Die fünf Ossis von nebenan


Interview mit Fall Of Serenity
Melodic Death Metal aus Deutschland - Plauen & Jena
Interview mit John Gallert (v.), Eddy Langner (g.), Ferdinand Rewicki (g.) und Alexander Fischer (b.) von FALL OF SERENITY am 09.11.2007 in Freiberg im Beach Club 7 für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz.
www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview auch als MP3 runterladen.

Ihr habt jetzt zum neuen Album einige Besetzungswechsel durchgemacht bzw. die Instrumente getauscht. Wie kam es dazu?

Eddy:
Unser alter Sänger René hat seine Prioritäten im Leben anders gesetzt und konnte nicht mehr viele Shows wahrnehmen. Da hat John, weil er schon in anderen Bands gesungen hat, den Posten aushilfsweise übernommen und irgendwann kam die Entscheidung, dass wir gesagt haben, René tritt bei uns so auf die Bremse, dass John komplett an den Gesang wechselt. Uns hat dann natürlich ein Bassist gefehlt, Ferdinand hat dann erst am Bass ausgeholfen, und da er auch ein begnadeter Gitarrist ist, haben wir uns entschlossen, ihn komplett in die Band an den Gitarrenposten zu holen. Alex hat sich bereiterklärt, an den Bass zu wechseln. So haben wir angefangen, die neue Platte zu schreiben, und das hat alles sehr gut funktioniert.

War das von Anfang an klar, dass John den Gesang übernimmt oder habt ihr auch nach einem neuen Sänger gesucht.

John:
Eigentlich gar nicht.

Eddy: Wenn du einen guten Sänger hast, der am Bass steht, warum sollst du dich dann auf die Suche nach einem neuen Sänger begeben, wo man nicht weiß, wie der vom Typ ist?

Wie hat sich denn in der neuen Besetzung das Songwriting zur neuen CD ergeben? Wer kommt da mit den Ideen, wie arbeitet ihr die Songs aus?

John:
Das funktioniert eigentlich im weitesten Sinne nach dem demokratischen Prinzip. Die beiden Gitarristen kommen mit irgendwelchen Ideen, da wird die Drumarbeit zu ausgearbeitet, parallel dazu entstehen die Texte und einzige Regel ist - was gefällt wird genommen. Es gibt da keinen wirklichen Rhythmus, das hat beim Songwriting zum aktuellen Album ne Art Eigendynamik entwickelt, was uns bei den Alben vorher nicht so flüssig von der Hand ging, und das, denke ich, hört man auf dem Album sehr.

Du hast eben die Texte schon angesprochen und dass es bei euch ziemlich demokratisch läuft. Läuft es mit den Texten auch demokratisch, wenn du mit welchen ankommst?

John:
Naja, was heißt demokratisch? Es entstehen Texte, es entstehen Ideen, Songtitel werden diskutiert, Thematiken werden andiskutiert, wenn man mal eine Pause zwischen Proben macht. Im weitesten Sinne hatte ich da aber schon freie Hand, und unser ganz ganz alter Schlagzeuger Uli, der schon früher die Texte mitgeschrieben hat, war auch diesmal wieder mit an Bord. Wir haben im Endeffekt dann die Texte zusammen umgesetzt, und da gab es von der Band dann auch keinerlei Widerworte, demokratische Zustimmung.

Ihr habt auf diesem Album ja auch wieder Gäste, auf dem letzten Album war es Leif Jensen von DEW-SCENTED, und jetzt Sabina Classen von HOLY MOSES. Wie kamt ihr zu Sabina als Gast?

Ferdinand:
John kannte Sabina schon etwas länger von diversen Aushilfskonzerten bei DEADLOCK. Unser Manager hat dann den Kontakt wiederhergestellt, und Sabina hatte Lust. Ihr hat das Material gefallen und so kam das. Sie ist wirklich eine deutsche Thrash Metal Ikone, und es war für uns ein cooles Ding einen „alten Hasen“ auf dem Album zu haben. Wir haben alle früher HOLY MOSES gehört.

