Musik aus unseren Seelen


Interview mit Excruciation
Death Doom Metal aus Schweiz - Zürich
Wenn man eine Band im Jahre 1984 gründet, aber erst 23 Jahre später sein erstes Full Length Album auf CD presst, dann fragt man sich natürlich, wie es dazu gekommen ist! Die Schweizer von EXCRUCIATION können auf diese Besonderheit zurückgreifen und liefern jede Menge Gesprächsstoff. Dass die Doom/Death/Mayhem Kombo aber noch mehr zu bieten hat, könnt ihr im folgenden, äußerst interessanten Interview mit Sänger Eugenio erfahren.

Ich falle gleich mal mit der Tür ins Haus und frage das, was wohl jedem durch den Kopf geht, der eure Bandbio liest: Wie kommt es nach all den Jahren Pause wieder zu einer Zusammenarbeit und warum hat es so lange gedauert?


Es ist eigentlich die Schuld von Andy, unseres Drummers, der nach all den Jahren mal so ne Art Klassentreffen organisiert hatte, weil er angeblich neugierig war, was aus allen geworden ist. Wir gingen ja nicht unbedingt in Freundschaft auseinander und haben uns in all den Jahren nie mehr getroffen. Nach ein paar Bier, ein paar Gläsern Wein und Grappas eröffnete uns Andy den eigentlichen Grund des Treffens, er wollte wiedermal hinterm Schlagzeug sitzen, er hatte seit dem Split keine Sticks mehr angerührt. Da die Vibes wieder stimmten und wir es wirklich lustig miteinander hatten, stimmten wir dem zu, ohne irgendwie an Veröffentlichungen oder Gigs zu denken, einfach sich ab und zu mal treffen ein paar Bier trinken und es dabei krachen lassen. Das ganze bekam dann eine Art Eigendynamik und jetzt sind wir da wo wir stehen.

Mit "Angels to Some, Demons to Other" fahrt ihr ein nicht allzu verdauliches Konzept auf. Beschreibe doch mal bitte, was das Album für euch bedeutet und was ihr damit aussagen wollt.

Puuh, schwierige Frage. Es ist nicht einfach sein eigenes „Werk“ zu interpretieren.
Wir hatten nicht wirklich ein Konzept, wir wollten einfach nur Musik machen, die uns gefällt,
Songs schreiben hinter denen wir alle zu 100% stehen. Nach etwa der Hälfte der Songs haben wir angefangen auch darauf zu achten, das es von der Stimmung her einen roten Faden hat.
Es sind halt vor allem negative Gefühle die wir verarbeitet haben und dennoch haben wir auch versucht was melancholisch schönes reinzubringen ohne in den Kitsch abzuwandern. Es geht ja nicht nur um Hass, Trauer und Tod sondern auch um Liebe und Leben.
Ich glaube es ist uns gelungen, doch es ist mir auch bewusst, das wir mit unserer Musik auch ziemlich polarisieren. Obwohl das Ganze bedrückend wirkt, oder vielleicht auch deswegen, sind wir verdammt fröhliche Menschen. :-)

Mein Kollege hat euer Demo von 2005 mit einer recht vernichtenden Bewertung verziert. Leider habe ich es nicht gehört, aber mit "Arise" ist ja auch ein Song des Albums dabei, der mir sehr gut gefallen hat. Gibt es so große Unterschiede zwischen Demo und Album?

Das war wohl der falsche Rezensent. :-) Die Songs von der Picture könnten auch auf dem Album sein. Die Aufnahmequalität ist annähernd die Gleiche und auch Arise ist fast Eins zu Eins übernommen worden. Was ich ihm vorwerfe ist, er hat kein bisschen recherchiert und sich mit dem Release befasst. Wo er den Metalcore raushört ist mir unbegreiflich. Ich habe ja wirklich nichts gegen schlechte Kritiken, aber wenn es nur noch beleidigend ist nehme ich sie nicht ernst.

