrt und stellt sich als genau der Faktor heraus, der der Band auf den letzten Platten gefehlt hat, um sie wirklich strahlen zu lassen.

Das aufgeputschte „Who Is Mr. Madman?”, quasi die Fortsetzung des „Master Of The Rings“ Klassikers „Perfect Gentleman”, gehört zu den besten Liedern, die HELLOWEEN seit mindestens zehn Jahren aufgenommen haben und der rasante Folgetrack „Raise The Noise“ steht auch dank des im ersten Moment befremdlichen, bei jedem weiteren Moment aber bestens unterhaltenden Flötensolos inmitten des Geschwindigkeitsrauschs auf der gleichen Stufe. Dazu gibt es eine Menge absolut überzeugende Lieder mit mehr als nur guten Momenten in allen möglichen Tempolagen („Where The Sinners Go“, „If A Mountain Could Talk“, die leicht albern überspitzte Vorabsingle „Are You Metal?“, das speedige, fast schon ruppige „Long Live The King“, das hymnische „The Sage, The Fool, The Sinner“, das süßlich-schmeichelnde „If A Mountain Could Talk“ und der an bandeigene Großtaten erinnernde tolle Abschluss „Far In The Future“). Man kann allein an der Länge der Aufzählung die geringe Ausfallquote ablesen und dabei ist das Wort Ausfall noch zu stark, denn im Prinzip sind die übrigen Lieder einfach nur unauffälliger ausgefallen, nicht schlecht, und selbst das ätherische angehauchte und auf Drama angelegt „The Smile Of The Sun“ oder das Stampfmelodram „You Stupid Mankind“ werden wohl ihre Freunde finden.

„7 Sinners“ ist eine durchweg positive Überraschung, die ich ehrlich gesagt in dieser Form nicht von der Band erwartet hatte. Schön, wenn Bands das auch nach mehr als 25 Jahren noch mit einem Studioalbum schaffen können. Und alle, die seit jeher Probleme mit dem Gesang von Andi Deris hatten, dürfen auch mal einen Blick auf HELLOWEEN 2010 riskieren, denn der Sangesmeister reizt seine Stimmbänder dieses Mal selten so bis zum Äußersten der Synapsenaufnahmefähigkeit aus wie in der Vergangenheit schon mal.

Mit HELLOWEEN in dieser Form wird zu rechnen sein, und wenn sie das auf der Tour Anfang nächsten Jahres ähnlich forsch umsetzen, sollten die Mitfahrer STRATOVARIUS bereits jetzt alle Gedanken an Balladen auf der Setlist fahren lassen, falls sie gegen den Speed Metal Sturm aus Norddeutschland bestehen wollen.
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