Der jüngste Genozid an vogelartigen Wesen war keine Werbekampagne zu „Horizon’s Low“


Interview mit Draugnim
Epic Melancholic Black Metal aus Finnland - Espoo

Diese Finnen sind immer auf’s Neue für Überraschungen gut. Waren DRAUGNIM bei mir immer eher eine Band gewesen, die man zwar kannte, gleichzeitig aber irgendwie an einem vorbeiging, änderte sich dies ruckartig mit ihrer mittlerweile zweieinhalb Monate alten Scheibe „Horizon’s Low“, die mich halb vom Hocker riss. Viel Lob bekamen die seit dem Ende der 90er existierenden Schwarzmetaller, deren Musik irgendwo zwischen SUMMONING, WINDIR und FALKENBACH anzusiedeln ist. Die dann aufblitzende Möglichkeit, ein Interview zu erhaschen, ließ ich mir natürlich nicht entgehen.

Zuerst einmal einen guten Abend! Euer Album „Horizon’s Low“wurde vor etwa zweieinhalb Monaten veröffentlicht: Könnt ihr bereits erste Rückmeldungen geben, ob ihr zufrieden seid mit seinen Verkäufen?

Morior: Dir auch einen guten Abend! Um ehrlich zu sein – ich habe überhaupt keine Ahnung, wie es mit den Verkäufen aussieht. Ich habe nicht nachgefragt und eigentlich interessiert’s mich auch nicht wirklich. Solange wir Alben produzieren können, bin ich zufrieden. In diesen Ich-krieg’s-auch-aus’m-Netz-Zeiten muss man natürlich bei jeder Art von Musik mit niedrigen Verkaufszahlen rechnen

„Horizon’s Low“ wird über Spinefarm Records vertrieben. Was denkt ihr darüber? Könnt ihr so mehr Leute erreichen, als ihr es mit einem kleinen Label im Rücken könntet, oder merkt ihr nichts davon, bei so einem großen Label zu sein?

Morior: Nun ja... Ich hab’ herausgefunden, dass es wohl nicht das Beste ist, als kleine Band bei einem so großen Label wie Spinefarm zu sein. Bei unserer Zusammenarbeit läuft zwar alles gut, aber kleine Bands wie wir werden einfach nicht so sehr promotet wie die großen Bands. Bei kleinen Labels wird man zwar mehr beworben, dafür stehen jenen Labels aber auch gleichzeitig weniger Mittel zur Verfügung. Also ist es wohl eine Lose-Lose-Situation, wenn man mal genauer darüber nachdenkt. Andererseits dachte ich, dass gute Musik nicht großartig promotet werden muss. Sieh dir doch mal DRUDKH an, als Beispiel. Soweit ich weiß, gab es nie wirkliche Werbung für die Band, aber trotzdem kennt jeder sie!

Wie lange habt ihr am neuen Album gearbeitet?

Morior: Wir haben das Album an vielen verschiedenen Plätzen in vielen verschiedenen Sessions aufgenommen. Umso schwerer ist es zu sagen, wie lange wir insgesamt dafür gebraucht haben. Es wäre sicherlich am Leichtesten, einfach zu sagen, dass wir mit kleinen Aufnahmesessions im letzten Winter begonnen, und letztendlich alles im Sommer abgemischt haben. Alles in Allem würde ich aber sagen, dass wir zusammengerechnet etwa zwei Monate brauchten.

Sind Konzerte mit dem Ziel geplant, „Horizon’s Low“ zu umwerben? Wenn ja, wann? Es wäre klasse, euch mal in Deutschland zu sehen!

Morior: Es sind ein paar Konzerte in Finnland geplant. Unglücklicherweise gibt es derzeit aber keine Möglichkeit, Konzerte im Ausland organisiert zu bekommen, da wir niemanden haben, der uns das organisiert. Hoffentlich kriegen wir das aber bald gerichtet. Es frustriert wirklich sehr, ein Album herausgebracht, aber nur wenige Auftritte in Aussicht zu haben.
Wir wären begeistert davon, in Deutschland spielen zu dürfen! Früher oder später werden wir sicher mal zu euch kommen.