Und was hat sich musikalisch in der Zeit nach dem Split getan? Habt ihr die Szene eigentlich immer verfolgt und inwiefern beeinflussen euch Bands, die bei eurer Gründung vielleicht noch in die Windeln geschissen haben?

Wir sind alle irgendwie dem Musikbusiness treu geblieben, sei es als Musiker, Produzent, Konzertorganisator, A&R, DJ etc.. Nennenswert ist wohl die alte Band von unserem Gitarristen José, Curb Dogs, die vor allem in der Schweiz abgeräumt haben. Erstklassiger HC der alten Schule. Ich selber habe bei verschiedenen Bands gesungen, Requiem, Dissidents, Tot Art, und habe danach die Liebe zu elektronischer Musik entdeckt und als Covah auch einige Remixes veröffentlicht. Ein Teil von uns hat die Szene schon mitverfolgt, bei mir war es so, dass ab ca. Mitte der 90er die Luft draußen war, es kam nichts mehr, was mich begeisterte. Habe wohl die eine oder andere Perle verpasst, aber das hole ich jetzt nach.
Ob uns jüngere Bands beeinflusst haben glaube ich kaum, da sich die meisten eh auf die Bands beziehen, die uns schon seit über 20 Jahren begleiten, Venom, Hellhammer, Saint Vitus, Slayer, Possessed etc..

Eure Musik ist nichts für zwischendurch oder für launige Sommerabende. Klar, dass sich daran die Geister scheiden und einige mit eurem Material klar kommen, andere aber gar nichts damit anfangen können. Habt ihr bewusst diesen "untrendigen" Weg gewählt oder spricht dieser Sound einfach eher aus eurer Seele?

Es ist, wie du so schön sagst, Musik aus unseren Seelen. Wir haben uns nie Gedanken über einen kommerziellen Erfolg gemacht. Wir wollten unser Album machen, das Album, das wir auch selber gerne kaufen und hören würden. Es war uns bewusst, das wir nicht unbedingt im Trend liegen und wir nicht nur auf Gegenliebe stoßen würden, daher auch der Titel „Angels to some, demons to others“. Glücklicherweise überwiegen die positiven Kritiken in den Medien, ob es auch bei den Metal-Heads ankommt sehen wir noch.

Wir haben im Vorfeld darüber gesprochen, dass sich mir eure Musik leider nicht ganz so sehr entfaltet, wie ihr es euch sicher gewünscht habt. Wie würdet ihr einen Kunden davon überzeugen, dass eure Platte einen Kauf lohnt?

Weil sie unvergänglich ist, sie wird auch noch in 10, 20 Jahren nichts von ihrer Intensität eingebüßt haben. Ein Klassiker!
Aber im Ernst, es ist nicht die CD, die bei den meisten Menschen sofort zündet, man muss in der richtigen Stimmung dafür sein und sich auf die Musik einlassen. Aber nehmt euch Zeit sie mehrmals durchzuhören und es kommen kleine, aber feine Spielereien zu Tage, die vielleicht beim erstmaligen Hören nicht offensichtlich sind. Meistens sind ja genau die Platten, die am Anfang vielleicht ein bisschen sperrig erscheinen, auch die, die dann nicht so schnell langweilig werden.

Euer Stil ist sehr schwer zu beschreiben. Ich kannte euch vorher nicht und habe mir die Promo ursprünglich genommen, weil sie bei uns unter "Heavy Metal" aufgeführt wurde. Wie würdet ihr euren Stil beschreiben?

Auch die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wir haben uns mal auf Doom/Death/Mayhem geeinigt, aber da hatten wir einen in der Krone.
Wenn man so die Rezensionen anschaut geht es wohl in die Richtung Doom mit Death Metal
Einflüssen und einem Hauch Thrash, Black Metal und Crustcore.
Wieso wir bei euch unter Heavy Metal liefen ist mir aber ein Rätsel.

