Thüringen - Das Norwegen des Metalcores


Interview mit Maroon
Metalcore aus Deutschland - Nordhausen
Interview mit Sebastian Rieche (g.) und Tom Moraweck (b.) von MAROON am 17.01.2008 in Chemnitz im AJZ für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz.
www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview auch als MP3 runterladen.

Was fällt euch als erstes spontan zu Chemnitz ein?

Sebastian:
Karl-Marx-Stadt.

Tom: Ich wollte es gerade sagen. Ansonsten nichts weiter, das reicht doch.

Andre, läuft ja z.B. hier desöfteren auf Konzerten rum, z.B. bei CONVERGE war er hier.

Tom:
Da warst du mit, oder?

Sebastian: Ja, das ist nun aber schon ein halbes Jahr her.

Ihr geht ja aber noch regelmäßig auf Konzerte und würdet euch auch noch selber als Fans beschrieben, oder?

Tom:
Ja, auf jeden Fall. Wenn wir zu Hause sind und es ist was gutes in der Nähe oder nicht in der Nähe, dann fahren wir da immer schon mal hin.

Was habt ihr so für Bands, auf die ihr euch in nächster Zeit freut oder was ihr gerne sehen würdet?

Tom:
Ich hab eigentlich schon fast alles gesehen was ich sehen wollte, ich hab METALLICA schon mal gesehen und das war es dann auch. Was kommt denn dieses Jahr, ist irgendeine gute Tour? Ich glaub nicht. Bei dir?

Sebastian: Ich überlege auch gerade, ich werde mir wahrscheinlich CARCASS auf dem Wacken angucken, obwohl ich Reunions eigentlich nicht so gut finde. Aber die Jungs kriegen dieses mal wenigstens Geld dafür.

Björn: Gibt es auf den Konzerten eigentlich irgendeine Veränderung der Szene, die ihr merkt?

Tom:
Auf jeden Fall, gerade auf dieser Tour ist halt durch die anderen Bands ein sehr sehr junges Publikum. Das nimmt schon fast TOKIO HOTEL Züge an.

Sebastian: Das ist schon die nächste Generation, da kommt man sich schon wie ein Opa vor.

Tom: Das läuft halt alles nur noch über MySpace und auf den Konzerten, das ist jetzt das vierte Konzert, waren halt ganz viele 14jährige Mädchen da. Das ist halt nicht schlecht, aber eine andere Generation.

Merkt ihr das, dass vor euch der Saal leerer wird?

Tom:
Es ist eher ein Wechsel.

Sebastian: Bis jetzt waren auch immer genug Leute da.

Tom: Ja, das war bisher sehr gut.

Man hat das so ein bisschen bei der CONVERGE Tour gesehen, da waren BRING ME THE HORIZON auch dabei, und da war das so ein bisschen ein Wechsel und bei CONVERGE selbst war es mit am leersten.

Sebastian:
Da können wir uns nicht beklagen.

Tom: Also bis jetzt war das alles ganz okay. Das stimmt aber schon, die ersten zwei Reihen sind die Mädchen und wenn wir dann drankommen, bleiben auch welche stehen, was mich sehr erstaunt. Wenn wir dann anfangen merkt man schon, dass die uns kaum kennen. Unsere Fans gehen dann vor, die erkennt man daran, dass sie ein bisschen älter sind, und die gehen dann zurück. Manche fahren aber auch nach Hause, weil die um Zwölf im Bett sein müssen.

Würdet ihr euch eigentlich in irgendeine Schublade stecken oder ist euch das ganz egal? Es ist ja so, Metalcore Schublade auf und HEAVEN SHALL BURN, CALIBAN und MAROON rein, Schublade zu.

Tom:
Die ja schon ganz unterschiedlich sind die drei Bands, aber wenn einer Metalcore zu uns sagen will oder Metal oder Death Metal ist mir das eigentlich ganz egal.

Sebastian: Ich verstehe es wenn Leute Schubladen brauchen, wenn man über die Bands erzählt um sie einordnen zu können, aber uns ist das eigentlich wirklich egal.

Tom: Ich finde Metal reicht schon als Beschreibung, aber wenn einer Metalcore sagt, habe ich damit auch kein Problem. Für mich ist das kein Schimpfwort, für manche ist das vielleicht eins.

Das kommt momentan auch ein bisschen durch die Plattenfirmen, denn in den Beipackzetteln zu den CDs steht nirgendwo mehr Metalcore drin. Das ist dann immer nur noch Modern Metal oder Modern Thrash Metal oder eine Weiterentwicklung.

Tom:
War bei uns auch so, glaube ich.

Sebastian: Das passt vielleicht auch eher.

