Bullet For My Valentine & As I Lay Dying

Bullet For My Valentine & As I Lay Dying

As I Lay DyingBullet For My Valentine
Köln, Palladium
02.11.2006
„Aus drei macht zwei“, so lautet das inoffizielle Motto der aktuellen Bullet For My Valentine Headliner Tour. Da freut man sich auf die Waliser, As I Lay Dying und Bleeding Through, und was muss man kurzfristig feststellen? Letztgenannte Band ist vom Billing verschwunden, es wird nicht mal ein lokaler Ersatz auf die Bühne gezerrt. Und das für 27 Euro im VVK? Nun ja...

Scheißegal, letztendlich will ich ja doch nur Bullet sehen, also ab ins Auto und Richtung Colonia geschippert. Trotz des obligatorischen Staus am Kreuz Leverkusen treffe ich noch pünktlich in der Stadt der DFB Pokal Helden ein und bahne mir meinen Weg ins Palladium. Kaum bin ich drin, macht sich erstes Entsetzen breit. Hab ich das Datum verwechselt? Sind heute die Backstreet Boys hier? Oder wurden noch kurzfristig Tokio Hotel als Bleeding Through Ersatz verpflichtet? Das Publikum lässt jedenfalls darauf schließen. Pseudo-böse Knaben mit brutaler Kajalstift-Verkleidung mischen sich unter total rebellische 15jährige Mädels, die ihre abgerissenen, rot-schwarz gestreiften Oberteile und fingerlosen Handschuhe spazieren tragen. Ein Gör hat sogar ein Slime T-Shit übergewuchtet. Scheiße, diese Band war wirklich Punk und politisch wichtig. Und vor allem war sie schon längst aufgelöst, lange bevor die Trägerin geboren wurde. Heute ist es schick und cool. MTV sei Dank. Ich muss in der Hölle sein!

Da mein Leidenskollege Bastian Greb noch nicht eingetroffen ist, lausche ich allein mit meinen düsteren Gedanken pünktlich um 20 Uhr den Klängen von AS I LAY DYING. Die ersten Riffs wirken wie eine Erlösung. Präzise wie ein Uhrwerk und vor allem mit einer absolut brachialen Wucht prügeln die Kalifornier ihre brutalen Metalcore Geschosse in die sichtlich verwirrte Menge. Tja, Konzerte sind eben kein Ponyhof, und bei As I Lay Dying gibt’s auch keine Passagen zum Mitkreischen. Hier gibt’s nur was auf die Fresse, und zwar reichlich. Der Bassist versucht sich zwar ab und zu an cleanen Vocals, aber die fallen nicht ins Gewicht. Außerdem klingen sie eh scheiße, wie eigentlich bei jeder Metalcore Band.
Das ist dann aber auch der einzige Kritikpunkt einer ansonsten makellosen Aggro Show, die jedoch bestenfalls ein Drittel der Halle erwärmen kann. Der Rest schüttelt eher verständnislos den Kopf ob des fiesen Krachs, der da aus den Boxen dröhnt.
Das ändert aber natürlich nichts daran, dass Tracks wie „94 Hours“, „Empty Hearts“, „The Darkest Nights“, „Through Struggle“, „Confined“, „Meaning In Tragedy“ und natürlich „Forever“ allen Anwesenden zeigen, wie sich arschgeiler Metalcore anzuhören hat. 45 Minuten zerstört die Band alles, was sich ihr in den Weg stellt und verzieht dabei kaum eine Miene. Wunderbar!

Mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht, übergebe ich nun an den inzwischen eingetroffenen Kollegen aus dem Westerwald, der den Rest des Abends aus seiner Sicht schildern wird:
[mh]

Eine feucht triefende Duftmarke aus billigem Parfüm, einer Menge Schweiß und jeder Menge Testosteron durchzieht zäh wabernd die weiten Hallen des Palladiums, staut sich an den scheußlich emporragenden Säulen des Bauwerks empor und erfüllt das Publikum mit einer Mischung aus Angst, Freude und jeder Menge Pseudo-Aggression. Eine Stimmung, die sonst nur der Weihnachtsmann bei der im Durchschnitt knapp 16 Jahre alten Menge auslösen kann, haben hier bereits die Roadies (!!!) von BULLET FOR MY VALENTINE hervorgezaubert. Sicherlich sind Kollege Hauptmann und ich keine Die-Hard-Metal-Methusalems (okay, Hauptmann vielleicht schon), aber die unübersehbare Masse an schwarzgefärbten Haaren, kajastiftbesudelten Augenpartien und ausgestopften BHs sorgt auch bei uns für emporgezogene Augenbrauen. Während man sich über die guten alten Zeiten unterhält, fliegen einem ständig Phrasen wie „Boah, morgen zur ersten Stunde aufstehen!“ oder „Ich hab morgen nen Chemie-Test“ um die Ohren.