John: Sie war ja auch nach der Wende hier im Osten sehr sehr präsent. Mittlerweile leider nicht mehr so, generell ist die Band aus dem aktiven Erscheinen zurückgetreten. Völlig reibungslos, völlig unkompliziert, Sabina ist da auch ziemlich locker, keinerlei Allüren, gar nichts, von wegen irgendwelche Gästegage, gar nichts, völlig cool und Metal halt - wie es sein sollte.

Ihr habt jetzt auch ein Video zu „Knife to meet you“ gedreht, das auch schon auf Youtube angeschaut werden kann, und im aktuellen Legacy ist ein Interview mit DIMMU BORGIR und AMON AMARTH drin. Da heißt es: „Diese typischen dämlichen Metalclips, in denen eine Band in einer dekorierten Lagerhalle zum Playback post.“ Das würde ja nun auf euer Video auch zutreffen.

Ferdinand:
Wir posen aber auf dem Lagerdach. Das ist der große Unterschied.

Wie seid ihr zu diesem Video gekommen?

John:
Eddys Vater hat ein Filmstudio.

Alexander: Eddys Vater ist begnadeter Hobbyfilmer. Wir hatten überlegt wer dafür in Frage kommen würde. Und da Eddys Vater auch Interesse hatte, haben wir uns überlegt, was für ein Video für uns in Frage käme, und wir wollten ein Livevideo. Die Location auf dem Dach und die alte Lagerhalle hat uns sehr angesprochen. Weil es auch in Proberaumnähe war, kam es uns sehr entgegen. Eddys Vater hat auch hervorragende Arbeit geleistet.

John: Das Rad nicht neu erfunden, aber besser gemacht.

Eddy: Naja, von einem Performance Clip in einer Lagerhalle kann man ja mittlerweile nicht mehr sagen, dass es ein Klischee ist. Klischee ist es mittlerweile, eine Story zu haben, wo jemand durch den Wald läuft und hinten ein Feuer brennt und da kommt ein Einhorn durch den Wald gerannt. Das ist inzwischen genauso Klischee. Du findest inzwischen mehr solche Videos. Deshalb hatten wir gedacht, wir machen ein ganz simples Video.

Ferdinand: 80er Jahre.

Eddy: Was das Ganze auf den Punkt bringt ohne irgendwelches Brimborium, kostengünstig gedreht. Das spiegelt uns wider, ohne irgendwelchen Schnickschnack, ohne irgendwelchen Mist, einfach nur geraderaus.

Ferdinand: Keine aufgesetzte Story aus den Fingern gesaugt.

Eddy: Wir hatten Storys im Kopf, aber dann haben wir gesagt: Komm jetzt und zack in die Fresse!

Inwieweit ist das für eine Band heutzutage wichtig ein Video zu haben, so ein kleines, das auf YouTube läuft?

John:
Als Promotool ist es ne schöne Sache. Wir haben gedacht „value für money“, denn es ist auch in einer größeren und hochaufgelösten Fassung auf dem Album mit drauf. Wenn man die Möglichkeit hat, muss man es voll ausschöpfen, und das haben wir uns bei diesem Album zum Ziel gemacht. Man kommt sicherlich auch ohne Video aus, leider sind da die großen Musiksender mittlerweile so engstirnig, dass sie allem was härtere Gangart betrifft, den Riegel vorschieben. Aber es gibt viele Underground Internet Metalsendungen, wie es auch Webzines gibt. Gerade durch das Medium Internet ist das ne coole Sache: Die Leute sehen auch die Larven dazu. Sie hören nicht nur die MP3, sie können sich auch angucken wie so eine bucklige Band aus dem Osten aussieht.

Hat das Medium Internet das Musikfernsehen mittlerweile überholt? Speziell wenn man YouTube und MySpace anguckt und dann was momentan läuft bei MTViva.

Ferdinand:
Da laufen ja keine Musikvideos mehr.

Eddy: Würde ich schon sagen. Bis vor anderthalb Jahren gab es ja noch irgendwelche Formate im Fernsehen, die Metalvideos ausgestrahlt haben, auch wenn es spät abends war. Aber inzwischen lohnt sich das für die nicht mehr.

Ferdinand: In Tschechien läuft unser Clip auf Rotation.