Tom: Die großen Hefte haben vielleicht auch ein bisschen zu oft gegen Metalcore geschimpft. Es stand ja oft drin, dass das wieder ein Trend ist, den keiner braucht. Vielleicht machen das die Plattenfirmen deswegen.

Sebastian: Der Begriff hat sich schon ein bisschen abgenutzt und ist sehr negativ behaftet und deshalb wurde einfach ein neuer Begriff genommen. Aber uns ist das wirklich egal.

Ihr habt jetzt „The cold heart of the sun“ herausgebracht. Wie ist das Album bisher angekommen?

Sebastian:
Sehr gut.

Tom: Es war sogar noch eine Steigerung zu dem Album davor.

Von den Reaktion der Fans her oder von den Verkaufszahlen?

Tom:
Beides, Reaktionen hatten wir aber noch nicht so viele, das ist jetzt die erste Tour mit der Platte. Wir haben vorher in Deutschland noch nicht gespielt, bis auf die Weihnachtsshow, und das zeigt sich jetzt erst. Das ist halt noch immer ein bisschen schwierig neue Songs live zu spielen, für uns auf der Bühne und für manche im Publikum auch. Bei Songs wie „(Reach) the sun“, die schon etwas früher draußen waren, sind die Reaktionen schon sehr gut.

In diversen Internetforen ist zu lesen, dass „The cold heart of the sun“ schon ein gutes Album ist, aber „When worlds collide“ kommt dann doch schon besser an. Oder wird sich das im Laufe der Zeit noch weiterentwickeln wenn die Leute das Album häufiger gehört haben?

Tom:
Also für mich persönlich und nach außen hin ist es auf jeden Fall ein schwierigeres Album. „When worlds collide“ war doch ein bisschen glatter und ging schneller ins Ohr.

Sebastian: Poppiger.

Tom: „The cold heart of the sun“ ist doch ein bisschen sperrig an ein paar Stellen, da brauch man schon ein paar mehr Anläufe, damit das richtig reingeht. Obwohl aber auch Songs drauf sind, die gleich ins Ohr gehen. Ich verstehe es wenn Leute sagen, dass „When worlds collide“ leichter verdaulich ist. Das wird schon noch.

Ihr habt das Album im Rape of Harmonies Studio aufgenommen, warum habt ihr euch dafür entschieden?

Tom:
Weil das Freunde von uns sind und wir da unsere ersten Sachen gemacht haben und weil es bei uns um die Ecke ist. Wir haben das Schlagzeug in Dänemark bei Jacob Hansen aufgenommen und dann Gitarren, Bass und Gesang in Triptis. Es mussten nicht immer alle da sein, man konnte mal nach Hause fahren und es sind ganz alte Bekannte, da arbeitet es sich ganz angenehm wenn die Leute einen kennen. Wir wollten aber auch mal was anderes machen, damit wir nicht immer den selben Sound haben.

Viele Bands genießen das aber auch im Studio für ein paar Tage oder Wochen komplett abschalten zu können und deshalb gehen sie ganz woanders hin ins Studio.

Tom:
Das hatten wir auch in Dänemark, das ist auch nicht schlecht.

Sebastian: Uns war einfach nur wichtig, dass wir mal wieder was anderes machen.

Tom: Es gehen doch ziemlich viele Bands zu Hansen und irgendwann hört man, dass es ein Hansen Sound ist. Und wenn man das ein bisschen mit zwei verschiedenen Studios mischt, entgeht man diesem.

Mir kommt es immer so vor, dass die Thüringer Metalcore Szene so ein kleines Inzuchtnest ist mit dem Rape of Harmonies Studio, die Bands kennen sich alle untereinander, Andre hat ja auch schon mal bei HEAVEN SHALL BURN gesungen, und so weiter und so fort. Ist das wirklich so, dass man sich dauernd trifft und zusammen rumhängt?

Sebastian:
Das Norwegen des Metalcores.

Tom: Es ist schon so, den guten Draht haben wir auch zu Caliban, das sind halt alles Bands, die zur gleichen Zeit angefangen haben. Zu der Zeit gab es halt nicht so viele Bands und man hat immer die selben Konzerte mit immer den selben Bands gespielt. Als wir angefangen haben kannten wir HEAVEN SHALL BURN gar nicht und dass sie zufällig auch aus Thüringen sind, haben wir dann später herausgefunden, obwohl das gleich um die Ecke war. Das ist halt eher Zufall, aber schon schön.

Ich wollte heute noch mal auf eure Homepage schauen, was ist denn mit der los? Dass sie offline ist, ist zum Release des Albums doch eher ungünstig.

Tom:
Wir sind da ein bisschen faul, ich glaub auch die kommt demnächst nicht online.

Aber ihr betreibt die noch komplett selber und habt das nicht an das Label abgegeben?

