Gary, Tom und JC mit musikalischen Geschichten aus der neuen Welt


Interview mit Pro-Pain
Hardcore aus USA - New York City

Am 17. Juni diesen Jahres hatte ich die Gelegenheit, Pro-Pain während ihrer „Prophets of Doom“-Tour in Potsdam zu treffen. Angesichts der malerischen Umgebung und des traumhaften Wetters verlegten wir das Gespräch kurzerhand in den Tourbus – ist schliesslich HardCore hier und keine kleine Naturmusik! Und damit mir Gary im Dunkeln nichts tut, komplettierten JC und Tom die bierselige Runde - schauen wir mal, was die sympathischen Amis zum neuen Album und der Lage der Welt zu sagen haben...

Hallo Jungs, schön euch endlich mal zu treffen! Was macht die Kunst und wie läuft die Tour bisher – irgendwelche ersten Reaktionen auf „Prophets of Doom“?
Hallo an alle! Wenn es nach den ersten Shows geht, wird das hier eine grossartige Tour: Wir hatten einen guten Start und unsere neuen Songs stossen bei Fans und Kritikern gleichermassen auf offene Ohren. Ausserdem sind Touren nicht nur dazu geeignet, die Geheimnisse eines weiteren Tourgefährts kennen zu lernen, sie sind für uns auch im Hinblick auf Promotion wichtig – es ist einfach gut, den Leuten unser neues Zeug live zu präsentieren.
Was die Reviews zu „Prophets...“ betrifft, gibt es eigentlich nichts zu meckern, denn abgesehen vom üblichen „love it or leave it“ erhalten unsere Scheiben meist gute Kritiken. Daher ist es schwierig zu sagen, inwiefern unsere neue Platte jetzt 'besser' als die vorangegangenen ist.
Klar könnten wir uns hinstellen und sagen, dass „Prophets...“ das beste ist, was wir je gemacht haben und dann die ganzen Phrasen vom Stapel lassen, aber im Endeffekt ist es wohl besser, von Unterschieden im Detail zu sprechen, anstatt wieder und wieder dieses „bestes Album“-Ding zu strapazieren. „Prophets...“ ist sicherlich hier und da anders als seine Vorgänger – das macht es jedoch nicht besser oder schlechter, es ist einfach das derzeitige Antlitz von Pro-Pain.
Und der beste Weg, um etwas über das neue Album zu erfahren ist für uns die derzeitige Tour, der Kontakt und die Reaktionen der Fans – Mal sehen, was sie von „Prophets...“ halten!

Hat euch der seit einiger Zeit existente Hype um MetalCore und Konsorten eigentlich irgendwie geholfen, sei es bei Verkaufs- und Besucherzahlen oder im Hinblick auf die Zusammensetzung eures Publikums?
Hmm, kann schon sein, dass sich das in unseren Verkaufszahlen und geringfügigen Verschiebungen des Publikums irgendwie niederschlägt, aber so genau kann man das nicht sagen. Auf der anderen Seite standen Pro-Pain von den Anfängen bis heute für alles andere als den Trend, wodurch es recht unwahrscheinlich ist, dass unser Publikum sich zu irgendeinem Zeitpunkt aus Leuten zusammensetzt, die dem letzten Schrei hinterher hecheln. Der harte Kern war definitiv schon immer im Metal und im HardCore verwurzelt und soweit wir das beurteilen können, hat sich daran auch nicht viel geändert.
Wie auch immer, es macht uns verdammt stolz, so viele unterschiedliche Menschen auf unseren Konzerten zu sehen – vom 45jährigen Metalhead bis zum HC-Teenager scheinen viele verschiedene Typen etwas aus unserer Musik ziehen zu können und offenbar haben all die verschiedenen Jungs und Mädels abseits von Szenegehabe 'ne verdammt gute Zeit mit uns. Und das hat in unseren Augen wenig mit einem Trend zu tun, das ist etwas, das über die Jahre gewachsen ist und was wir uns und den Fans einfach bewahren wollen...
Ein anderer Grund für die recht gut gefüllten Konzerte mag sein, dass wir in den letzten Jahren nicht so häufig „on the road“ waren, was sich jetzt eben in etwas höherer Nachfrage niederschlägt.