Ihr schickt drei Gitarristen ins Rennen und nehmt ein Studio, das im Normalfall keinen Metal produziert. Wie kommt es dazu und bestätigt das Ergebnis eure Erwartungen? Ich bin mir sicher, dass viele Hörer diesen Aufwand oder diese Besonderheit gar nicht raushören...

Der Sound gefällt uns ziemlich gut, er ist eigentlich so rausgekommen wie wir es uns wünschten. Wir hatten im Vorfeld schon Diskussionen darüber, ob wir zu einem bekannten Metal-Produzenten gehen sollen, haben uns aber dagegen entschieden, weil wir nicht nach der x-ten Tätgren oder was weiss ich Produktion tönen wollten, sondern versucht haben unseren eigenen Stempel auf die Musik zu drücken.
Bei den Gitarren ist es so, dass bei fast jedem Song auch zwei- bis dreistimmigen Passagen vorhanden sind, die aber absichtlich nicht so prominent abgemischt wurden, um die Stimmung der Songs nicht zu „zerstören“. Vor allem live hat es natürlich viele Vorteile mit drei Gitarristen, so können zwei Gitarren nen Lead-Riff spielen und die Dritte kann immer noch ein Brett darunter machen. Es ist ja die erste und letzte Formation die jetzt zusammenspielt und es kam uns gar nie in den Sinn, auf einen der Gitarristen zu verzichten.

Meiner Meinung nach hat euer Album über die Gesamtdistanz gesehen leider zu viele Hänger. Ist das Kritik, die ihr euch gefallen lasst oder habt ihr das aufgrund eurer musikalischen Ausrichtung einkalkuliert?

Ist einkalkuliert. Wir haben im Studio darüber gesprochen, den einen oder anderen Song zu streichen, konnten uns aber nicht einigen welcher es sein sollte. Wobei ich sagen muss, das auch die Songs, die mir Anfangs nicht vollumfänglich überzeugten, ein paar Wochen später ich sie dann wieder geil fand. Interessanterweise, wurde schon jeder Song bei Reviews als Anspieltipp erwähnt.

Ihr habt mir eine dankbare Email nach meiner Review geschickt. Macht ihr das bei jeder Kritik und wie ernst nehmt ihr solche Webzine-Reviews?

Nein, nicht bei jeder. Aber wenn ich sehe, das jemand sich mit dem Album wirklich befasst hat, sich die Zeit dafür genommen hat, hat er auch ein Dankeschön verdient, egal ob die Kritik positiv oder negativ ausgefallen ist. Einmal hat mir ein Reviewer gesagt, das er sich über Resonanzen freut, denn da sieht er, das seine Arbeit gelesen und auch geschätzt wird.
Die Webzines sind die Fanzines von früher. So wichtig wie die Print-Medien auch.
Vor allem für Bands, die nicht ein großes Werbe-Budget haben, sind sie die einzige Möglichkeit ihren Namen zu verbreiten.

Ihr habt ohne übertreiben zu wollen die größte Beipackzettellieferung in meiner Bloodchamber-Geschichte geliefert. Wollt ihr schon auf die Art auf euch aufmerksam machen und inwiefern unterstützt euch euer Label dabei?

Wir erwarten nicht, das jeder Reviewer die Zeit/Lust hat sich die nötigen Infos zur Band aus dem Netz zu saugen. Das Package ist so, wie ich es gerne als Reviewer hätte, Infos zur CD, alle Texte und eine Kurzbio gehören einfach dazu. In diesen Dingen arbeiten wir eng mit Non Stop zusammen und haben auch sehr viel mitzureden. Das Budget ist begrenzt, also müssen wir es auch möglichst sinnvoll einsetzen. Das macht das Ganze auch spannend.

In den 80igern habt ihr Gigs mit Bands wie Sodom und Samael gespielt, Namen die auch heute mehr als bekannt sind. Inwiefern ist der Name EXCRUCIATION in Vergessenheit geraten und wie fühlt es sich an, wieder in der "Szene" zu sein?