Sebastian:
Das ist alles in Eigenregie, mit den Tourvorbereitungen kam aber so viel dazwischen.

Tom: Wir brauchen halt jemanden, der die für uns macht und da sind wir immer ein bisschen schlampig uns da wen zu besorgen. Und dann haben wir irgendwie den Zeitpunkt verpasst und dachten bevor die alte Seite noch so lange online ist, nehmen wir sie lieber komplett runter.

Ihr habt ja auch regelmäßig TV Auftritte, u. a. jetzt gerade bei Polylux zum Thema drogenfreies Leben, wie kommt man an so was ran? ist es so, dass die Redakteure von Polylux anrufen oder bemüht ihr euch da selber drum?

Tom:
Im Spiegel war mal ein Bericht über Straight Edge und da fiel unser Name als einzige Band. Und irgendwie haben das die Fernsehsender mitgekriegt und klingeln seitdem immer bei uns an wenn sie irgendwas über das Thema machen wollen. Das kam dann von einem zum anderen, dann waren wir bei RTL, dann kam RTL II, dann kam das ZDF und jetzt die ARD. Ich glaub die schieben sich das so untereinander zu, die kennen vielleicht keinen anderen. Die fragen halt immer bei uns an und wenn wir Lust und Zeit haben, dann machen wir das halt auch mit.

Ist das mittlerweile eine andere Herangehensweise von euch an das Thema Veganismus und Straight Edge? Es gibt ja das Gerücht, dass ihr früher über die Festivals gezogen seid und Wurststände kaputt getreten habt.

Tom:
Das Gerücht gibt es immer noch.

Sebastian: Das stimmt aber nicht.

Tom: Das ist so dumm, aber die Mühe nicht wert sich darüber aufzuregen. Wir waren nie groß anders, wenn man anfängt ist man natürlich eher mit dem Kopf durch die Wand, da waren einige Texte natürlich etwas militanter. Aber wir haben nie jemand blöd gemacht deswegen oder etwas kaputt gemacht.

Sebastian: Wir sind nie handgreiflich geworden.

Tom: Eher im Gegenteil, wir waren eher immer defensiv. Wenn wir im Backstage saßen und alle rundherum haben geraucht, haben wir nichts gesagt. Das machen wir sogar heute selten, da gibt es wichtigeres. Da haben wir uns nicht geändert, oder?

Sebastian: Nöö.

Wo du es gerade ansprichst, ihr könntet aber auch mit Bands touren, die den ganzen Tag nur saufen?

Sebastian:
Haben wir auch schon gemacht.

Tom: Das sind alle Touren, das ist ganz selten, dass man mal mit einer Band unterwegs ist, die so ist wie wir. Mit DOWNSET waren wir sechs Wochen unterwegs und die haben jetzt nur „geraucht“, sag ich jetzt mal, im Bus und so. Das muss halt gehen, sonst kann man ja fast nicht touren. Gerade im Metal ist es ja noch verbreiteter zu trinken.

Joe von DEADLOCK sagte mal, dass es immer gerne gesehen wird wenn eine Straight Edge Band dabei ist, dann bleibt mehr Bier für die anderen Bands.

Tom:
Wir geben das dann auch immer gerne raus, wir brauchen es ja nicht.

Ihr habt letztes Jahr auf dem Wacken gespielt und spielt dieses Jahr auf dem Party.San. Das sind jetzt so die beiden Festivals wo man eine Band aus der Metalcore Schublade nicht unbedingt vermuten würde. Ist das eine Chance noch ein bisschen andere Schichten zu erschließen oder ist es eher eine zwiespältige Sache, dass ihr dort nicht so gut aufgenommen werdet?

Sebastian:
Bis jetzt hatten wir immer Glück und die Resonanzen waren sehr positiv. Ich würde sagen, dass die Lager, Hardcore und Metal, sich auch einander angenähert haben. Man merkt es auch auf den Shows, vor vier Jahren mussten wir noch einen Auftritt mitten im Set abbrechen weil sich die Leute gekloppt haben. Das fanden wir nicht so gut. Aber mittlerweile geht das, da kommen die Leute ganz gut miteinander klar.

Tom: Wacken war gut und wir spielen eigentlich auch alles und kennen da kaum Berührungsängste. Irgendwann bringt es auch nichts mehr immer vor denselben Leuten zu spielen. Klar hat man vor manchen Festivals vorher ein ungutes Gefühl. Ich z.B. hab schon ein bisschen Angst vor dem Party.San, gerade das ist ja wirklich Old School. Wacken war auch okay, das war sogar eine sehr gut Show.

Wart ihr selber schon auf dem Party.San, so als Fans?

Tom:
Früher schon mehrmals.

Sebastian: Da hatte man noch mehr Zeit, wenn man jetzt selber unterwegs ist, dann geht das nicht.

