Der Sänger ist der Stürmer, der die Tore beim Publikum machen muss


Interview mit Six Reasons To Kill
Death Metal / Metalcore aus Deutschland - Koblenz
Drei Alben in sechs Jahren mit drei Sängern, die drei verschiedene Bloodchamber Redakteure mehr oder weniger voll überzeugt haben. Wenn das nicht Grund genug ist, bei den Koblenzern SIX REASONS TO KILL mal nachzufragen, weiß ichs auch nicht. Erfreulich offen und unterhaltsam beantwortet wurden die Fragen von Gitarrist Florian Dürr.

Beim 3. Album in Folge habt ihr auch den 3. Sänger in Folge. Wie ist es denn dazu gekommen?

Tja, die Frage haben wir uns auch schon gestellt. Manche Dinge passieren eben, ohne dass man sich das so wünscht. Niemand von uns wollte Torsten oder Christian damals wirklich gehen lassen, aber die Realität ließ uns und ihnen einfach keine andere Wahl. Torsten, der ja Christian Valk 2006 ersetzt hatte, bekam ein gutes Arbeitsangebot in der Schweiz. Er ist Tätowierer. In Deutschland war er freischaffend, in der Schweiz bot man ihm eine feste Stelle. Das hat er natürlich und vernünftigerweise dankend angenommen. Die Band – in Koblenz beheimatet – wollte er aber trotzdem nicht hängen lassen und hat weitergemacht. Familiäre Gründe und die große Distanz führten aber letztendlich dazu, dass sich die Wege zum beidseitigen Bedauern getrennt haben. Wir haben Torsten aber immer noch fest in unseren Herzen. Erst neulich ist er ganz überraschend auf einer Show in Köln aufgekreuzt – es war uns ein große Freude und langes Fest.
Mit Lars haben wir aber einen würdigen Ersatz gefunden. Er hat sich sehr schnell in die Band eingefunden und einen Wahnsinnsjob abgeliefert. Immerhin hat er sich in drei Monaten nicht nur ein Liveset draufgeschafft, sondern auch noch alle Texte sowie alle Phrasierungen für die Songs des neuen Albums geschrieben. Dafür zolle ich ihm meinen tiefsten Respekt. Außerdem ist er ein absolut netter und entspannter Typ, mit dem man gut und gerne seine Zeit verbringen kann.

Die Frage klingt vielleicht etwas kritischer als sie gemeint ist, aber welche Rolle spielt ein Sänger noch in einer Band, wenn er so oft wechselt?

Die gleiche, wie bei einer Band, in der er konstant ist. Wir brauchen einen Sänger genauso wie jede andere Band, die mit Vocals arbeitet. Leider waren wir in der Vergangenheit von einer besonders hohen Fluktuation betroffen. Das hat uns bestimmt weniger Spaß gemacht als allen anderen, ist aber nun mal so. An der Relevanz oder seiner Rolle hat sich dadurch aber nix geändert. Der Sänger ist der Stürmer, der die Tore beim Publikum machen muss. Er ist genauso wichtig wie jeder andere in der Band auch – bei uns zumindest.

Euer Stil hat sich auf dem neuen Album im Vergleich zu „Another Horizon“ etwas geändert. Wo beim letzten Mal noch einige cleane Gesangspassagen drin waren, sind an ähnlichen Stellen auf „Architects Of Perfection“ wahre Härteausbrüche und das Cleane ist praktisch verschwunden. Lag das auch (nur) am Sängerwechsel oder hat sich vielleicht auch euer Musikgeschmack geändert? Böse Zungen könnten da ja vielleicht auch ein kleines Schielen auf den Zeitgeist unterstellen, der aktuell eher Härteausbrüche als cleanen Gesang bevorzugt.

Du kannst Dir den Konjunktiv ruhig sparen – der Vorwurf ist mittlerweile mehrfach an mein Ohr getragen worden. Allerdings denke ich, dieser Vorwurf des Anbiederns an einen Trend wird langsam irgendwie albern. Da wir ohnehin keinerlei kommerzielle Interessen haben und zudem dann auch ganz andere Musik machen würden, sind solche Unterstellungen auch hinfällig. Wenn es um die Kohle gehen würde, dann müsste man den Albumtitel programmatisch lesen und wir würden zwölf Mal “My Poison“ aufnehmen. Wollen wir aber nicht. Wir haben einfach das gemacht, worauf wir gerade Lust hatten. Und unsere Lust zu der Zeit war halt Death Metal. Ich denke das Ergebnis legt darüber ausreichend Zeugnis ab. Was den Gesang anbetrifft: Lars hat ein beeindruckendes Organ, das kann man doch auch zeigen. Außerdem passt es einfach besser zur Musik. Melodische Refrains haben wir tatsächlich auf „Another Horizon“ gemacht. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Allerdings sind es drei, vier Songs, bei denen Torsten vereinzelt gesungen hat. Ich denke, das ist kein Grund, daraus einen Trend abzuleiten. Und wer weiß: Vielleicht singen wir ja alle auf der nächsten Platte. Wir werden auch dann wieder machen, was wir wollen. Das macht auch einfach mehr Spaß, als verkrampft irgendwelchen Trends hinterher zu hecheln.