14 Jahre sind im Musikbusiness eine lange Zeit und wir haben damals nicht den Sprung in die Champions League geschafft und aus verschiedenen Gründen auch keine tiefen Spuren hinterlassen. Es konnte sich ja niemand unseren Namen merken.
Aber eigentlich bin ich froh darüber, ich sehe uns eher als einen Newcomer.
Wir haben im Gegensatz zu anderen, erfolgreicheren Bands, die sich wieder zusammentun, nicht den Druck, an früher anknüpfen zu müssen. Wir müssen auch keine alten Songs ins Live-Repertoire nehmen, sondern können auf der Bühne Excruciation 2007 präsentieren.
Den Bands, die früher uns supportet haben und es dann später geschafft haben, mag ich es gönnen. Vor allem Samael, die immer noch coole Jungs sind und einfach unbeirrt ihren Weg gegangen sind. Respekt!

Wer ist auf die Idee eures Artworks gekommen und wie sehr musste die Dame auf dem Cover leiden? :-)

Das ganze Cover-Konzept stammt von mir, war viel Arbeit, aber ich denke es hat sich gelohnt! Es war auch spannend mal mit einem professionellen Fotografen, Manuel Vargas (www.manvarle.com) und Make-up Artistin, Claudi Rindler (www.rotten-art.com) zu arbeiten.
Und ja, das Mädel musste leiden. Wir haben sie zuerst unter Drogen gesetzt und dann kam sie unters Messer.
Nee, so war das nicht, das Shooting dauerte vier Stunden und sie musste die ganze Zeit lang ihren Rücken gerade halten, nicht sehr spaßig. Aber wer gut aussehen will, muss ein paar Schmerzen auf sich nehmen. :-)

Habt ihr einen Lieblingssong auf dem Album?

Könnte mich jetzt nicht für einen entscheiden, je nach Stimmung. Die Songs, die mir am besten gefallen sind:
- Golgotha, ein aggressiver Song und doch auch mit schwermütigen Melodien versetzt.
- Like Hyde in Jekyll, ein düsterer Liebessong, weit weg vom Kitsch, voller Hoffnungslosigkeit. Finde ich sehr schön umgesetzt.
- Arise,da habe ich den Text am ersten Todestag meines Vaters geschrieben und er bedeutet mir sehr viel.
- Mo(u)rning again, sehr schöne, düstere Melodien, der Gesang gefällt mir da sehr gut, was anderes als sonst.
- Black, weil er vom Gesang total improvisiert ist, ziemlich hart rüberkommt und dramaturgisch geil aufgebaut ist.
Aber es gibt keinen Song der mir nicht gefällt.

Ohne euch an den Karren fahren zu wollen: ihr seid nun inzwischen ein älterer Jahrgang von Musikern. Viele Bands hören zu dem Zeitpunkt grade auf, ihr fangt wieder an. Was schützt euch davor, dass nicht nach einem Album wieder Schluss ist?

So alt sind wir auch wieder nicht. Wir haben vielleicht ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel, aber wer uns live mal gesehen hat, weiß, welche Energie noch in uns steckt. Auch nicht zu vergessen, wir haben uns zwar 1984 zusammengetan, hatten da aber erst 15 Jahre auf dem Buckel. Wir waren die echten Wilden Kerle. Und solange uns das ganze auch Spaß macht, werden wir auch weitermachen. Haben auch schon erste Song-Gerüste für das nächste Album. Mein Stolz würde es auch gar nicht zulassen, jetzt wieder aufzuhören und dann als Eintagsfliege in die Geschichte einzugehen.

Ich hoffe jedenfalls, dass man auch in Zukunft noch viel von euch hören wird und bedanke mich für dieses Interview! Die letzten Worte an die Fans gehören euch:

Auch dir, vielen Dank für dieses spezielle Interview. Ich hoffe, wir können dich mal live überzeugen! Und an alle anderen, gebt auch den jungen Bands eine Chance, supportet den Untergrund und Metal wird für immer Leben!!! Lay down your souls to the gods rock ‚n‘ roll!
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