Eure Musik klingt sehr emotional. Gibt es auf „Horizon’s Low“ Lieder, die euch mehr bedeuten als andere? Vielleicht Lieder, die tief im persönlichen Bereich verankert sind?

Morior: Klar. Besonders „Bastion“ und „The Weeper’s Way“, die ich schrieb, als ich durch einen sehr turbulenten Abschnitt in meinem Leben ging. Trauer kann einen zu kreativen Höchstleistungen anspornen, genau wie jede andere starke Emotion. Große Gefühle schaffen große Musik.

Wie steht ihr zu „Bastion“, dem längsten und meiner Meinung nach herausstechendsten und melancholischsten Song?

Chimedra: Wie bereits erwähnt, ist „Bastion“ ein sehr persönliches Lied und uns sehr wichtig. Die Geschichte von „Horizon’s Low“ findet darin seinen Höhepunkt, dass jemandem die letzten Momente der bröckelnden Festung, die sein Leben ihm baute, bevorstehen. Verlassen von allen. So wie es auch unser Los ist, alleine zu stehen, wenn die Dunkelheit hereinbricht.

Wer komponiert denn bei euch die Musik und wer schreibt die Texte?

Chimedra: Morior schreibt die Songs und ich schreibe als Sänger die meisten Lyrics. Auf diesem Album hat allerdings auch Turm, unser Bassist, die Texte für zwei Lieder geschrieben.

Haben die Texte eine tiefere Bedeutung?

Chimedra: Kommt darauf an, was du unter „tief“ verstehst. Sie sind nicht vollgeladen mit Allegorien oder Metaphern, aber auf jeden Fall sind sie eng verwoben mit der starken, emotionalen Spannung der Musik an sich. In dem Album ist eine Reise verfasst, die den Wettkampf gegen das Leben und dessen Verbindung zum bevorstehenden, alleinigen Niedergang, dem Tod darstellt. Jedes Lied ist ein Kapitel, in dem die Sterblichkeit das unwiderlegbare Band der Menschheit zu unserer Welt, der Natur und all jenem, das dazu verdammt ist zu welken, verdeutlicht.

Was für Musik, was für Bands hört ihr in der Band? Sind Bands wie SUMMONING, FALKENBACH, WINDIR oder ULVER vertreten?

Chimedra: Man könnte sagen, dass diese Bands immer wichtig für uns waren und es wäre zwecklos, ihren Einfluss auf die Musik DRAUGNIMs zu leugnen. Heutzutage hat sich unser Geschmack aber mehr zu den extremeren Sachen bewegt. Weg von der „Mitte“ und hin zu pechschwarzem Schwarzmetall oder sehr atmosphärischen Sachen. Höchstwahrscheinlich beeinflusst dies alles unsere Musik zumindest unbewusst auf eine bestimmte Art und Weise.

Morior: Die letzte Zeit höre ich eigentlich alles außer Metal. Eher PINK FLOYD oder THE DOORS, alten Rock eben.

Der Sound eures neuen Albums ist sanft, ohne soft zu werden, und verträumt, ohne an Intensität zu verlieren. Vielmehr zieht er den Hörer in eine Welt aus Träumen und Melancholie. Ist das euer Ziel? Was wollt ihr mit euer Musik erreichen?

Chimedra: Wir sind absolut zufrieden mit der Klanglandschaft auf „Horizon’s Low“. DRAUGNIM bedeutet Musik mit Atmosphäre, mit Melancholie. Es muss einfach zu einer Reise werden, das Album durchzuhören. Wenn man anschließend bewegt ist, oder sich irgendwie verändert fühlt – ob zum Guten oder zum Schlechten – dann haben wir unser Ziel erreicht.