Eddy: Okay, aber in Deutschland lohnt es sich nicht mehr irgendwelche Klingelton-Werbung dazwischen zu schalten. Die werden sich sagen, das läuft im Internet auf Youtube, und wir können kein Geld mehr damit verdienen. Daher denke ich schon, dass das Internet das alles überholt hat.

John: Wie im Pornobusiness auch. Kam gestern bei Harald Schmidt: Beate Uhse beklagt über sich über Umsatzrückgang wegen YouPorn.

Kommen wir mal zu euren Liveauftritten. Ihr seid nun nicht so die Band, die ausgiebige Touren spielt, ihr habt mal 9 Tage mit BY NIGHT getourt, ihr habt ein bisschen mit DISMEMBER getourt, ihr spielt hauptsächlich Wochenendgigs. Wäre es nicht mal Zeit für eine ausgiebige Tour?

Ferdinand:
Es ist auch an der Zeit.

John: Die kommt im Februar, den ganzen Februar mit den Kollegen von DISMEMBER, europaweit über Massive Music. Dann haben wir die Tour zum Album gespielt, und dann gucken wir. Nächstes Jahr wird einiges an Festivals kommen und mit dem Album in der Rückhand sind wir alle sehr guter Dinge.

Eddy: Sich auf zwei Touren zu beschränken ist für eine Band auch wesentlich einfacher als jedes Wochenende zu spielen. Manchmal ergibt sich die Möglichkeit, eine Tour zu spielen. Da muss man immer abwarten. Wir haben es auf der Tour mit HATE ETERNAL gesehen, wie es scheiße laufen kann und von daher haben wir in letzter Zeit viel aussondiert - was machen wir, was machen wir nicht, welche Angebote kommen. Und da wir die Leute von DISMEMBER kennen, wissen wir, dass es gut laufen wird. Von daher haben wir da auch richtig Bock drauf. Dann kommt die Tour zum richtigen Zeitpunkt für die Platte und dann kommen die Festivals und weitere Clubshows und Ende des Jahres vielleicht eine weitere Tour. Also, man wird uns live sehen nächstes Jahr.

John: Müssen.

Eddy: Man wird nicht drumrum kommen.

Fühlt ihr euch einer bestimmten Szene zugehörig? Es gibt ja viele, die schreiben Death Metal oder Melodic Death Metal über euch. Dann gibt es viele, weil ihr ja auch häufig mit Metalcore Bands spielt und wegen Lifeforce Records, die euch in Richtung Metalcore stecken. Ihr habt den Hardcore Background. Fühlt ihr euch da irgendwem zugehörig, fühlt ihr euch da irgendwem nicht zugehörig oder ist euch das alles sowieso Wurst?

John:
Wenn wir Biker wären, wären wir Free-Rider.

Eddy: Freelancer. Für uns ist es einfach gut, dass wir solche Shows mit Hardcore Bands spielen können. Wir können genauso gut Metalshows spielen, das ist eigentlich nur gut für uns. Wir denken nicht in Schubladen.

John: Wir sind eine Metalband, für uns sind wir eine Metalband.

Eddy: Wieso sollten wir solche Shows ablehnen?

Ferdinand: Wenn wir die Leute damit begeistern können, ob das nun Metalcore oder Hardcore oder Die-Hard Metaller sind. Wenn wir die alle überzeugen können, spricht das doch nur für uns.

Ihr macht nun auch bei der Initiative von powermetal.de „Metalfans gegen Hass und Gewalt“ mit. Wie seid ihr dazu gekonmmen?

John:
Das lief auch über das Label. Wir wurden angeschrieben, ob wir uns da beteiligen wollen, und da wir uns vor kurzem auch zu der „Metalfans gegen Faschismus“ Kampagne bekannt haben, lag es nahe, da auch unseren Teil mit unserem Statement und unserem Foto zu leisten. Da ist kein großes Geheimnis dabei, das Statement „Metaller gegen Hass und Gewalt“ spricht Bände und da wir keine pseudo-böse Metalband sind, sondern halt die fünf Ossis von nebenan, die ab und zu auch mal ein bisschen belächelt werden aufgrund ihrer Optik, lag das einfach nahe, da mitzumachen.