Schon vor den ersten Klängen haben die Durchstarter aus Wales irgendwie einen negativen Beigeschmack bekommen. War ich es nicht, der damals in seinem Review zur aktuellen Scheibe groß tönte: „Hype?! Na und??? Mir egal!!!“. Nach einer EP, Live-EP, DVD, zwei Singles und diesem Szenario, muss ich nun leider eingestehen, dass mir das Ganze nicht mehr egal ist. Während man bei einer musikalischen Abrissbirne wie Slayer vor einer Woche das Konzert in Ruhe genießen kann, liefert der heutige Abend das perfekte Hassszenario für all die Metalfreunde da draußen ab, denen der gesamte Metalcore-Trend mächtig auf den Sack geht.

Wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird sicherlich die allgemeine Situation vor dem Start des BFMV Gigs einschätzen können. Los geht’s mit dem Intro des Albums, bei dem zu Beginn vergessen wird das Hallenlicht auszuschalten. Richtig hell wird es aber erst mit dem Opener „Her Voice Resides“, bei dem mächtige Pyroflammen vor der Bühne in die Luft geschleudert werden und dem Publikum gleich mal den Verstand aus der Hirse schießen. Binnen Sekunden hat sich das gesamte Palladium in einen irren Moshpit verwandelt. Während Fronter Matt Tuck sich durch gekonntes Rotzen von überflüssigem Naseninhalt befreit, tut es ihm die Menge gleich und wirft jeglichen Verstand über Bord. Für die nächste Zeit gilt nur noch das Gesetz des stärksten Rumhamplers und Bangers. Kiddies schmeißen sich mit Rucksäcken bewaffnet durch die Reihen, Familienväter hüpfen völlig beschmiert durch die Gegend und achten nicht auf ihre halbzerdrückten Kinder. Sicherlich erzeugen die Besucher nicht den wildesten Pogo aller Zeiten und ich habe auch nichts gegen stumpfes Anrempeln, aber dieses aufgesetzte „Ich-muss-ausrasten-weil-es-cool-ist-Denken“ missfällt mir doch ein ums andere mal.

Stand ich der Livequalität der Band zu Beginn etwas skeptisch gegenüber, so sollte mir an diesem Abend allerdings das Gegenteil bewiesen werden. Zwar trifft Matt Tuck nicht immer alle Töne, aber insgesamt bin ich von der Gesangsleistung doch positiv überrascht. Auch handwerklich macht das Dargebotene ordentlich Laune. Titel wie „Hand of Blood“, „Cries in Vain“ und „Room 409“ knallen auch live wie Hölle und für die Romantiker wurden natürlich auch die Halbballaden „All these Things I Hate“ und „Tears don’t Fall“ ins weite Rund gefeuert. Aus oben angesprochenen Gründen kann man das alles aber leider nicht so sehr genießen. Da schon der Versuch in der Nase zu popeln einem Selbstmordversuch oder mindestens einem gebrochenen Finger gleich kommt, achtet man lieber darauf, seine Position einigermaßen zu verteidigen.

Der Auftritt war gelungen, keine Frage! Sieht man allerdings der Tatsache ins Auge, dass mit Bleeding Through die erste Band recht kurzfristig abgesagt hatte und man somit für zwei Bands, von denen der Headliner kaum länger spielt als 60 Minuten, insgesamt 27 Euro hinblättert, dann wird das Ganze schon langsam etwas unverschämt. Ihr habt zwar erst ein Album rausgebracht, aber etwas mehr hätte ich mir schon erwünscht. Die Menge feiert trotzdem noch bis in die Nacht, kauft billige Poster, T-Shirts, mit Schwermetall veredelte Kondome oder sonstige Schweinereien und freut sich auf das nächste Mal. Und wenn jetzt noch einer laut „Hype!!!“ ruft, dann stimme ich wohl endlich zu...
[bg]


SETLIST BULLET FOR MY VALENTINE

Intro
Her Voice Resides
Hand Of Blood
Suffocating Under Words Of Sorrow (What Can I Do)
All These Things I Hate (Revolve Around Me)
Cries In Vain
4 Words (To Choke Upon)
Room 409
The Poison
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Tears Don't Fall
Spit You Out
The End


Fotos: Melanie Briel

Bildergalerie

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