Wie passt der Zombie auf dem Coverartwork zum Albumtitel? Nach der, im frankensteinschen Sinne, Konstruktion eines perfekten Menschen oder perfekten Musikers oder perfekten SIX REASONS TO KILL Fans sieht der ja nicht gerade aus…

Warum nicht, haha? Wie sieht denn die Konstruktion eines perfekten Menschen aus? Im Ernst: Genau darum geht’s im Titel: Um Ideale, um Normen und Werte, denen wir nacheifern. Und eben darum, dass diese Normen ambivalent sind. Jeder ist ein Architect of Perfection, ein eigener Schmied seines Glückes, wenn man so will. Allerdings haben Normen und Werte immer zwei Gesichter: Sie schließen jene ein, die sich innerhalb des Referenzfeldes einer Norm befinden. Wer nicht dazu zählt, hat meistens schlechte Karten bei denen, die diese Norm für sich anerkennen. Im Dritten Reich zum Beispiel gab es die verabscheuungswürdige Norm, dass Jüdischgläubige keine anerkannten Mitglieder der deutschen Gesellschaft sein sollten. Da wird dann deutlich, welch verheerende Auswirkungen so was haben kann. Man muss aber nicht immer ein solch extremes Beispiel wählen, um zu erklären was gemeint ist. Das Artwork macht das schon ganz gut deutlich: Schönheitsideale zum Beispiel werden von einem großen Teil der Gesellschaft immer stärker medial wahrgenommen. Dadurch sind sie kommerziell und institutionell vorgeprägt. Wer bestimmte Trends nicht mit trägt, ist natürlich raus. Das hat mit Individualismus, der ja gerade in subkulturellen Bereichen wie der Metal- oder Hardcore-Szene eine gewisse Relevanz besitzt, nix mehr zu tun. Extremer wird es wieder, wenn man Auswüchse wie Magersucht oder so was betrachtet. Kurz gesagt will das Artwork einfach darauf aufmerksam machen, dass es wichtig ist, bei sich selbst zu bleiben und gewisse Dinge zu hinterfragen.

Was hat es mit der Ballade „My Poison“ auf sich?

Der Song ist etwas ganz besonderes für uns, deshalb wollten wir dazu einen besonderen Gastgesang haben. Zunächst dachten wir an eine Sängerin, die den Song singen sollte. Irgendwann kamen wir auf die Idee, mal im näheren Bekanntenkreis Ausschau zu halten. Wenn man sich – wie einige von uns – in der Koblenzer Musikszene aufhält, kommt man um BLACKMAIL und Kurt Ebelhäuser natürlich nicht herum. Da kamen wir schnell auf Kurt. Wir haben die Vocals zu „My Poison“ dann auch in seinem Koblenzer Studio aufgenommen.

Für das neue Album habt ihr den Schritt von eurem eigenen Label Bastardized Recordings zu Massacre Records gewagt. War jetzt einfach das Angebot so gut, haben euch die anderen Möglichkeiten von Massacre überzeugt oder was war ausschlaggebend?

Massacre bedeuten für uns noch mal einen großen Schritt nach vorne. Sie haben ein großes weltweites Vertriebsnetz und intensive Promokontakte, von denen wir profitieren. Außerdem sind das alles total nette und umgängliche Jungs, deshalb macht die Zusammenarbeit sehr viel Spaß. Ganz weg sind wir ja von Bastardized Recordings nicht. Sie haben ja immerhin die Vinyl-Version des Albums veröffentlicht.

Bei Metal Archives habt ihr so ein schickes Wappen im Bandlogo (siehe oben), was stellen die einzelnen Elemente dar und wie seid ihr dazu gekommen?

Ui, ehrlich gesagt muss ich gestehen, dass ich Dir die Antwort auf den ersten Teil der Frage schuldig bleiben muss. Es handelt sich dabei um das Design unseres Tourshirts zur „Reborn“-Tour 2005. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ausgerechnet dieses Design so große Verbreitung gefunden hat. Es sieht aber in der Tat immer noch schick aus, da hast Du Recht.

Wie sieht es mit der Livepräsentation des neuen Albums aus?

Nun, wir sind dabei und wollen so viel wie möglich auf die Bühnen steigen und das Album präsentieren. Dies wird zum einen auf einer ganzen Reihe von Shows stattfinden, die in der nächsten Zeit anliegen. Im Sommer werden wir einige Festivals spielen. Außerdem stehen wir in Kontakt mit einigen Agenturen, weil wir gerne eine längere Tour spielen möchten. Da ist derzeit aber noch nichts spruchreif.

Euer Merch geht u.a. bis zu Shorts, die längst nicht jede Band im Angebot hat. Welchen eher ungewöhnlichen, realistischen Merchartikel würdet ihr gerne noch ins Angebot aufnehmen und worauf wäre der SIX REASONS TO KILL Aufdruck noch zu lesen, wenn ihr in jeder Hinsicht freie Hand hättet?

Das ist eine dieser Fragen, die im Tourbus ausgesprochen die wildesten Ideen heraufbeschwören. Ich glaube, das Gespräch kam schon öfter mal auf eine eigene Unterwäsche-Kollektion. Wir wollten schon immer mal Tangas machen. Früher hatten wir Einkaufstaschen, die übrigens sehr beliebt waren. Ich hatte mal eine angehende Mathelehrerin als Mitbewohnerin, die hat sich meine regelmäßig ausgeliehen, um die korrigierten Mathearbeiten zurück in die Schule und damit in den Klassenraum zu transportieren. Wie der Werbeeffekt bei jenen Schülern war, die Arbeiten mit der Note „ungenügend“ zurückerhalten haben, ist leider nicht mehr rekonstruierbar.

Und zum Abschluss eine schlichte Frage zum Bandnamen. Was sind die sechs Gründe, zu töten?

Also ich hab keinen einzigen. Frag mal Gaddafi oder solche Idioten, die meinen, mit Gewalt irgendwas besser machen zu können. Der Name passt halt zu einer Metalband, ich denke, das reicht dann auch. METALLICA oder SLAYER halten sich ja auch nicht lange mit Erklärungen über ihren Namen auf.
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