Kommen wir zu „Prophets of Doom“. Verglichen mit der letzten mir bekannten Scheiblette „Shreds of Dignity“ kommt das Teil um einiges düsterer, aggressiver und weniger punkig rüber...
Genau so ist es. Wir haben einfach gefühlt, dass das neue Material mehr Metal als „Shreds...“ sein würde, was auch daran liegen mag, dass wir uns in der Metalszene immer sehr willkommen und wohl gefühlt haben – und das ist für eine HC-Kapelle keineswegs selbstverständlich!
Es war allerdings nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung so zu klingen, es hat sich eben einfach 'richtig' angefühlt und nahm dann mit der Zeit Gestalt an. Dazu kommt, dass wir auf den letzten Touren verstärkt mit Black bzw. Death-Metal-Bands unterwegs waren, was sich unter Umständen auf die Komplexität und Aggression unserer eigenen Songs ausgewirkt hat...
Als Tom und ich dann die ersten Songs für „Prophets...“ schrieben, war uns klar, dass wir ein wenig rumprobieren wollten, sowohl was neue Elemente betrifft, als auch im Hinblick auf die Arrangements. Als Ergebnis entstanden Tracks, die für Pro-Pain-Verhältnisse eher ungewohnt scheinen – eben nicht ganz so straight und „A-B-A-B-Solo-B-B-B“-lastig, wie man es von uns normalerweise gewohnt ist. Gute Beispiele dafür sind „Neocon“ oder auch „Days of Shame“: ein wenig anspruchsvollere Rhythmik, weg von der Vorschlaghammer-Struktur und etwas mehr Flexibilität im Arrangement. Ich meine, klar kann man sie definitiv Pro-Pain zuordnen - sie _sind_ Pro-Pain – aber wir wollten (wie schon auf „Fistful of Hate“) die Grenzen unserer eigenen Nische ein wenig ausreizen...

Auf der anderen Seite stehen dann aber auch absolute Moshgranaten, die mich an selige „Truth hurts“-Zeiten erinnern und vereinzelt gar Growls enthalten („Death Toll“)...
Allerdings! Nachdem wir den ersten Teil zu „Prophets...“ fertig hatten, war es an der Zeit die Sau zu rocken und den Aggressionslevel auf dem Rest der Scheibe etwas nach oben zu schrauben. Vielleicht sind einige der eher traditionellen Songs tatsächlich vorherbestimmt, den Pit zum kochen zu bringen – aber es ist eben auch immer gut, wenn du ein paar energetische Abgeher für die Meute in der Hinterhand hast.
Insgesamt steht „Prophets...“ wie schon gesagt für Pro-Pain heute, und was diverse neue Elemente wie Growls betrifft, versuchen wir einfach so liberal wie möglich zu sein: Wenn ein Song danach verlangt, dann bekommt er es auch. Mal sehen, was die Zukunft in dieser Hinsicht bringt...

Eine weitere interessante Verschiebung gab es im Bereich der Lyrics. Wo „Shreds...“ die fast blinde Wut einer geschockten Nation auf „die Anderen“ artikulierte, wartet „Prophets...“ mit dem Portrait der in jeder Hinsicht desillusionierten amrikanischen Seele auf – Was ist passiert, dass ein Lied wie „Un-American“ den Weg auf eure Scheibe fand?
„Shreds...“ war in ein kleiner Einblick in die Seele Amerikas nach dem 11. September: Wir waren geschockt, wir fühlten uns plötzlich verwundbar und daraus resultierte eine Wut, die sich irgendwie einen Weg nach draussen bahnen musste. Seitdem ist allerdings eine Menge passiert, mehr und mehr Hintergrundinformationen tauchten auf und am Ende zeigte sich, dass unsere Regierung uns nicht mal die halbe Wahrheit über die Anschläge und den darauf folgenden Krieg erzählt hat.
Ich meine, es geht nicht einmal nur um die Farce der Massenvernichtungswaffen oder die entwürdigende Situation in den Gefängnissen – es geht auch darum, dass unser ganzes Bürgerrechtssystem untergraben wurde und immer noch wird. Viel Macht wanderte in die Hände von Personen, deren Beweggründe für die Bevölkerung einfach nicht mehr nachvollziehbar sind.
„Prophets...“ handelt von dem Gefühl, verraten worden zu sein, es handelt von einer verletzten amerikanischen Seele, die sich von ihren Machthabern betrogen und entfremdet fühlt und das macht die Texte im Endeffekt auch um einiges politischer.
Wenn man sich die Leute ansieht, die uns derzeit regieren ist man geneigt zu fragen, ob das Zweiparteiensystem überhaupt noch zeitgemäss ist, da zwischen den beiden Parteien einfach fast keine Unterschiede mehr erkennbar sind. Und genau so verhält es sich mit der einfachen Mehrheitsentscheidung bei der Wahl der Regierung: Im Vorfeld gab es 'ne Menge Versprechen, viele TV-Auftritte, aber jetzt wo das Ganze vorbei ist – wo ist Kerry?
Ich meine: Eine Menge Leute haben für Kerry und seine Visionen gestimmt, aber jetzt nach der Wahl scheint er vollkommen vergessen zu sein und seine politischen Intentionen – so nützlich sie auch gewesen sein mögen – wurden einer knappen Mehrheitsentscheidung zugunsten der Republikaner geopfert. Wie erklärt man das den Wählern? Wie kann es sein, dass ein so grosser Teil der amerikanischen Bevölkerung (48,27%) jetzt einfach übergangen wird – ist das wirklich das beste für unser Land?

