Maroon & Tear Of Phoenix

Maroon & Tear Of Phoenix

MaroonTear Of Phoenix
Marburg, KFZ
06.05.2006
Frühling. Draußen grünt und blüht es, die Sonne scheint, die Vöglein singen. Keine Lust mehr, in der Bude zu hocken. Also MP3-Player und Sonnenbrille auf und in den Zug gesetzt. Wald, Feld, fünf Millionen Schrebergärten, schöne und weniger schöne Bahnhöfe rasen vorbei, bis man dort ankommt, wo Hessen am schönsten ist, in Marburg.
Der wenig spontane und nicht ausreichend musikbegeisterte Leser fragt sich jetzt bestimmt: Warum diese Strapazen? Wieso begibt sich jemand freiwillig stundenlang in die Hände des beliebtesten deutschen Verkehrbetriebes und sitzt sich auf unbequemen Bänken den Hintern wund? Warum traut sich jemand in westliches Feindesland, mutig der Gefahren trotzend, die dort an jeder Ecke lauern? Ganz klar! Weil es dort etwas gibt, was wir hier im Osten (noch) nicht haben: ein TEAR OF PHOENIX-Konzert!

Das KFZ ist richtig gemütlich. Anfangs macht sich noch Verwirrung breit, da die Weitgereiste den Eingang nicht findet. Lag vielleicht daran, dass die Bude einfach noch dicht war und die als Headliner fungierenden MAROON gerade ihren Soundcheck runterrissen. Nach weiteren Verzögerungen und etlichen Minuten doofen Rumstehens, dürfen die heiligen Hallen, sprich ein übersichtliches Sälchen mit übersichtlichem Bühnchen, dann endlich betreten werden. Als das Licht ausgeht und das Intro erklingt, blubbert das erste Bier bereits lustig im Magen rum.

TEAR OF PHOENIX haben schon mit ihrer, Ende letzten Jahres erschienenen, Debüt-EP für mächtig Moshstimmung in der Bloodchamber gesorgt. Live sieht das kaum anders aus: Das knackige Melodic Death/Hardcore Gemisch sorgt überall wohlwollende Gesichter, nickende Köpfe, sogar ein paar abtanzende Fans und mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Drei mächtig überzeugende Argumente haben die Jungs mitgebracht: Erstens, neue Stücke ergänzen das hervorragende Songmaterial der selbstbetitelten EP und setzen sogar noch einen Zacken drauf. Zweitens, Frontmann Chris ist ein echter Showmaster, der mit seiner ungebremsten Energie des Publikum problemlos einzuwickeln weiß. So fällt auch die leichte bühnenshowtechnische Zurückhaltung seiner Mitstreiter kaum noch ins Gewicht. Drittens hat man an diesem Abend beschlossen, den ständigen Rangeleien zwischen Metalheads und Hardcore-Fans ein Grab zu schaufeln und schmettert ein beherztes, durch MAROON-Fronter Andre verstärktes „Unite“ in die Runde. Tolle Aktion, feines Konzert, mehr davon!
Die Weitgereiste ist auf jeden Fall total froh, dass sie so weit gereist ist und lässt sich sogleich zu einem weiteren Bierchen inspirieren.

Keine langen Umbaupausen, keine unanständige Wartezeit – so muss das sein. Unmittelbar darauf steigen MAROON auf die Bretter und beweisen, dass auch sie keinerlei Probleme mit einer fetzigen Liveperformance haben. Rein äußerlich sind die Nordhausener von einer „richtigen“ Metalband kaum noch zu unterscheiden. Kein Wunder. Was sonst ist das auf Genregrenzen scheißende aktuelle Album „When Worlds Collide“ außer astreiner Metal? Die neuen Songs drücken in der livehaftigen Version jedenfalls wirklich alles nieder; „Wake Up In Hell“ und „Confessions Of The Heretic“ sind einfach zum Niederknien, und dass bei „Annular Eclipse“ auf die göttliche cleane Gesangseinlage verzichtet werden muss, ist angesichts der Treffsicherheit weiterer älterer und neuerer Moshgranaten locker wegzustecken. Mit der energiegeladenen Bühnenshow bekommen auch die Nichtmosher etwas geboten. Fronter und charismatische Gallionsfigur Andre brüllt, spuckt und rotzt sich wie üblich durch den Set.

Angesichts des bangenden und moshenden Haufens auf und vor der Bühne braucht man keine Kategorisierungen mehr; der Begriff „Metalcore“ kann weggeschmissen werden, und ob das nun Vegan, Straight Edge oder ein bierseliges Vergnügen ist, schert auf diesem Stimmungspegel kaum noch jemanden. Hier sind die Welten nicht nur kollidiert, sondern haben sich auch erfolgreich vereinigt. In diesem Sinne – „Unite!“
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