Ist diese Kampagne nicht eine zwiespältige Angelegenheit? „Gegen Hass und Gewalt“, wo das doch in so vielen Texten bei so vielen Bands Thema ist.

John:
Wenn man das textlich behandelt, heißt das ja nicht, dass man das glorifiziert. Und nimm Bands wie CANNIBAL CORPSE, die da textmäßig noch viel brachialer sind und die es A aus marketingtechnischer Sicht machen und B mit dem nötigen Abstand und mit dem nötigen Augenzwinkern. Das sind liebende Familienväter, und der singt da „Fucked with a knife“. Man muss bei der ganzen Sache auch sehen, das sind alles normale Menschen, die auch nur mit Wasser kochen. Ich kenn auch genügend Leute, die da pseudomäßig im Black Metal aktiv sind und versuchen Ideale oder Dogmas zu leben, die eigentlich völlig sinnlos und völlig stumpfsinnig sind.

Die andere Kampagne hast du eben schon angesprochen, „Metalfans gegen Nazis“. Wie würdet ihr damit umgehen, wenn plötzlich bei einem Konzert 10 bis 15 Nazis im Publikum stehen.

John:
Da gibt es schon Erfahrungswerte.

Eddy: Vor Nazis spielen wir nicht. Wenn die da unten stehen und es wirklich erkennbar ist, dass es Nazis sind, dann hören wir auf zu spielen.

Ferdinand: Die haben dann den Raum zu verlassen.

John: Das gibt es natürlich, dass man ein Metalpublikum hat und da stehen vier Leute mit Absurd-Shirts. Dann haben wir es immer so gehandhabt, dass wir von der Bühne in einer Ansage angeboten haben, bei uns am Merch-Stand kostenlos die Shirts gegen eins von uns zu tauschen, dass sie was Ordentliches anhaben und sich nicht länger schämen müssen, mit dem Scheiß rumzulaufen. Man muss es halt immer von Fall zu Fall sehen, aber defintiv und zu 666% distanzieren wir uns von Nazis.

Dann gibt es aber viele Bands, die reden sich immer dadurch raus, dass sie nicht wissen konnten, wo sie denn spielen. Und ein anderes Beispiel ist jetzt Andre, der Sänger von MAROON, der mit einem Shirt von einer Naziband fotografiert worden ist, das er von einem Fan geschenkt bekommen hatte. Er hat sich jedenfalls sofort davon distanziert, viele Bands schieben das aber auch immer auf den Veranstalter oder andere Leute.

Ferdinand:
Man weiß nicht, wo man spielt. Wenn man 40 oder 50 Konzerte spielt, weiß man nicht immer, wo man spielt. Aber wenn man da ist, sieht man es ja und kann sich drauf einstellen.

Eddy: Woher willst du das wissen? Du kommst zu einer Show und weißt nicht mal, wie der Saal aussieht und wie groß die Bühne ist. Woher sollst du wissen, welche Leute da hinkommen?

John: Du kannst nur aufhören zu spielen, wenn jemand Stress macht .

Eddy: Du kannst dann nur ein Statement abgeben.

Ferdinand: Das ist die Macht, die man als Musiker hat.

Eddy: Das anzusprechen und zu sagen, dass man keinen Bock hat vor denen zu spielen. Und zu der Sache mit Andre von MAROON...

John: Lächerlich, dem Kerl so was vorzuwerfen - 20 Jahre aktiv in der Antifa.

Eddy: Es wurde eine Hexenjagd veranstaltet, ohne das Statement von Andre abzuwarten. Dieses Bild wurde im Internet überall gepostet. Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, da erstmal eine Reaktion von MAROONs Seite abzuwarten und dann darüber zu urteilen. Es kann einer Band sehr schaden, und es war vollkommen zu Unrecht, da das Statement für mich relativ glaubwürdig ist.

Zum Abschluss könnt und dürft ihr euch noch für die Radiosendung ein Lied wünschen. Ihr müsst euch auf eins einigen.

John:
Für unseren langjährigen Wegbegleiter, der vor kurzem leider verstorben ist, den Dennis Funke vom Hellborn Metalradio in Jena „The Final Countdown“ von EUROPE.
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