Und glaubst du, dass es dafür eine Lösung gibt, oder dass Kerry einen besseren Job machen würde, wenn er jetzt an der Macht wäre?
Nicht unbedingt. Nach allem was passiert ist, glaube ich einfach, dass Macht korrumpiert – ganz egal auf welcher Seite du stehst. Wir hatten republikanische Regierungen und wir hatten demokratische Regierungen, aber zurückblickend waren die Unterschiede zwischen beiden eher marginal. Es scheint eben nur eine Sicherheit zu geben: Die Leute an der Macht werden alles tun um dort oben zu bleiben, ob es nun gut für unser Land ist oder nicht.
Mag sein, dass die sehr ähnliche politische Ausrichtung der Parteien auch damit zusammenhängt, dass nach den äusserst kostenintensiven Wahlkämpfen auf beiden Seiten gewisse Sponsoreninteressen vertreten werden müssen. Es gilt immer ein paar Rechnungen zu begleichen...

Denkst du, dass Musik da einen gewissen Einfluss ausüben kann – auch was politische Prozesse und Wahlen betrifft?
Da bin ich mir nicht so sicher. Klar können Musiker und Künstler politisch Stellung beziehen oder ihren favorisierten Kandidaten unterstützen, aber ich halte ehrlich gesagt nicht viel von Aktionen wie „Vote or Die!“ oder ähnlichem: Es ist prinzipiell eine gute Sache, das Interesse und politische Bewusstsein von Jugend oder Minderheiten anzusprechen, aber am Ende zählt nun mal nur die Stimme, die auch in der Urne landet. Die Leute müssen wählen! Und da liegt das Problem: Manche sind zu jung, manche finden zwar die Kampagne cool, aber begreifen nicht um was es wirklich geht, andere werden vielleicht auch daran gehindert, ihre Stimme im Wahllokal abzugeben. Das ist 'ne zweischneidige Sache...
Abgesehen davon gibt es sicherlich viele Dinge, die Politiker von der Musik, den Fans und der Jugend allgemein lernen könnten: Eine etwas liberalere Einstellung zum Beispiel, oder den Fakt, dass 'Freiheit' und 'Freisein' für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben können.
Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, ob es unsere Aufgabe (als Amerikaner) ist, unsere Auffassung von 'Freiheit' über die ganze Welt zu verbreiten – oder ob man nicht ab und zu versuchen sollte zu verstehen, dass es trotz aller Unterschiede auch Wege des Miteinanders geben muss.
Schauen wir mal, was die Zukunft diesbezüglich bringt...

Zurück zur Tour. Ihr seid ja derzeit mit noch recht unbekannten Bands (Subscribe, Superbutt) unterwegs...
Ja, richtig. Unser Tourveranstalter hat 'ne Menge dieser jungen Bands unter Vertrag und da bot es sich einfach an, sie mitzunehmen. Die einzigen Ausnahmen sind der morgige Onkelz-Gig und diverse Festivalshows in Europa.

Apropos, was hältst du von der Entscheidung der Onkelz, einen Schlussstrich zu ziehen?
Angesichts der Tatsache, dass das früher oder später bei jeder Band kommen muss, haben sie meiner Meinung nach einen guten Zeitpunkt gewählt: Man löst sich am besten auf dem Höhepunkt auf – und genau da befinden sich die Onkelz momentan. Es ist ziemlich beeindruckend, dass es eine Band ohne Unterstützung der Medien soweit bringen kann, ohne sich selbst oder ihre Fans zu verleugnen, ganz egal welche Hochs und Tiefs die Karriere mit sich brachte.
Wir hatten jedenfalls immer 'ne verdammt gute Zeit auf Tour mit den Onkelz und deswegen freuen wir uns auch auf den Gig am Lausitzring.

OK, dann danke ich euch erst mal für die Zeit und wünsche euch noch eine erfolgreiche Zeit in Europa! Letzte Worte an die Leser?
Hehe, hoffentlich nicht unsere letzten Worte, aber: Danke für euer Interesse an Pro-Pain und „Prophets of Doom“, Dank an unsere Fans für all die Jahre, die ihr uns unterstützt habt und hoffentlich sehen wir uns alle auf Tour!
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