Ville Sorvali von MOONSORROW hat euer neues Album produziert. Ist er ein Freund von euch? Kann man vielleicht sogar auf eine Tour von euch im Doppelpack hoffen?

Chimedra: Henri Sorvali (Cousin von Ville, Anm. d. Red.) ist ein Freund von uns, und er arbeitete bereits an unserer letzten Demo sowie an unserem Debütalbum mit. Doch dieses Mal beschlossen wir, den Produzententhron an Henris Cousin Ville abzugeben. Die Zusammenarbeit mit ihm lief echt super, wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet. Obwohl der Sound der frühen Demoaufnahmen schon gut und die Seele unserer Musik dort bereits sehr präsent war, half Ville uns dabei, ein bombensicheres Fundament für die weiteren Aufnahmen zu legen. Sicher, es gibt einige Pläne für eine Tour mit MOONSORROW hier in Finnland, wenn deren neues Album draußen ist. Aber auch hier ist noch nichts für andere Länder bestätigt.

Gibt es andere Bands, mit denen ihr auf jeden Fall mal touren wollen würdet?

Chimedra: Letztes Jahr haben wir in Helsinki PRIMORDIAL supportet. Sie haben eindeutig einen langen Weg hinter sich, an dem man erkennen kann, dass harte Arbeit und bedingungsloses Engagement sich auszahlen können. Die live zu sehen ist eine magische Erfahrung und es wäre eine große Ehre, eines Tages mit ihnen zu touren!

Euer Bandname klingt ein wenig wie aus einem Fantasy-Roman. Habt ihr was für „Herr der Ringe“ übrig?

Chimedra: Der Name bedeutet „Weißer Wolf“. Natürlich haben wir aber alle großen Respekt vor Tolkiens Werken und mögen sie sehr. Die gegenwärtige Fantasy-Literatur hat sich über die letzten Jahrzehnte mit viel mittelmäßigem Gekritzel fluten lassen. Mittlerweile habe ich aber wieder meinen Weg zurück in dieses Literaturgenre gefunden und einige gute Autoren entdeckt, die ich lese. So wie Scott Bakker, Steven Erikson, Joe Abercrombie und natürlich George R.R. Martin.

Soll das Cover eures Albums eine bestimmte Nachricht an eure Fans überbringen?

Chimedra: Keine versteckten Nachrichten zumindest. Ich denke, es ist eher die Summe des Gesamtgeistes der Scheibe. Man sollte das Bild einfach so interpretieren, wie es einem für einen selbst richtig erscheint. Wie bei allen Formen der Kunst.

Wo, würdet ihr sagen, habt ihr die meisten Fans? Finnland, Deutschland, oder vielleicht doch ein komplett anderes Land?

Chimedra: Es scheint so, dass wir für eine Spinefarm-Band nicht gerade bekannt in Finnland sind. Die, die uns kennen, neigen aber eher dazu, loyale Hörer zu sein. Natürlich ist unsere Musik aber auch weit entfernt vom finnischen Mainstream-Metal (CHILDREN OF BODOM, NIGHTWISH etc.). Ich bin mir nicht sicher, wie es vergleichsweise in Deutschland aussieht, aber wenn ich nach den Mails und dem von dort ausgehenden Interesse gehe, haben wir dort ebenfalls eine solide Fanbasis.

Um irgendwann auch einmal zum Ende zu kommen und eine zum Thema „Freuen“ etwas gegensätzliche Frage zu stellen – welches Lied soll auf eurer Beerdigung gespielt werden?

Chimedra: Keine Lieder. Nur das Gekreische von Geiern, die sich an saftigem Fleisch ergötzen.

Danke für das Interview und eure guten Antworten, ihr habt das letzte Wort!

Entgegen aller Gerüchte war der jüngste Genozid an vogelartigen Wesen keine Werbekampagne zu „Horizon’s Low“.
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