Tom: Das ist auch eins der richtig guten Festivals, die anderen sind mir einfach viel zu groß und für mich persönlich zu weit gefächert. Und das Party.San ist da ein bisschen intimer und die Musik ist da besser als bei manchen anderen Festivals.

Wie würdet ihr mit diesem Party.San Publikum umgehen? Es werden ja nur wenige Leute kommen um speziell euch zu sehen. Und dann hat man da pöbelnde Betrunkene und leider auch immer noch ein paar Nazideppen, obwohl sich das Party.San ja da mittlerweile sehr dagegen engagiert. Wie geht ihr mit so was um oder lässt man das einfach auf sich zukommen?

Tom:
Wir machen da jetzt nicht bewusst irgendwas anders. Gerade beim Wacken war ich sehr überrascht, ich dachte da wäre nur True Metal Publikum, aber es war eine sehr gute Show. Beim Party.San muss man da durch, wenn es nicht funktioniert, dann funktioniert es halt nicht, aber ich glaube, das wird schon. Und es ist ja gut wenn das Publikum gemischt ist, es sei denn, es sind Faschodeppen dabei, aber da können wir auch nicht viel dagegen machen.

Auf dem With Full Force habt ihr SCHLEIMKEIM gecovert, eine nicht gerade überall bekannte Band. Wie seid ihr darauf gekommen, die zu covern?

Tom:
Weil wir Fans von SCHLEIMKEIM sind, das ist eigentlich der einzige Grund. Die sind bei uns aus der Gegend gewesen und früher haben wir halt viel SCHLEIMKEIM gehört. Und wir dachten es ist mal was anderes eine gute alte Punkband zu covern, noch dazu Ostpunk.

Sebastian: Wir haben halt lange überlegt, ob mir mal ein Cover mit reinbringen sollen ins Set und sich an irgendwelchen Metalklassikern zu vergreifen wäre auch vermessen. da hört man die Leute vorher schon sagen, dass sie es versucht haben, es bringt aber nichts wenn man tausend Mal „Raining Blood“ covert.

Tom: Die Idee entstand ja auch weil Bands wie HEAVEN SHALL BURN SCHLEIMKEIM Fans sind und wir wollten mal einen Sampler machen wo wir alle Schleimkeim covern. Ich weiß nicht, was daraus wird, wir haben aber unsere Schleimkeim Version schon aufgenommen. Die liegt da und vielleicht wird das mal irgendwann was.

Gibt es irgendwas, was ihr noch mal covern wollt, wo ihr sagt, dass müsste man mal live spielen?

Tom:
Ich persönlich bin kein großer Fan von Covern. Das Original ist das Original und meistens kann man es nicht besser machen. Mir fällt da nichts ein, was man covern könnte, höchstens mal aus Spaß ein paar Songs spielen.

Zum Schluss hab ich noch ein Gerücht für euch, Andre lief letztes Jahr auf dem With Full Force biertrinkenderweise durch die Gegend und ihr seid gar keine Straight Edger mehr.

Sebastian:
Das kann ja auch alkoholfreies Bier gewesen sein. Ich war das ganze Wochenende mit dabei und da ist wirklich nichts gelaufen.

Tom: Die Leute sitzen halt vor dem Rechner im Internet und haben Langeweile. Nick wurde z.B. mal in Nürnberg besoffen auf einer Party gesehen. Der war noch nie allein in Nürnberg, das kann gar nicht sein. Aber es ist lustig, sollen die Leute doch erzählen. Es ist aber auch nichts dran.

Ihr geht da aber auch nicht offensiv gegen die Gerüchte vor?

Tom:
Warum auch, ist doch lustig wenn man mal so was schönes über sich liest. das macht doch Spaß.

Zum Abschluss dürft ihr euch für die Radiosendung noch ein Lied wünschen.

Tom:
Was ist das für eine Sendung? Metal?

Metal, Punk, bunt gemischt, ich will nur kein Scooter hören. Das kommt immer wieder vom Ali von HEAVEN SHALL BURN oder von DEADLOCK.

Sebastian:
Keine Angst.

Tom: Der hört das wirklich, das ist nicht mal Spaß.

Sebastian: Und bei DEADLOCK hört man es sogar raus.

Tom: Ich weiß nicht, spiel einfach SCHLEIMKEIM.

Irgendein bestimmtes Lied, das ihr euch wünscht?

Sebastian:
„Mathilde“

Tom: Nee, das kannst du nicht im Radio spielen.

Warum das denn nicht?

Tom:
Der Text ist nicht jugendfrei.

Sebastian: „Ich schau in deine Augen“

Tom: Mach irgendwas von SCHLEIMKEIM, das passt zu uns.
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