Heathen - The Evolution Of Chaos

Heathen - The Evolution Of Chaos
Thrash Metal
erschienen am 29.01.2010 bei Mascot Records
dauert 68:28 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Intro
2. Dying Season
3. Control By Chaos
4. No Stone Unturned
5. Arrows Of Agony
6. Fade Away
7. A Hero's Welcome
8. Undone
9. Bloodkult
10. Red Tears Of Disgrace
11. Silent Nothingness

Die Bloodchamber meint:

Wie begegnet man der Situation am besten, wenn man trotz eines überschaubaren Backkatalogs und einer sehr langen Pause einen exzellenten Ruf in der Szene genießt, sich Ohren in aller Welt nach dem angekündigten Wiedervereinigungsalbum sehnen und dieses dann bereits leicht androht, ein musikalisches Duke Nuke'em Forever (oder ein zweites 2. WINTERSUN Album...) zu werden? In der heutigen Zeit ist es auf jeden Fall nicht der klügste Schachzug, wie HEATHEN drei verschiedene Veröffentlichungsdaten zu wählen, die Monate auseinander liegen – Japan Dezember 2009, Europa Januar 2010 & USA Februar 2010.

Neben dem interessanten und ungewöhnlichen Cover fallen noch vor dem Hören die durchweg im oberen Bereich anzusiedelnden Spielzeiten der Lieder auf. Was in der ersten Hochphase des Thrash (und immer noch fast jedem METALLICA Album) noch zum guten Ton gehörte, ist analog zu den – gefühlt – geschrumpften Aufmerksamkeitsspannen auf vermeintlich konsumentenfreundlichere Spielzeiten eingedampft worden, denen sich im Thrash nur noch wenige Sterne entziehen. Was die episch angelegten EVILE in dieser Hinsicht bereits vorgeführt haben, wird nun von HEATHEN auf ganzer Linie bestätigt: Es werden noch Spielzeitgrenzen gesprengt mit spannenden und aufregenden Liedern. Denn nachdem „Dying Season“ und „Control By Chaos“ wie Kugelblitze aus den Boxen geschossen sind, folgt das gigantische „No Stone Unturned“, das in einem Lied alle nicht dem Topspeed verpflichteten Facetten des Genres ausreizt. Nach hymnischen Schunkelrhythmen folgt ein gesangloser Balladenteil, der auf einmal Fahrt aufnimmt und, während er den ersten Liedteil wieder aufnimmt, alle Kessel unter deutlich mehr Dampf setzt. Ein feines Stück Musik, und dabei ist „No Stone Unturned“ vielleicht noch nicht einmal das beste Lied auf „The Evolution Of Chaos“.
Aber es zeigt den Knackpunkt auf, der aus einer lauten, versierten und dynamischen Kehrmaschine einen wahren Straßenfeger nach alter Väter Sitte machen kann. Denn bei aller, in jeder Hinsicht vorhandenen Klasse, die hier unter dem HEATHEN Banner die besten Ideen und Eigenarten der Bay Area verarbeitet und eint, gibt es einen Mangel, den man nicht wegdiskutieren kann: Es fehlt dem Album ein wenig an Herz. Ein wenig METALLICA hier, ein wenig TESTAMENT da und natürlich auch HEATHEN selbst durchscheinen zu lassen, ist definitiv kein so verkehrter Ansatz. Aber wenn man dieses Konzept recht gleichförmig auf etwa zwei Drittel der Lieder anwendet und noch dazu die Trackliste nach der einfachen Formel „Auf 2x schnell folgt 1x langsam“ anlegt, erweckt das eben auch einen Anschein von Kalkül, den man als Hörer beim Genuss eines Albums gefühlsmäßig nicht haben will – selbst wenn der Verstand sagt, dass etwas Kalkül eigentlich bei jeder Band bzw. jedem guten Album vorhanden ist.

So hinterlässt die Menge an feinem, knackigem Uptempo-Thrash-Entertainment (alles außer dem Intro, „No Stone Unturned“, dem in der Spoken Words Passage etwas zu pathetischen „A Hero's Welcome“ und dem eher unauffälligen „Red Tears Of Disgrace“) in ihrer Zusammensetzung einen etwas faden Beigeschmack, der verhindert, dass aus einem sehr guten Album ein grandioses wird, obwohl das Ende mit „The Silent Nothingness“ herausragend gelungen ist. Vielleicht war der Erwartungsdruck nach der langen Zeit auf HEATHEN so groß, dass man ein wenig auf Sicherheit gespielt hat, um niemanden vor den Kopf zu stoßen, wozu „The Evolution Of Chaos“ dann wirklich keinen Anlass gibt. So richtig in Herz UND Hirn packen oder ergreifen gelingt ihm deshalb aber leider auch nicht.
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